"Schwimmen ist ein Menschenrecht"
Der Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), Manfred von Richthofen, will die sich stark verschlechternde Bädersituation in Deutschland stärker in das Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit rücken und die Chance auf Schwimmen als ein Menschenrecht einfordern.

23.11.2004
DSB-Präsident empfiehlt Aktionsbündnis im Kampf um Schwimmbäder
Deshalb forderte von Richthofen auf dem Verbandstag des Deutschen Schwimm-Verbandes am 19. November in Zwickau ein pragmatisches Aktionsbündnis in engem Schulterschluss mit dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) und der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Der DSB wolle sich gerne dort einreihen und wünsche sich als Partner noch andere Organisationen und Verbände, die sportlich mit Wasser zu tun haben.
„Wir müssen verhindern, dass Menschen aller Alterstufen ihr Gesundheits- und Lebenselixier Schwimmen nicht mehr pflegen können, weil das Bäder-Netzwerk gravierende Lücken aufweist“, sagte der DSB-Präsident vor den Schwimm-Delegierten. Er verwies als eine Folge auf die ständig wachsende Zahl von Nichtschwimmern unter den Kindern und Jugendlichen: „Wir sollten dazu beitragen, das Gefahrenpotenzial entscheidend einzudämmen und dem Ertrinkungstod den Kampf anzusagen.“
Viele Hallenbäder sind sanierungsbedürtig
Um die Entwicklung der Bädersituation besser darstellen zu können, haben die Sportorganisationen Zahlen zusammen getragen, die von Richthofen in Zwickau vorlegte. Danach gibt es 6.716 Bäder in Deutschland, 3.478 Hallen- und 3.239 Freibäder. Aber nachdem es in den 60-er und 70-er Jahren einen wahren Boom beim Bau der Hallenbäder in den alten Bundesländern gegeben habe, seien nun viele dringend sanierungsbedürftig. In den neuen Bundesländern ist die Lage ein wenig anders. Bei den Freibädern ist die Versorgung etwas besser als in den alten Bundesländern, dort kommen 52 Bäder auf eine Millionen Einwohner. In den alten Ländern sind es 39 Freibäder.
Ganz miserabel fällt die Auswertung im Bereich Hallenbad für die Menschen in den neuen Ländern aus. Dort gibt es nur 20 Hallenbäder pro eine Millionen Einwohner, während es in den alten Ländern immerhin 50 Bäder sind. Noch schlechter schneiden die Stadtstaaten mit 15 Hallenbädern pro Million Einwohner ab. „Nach wie vor gibt es vor allem in Ostdeutschland ganze Landkreise ohne ein einziges Hallenbad“, betonte von Richthofen. „Zweifellos ein unzumutbarer Zustand.“
Die schwierige finanzielle Situation der öffentlichen Hand würde dazu führen, dass an vielen Orten Bäder geschlossen würden, um Personalkosten und anstehende Sanierungen zu vermeiden. „Dies ist vielleicht kurzfristig der leichtere Weg“, sagte von Richthofen, „sachgerecht und zukunftsichernd, also nachhaltig, sind solche Lösungen nicht.“ Die Krise müsse vielmehr als Chance begriffen und mit Energiesparprogrammen, rechtzeitiger Sanierung und moderner Technik sollten frühzeitig Kosten gespart werden.
Spaßbäder ersetzen keine Sportbäder
Der DSB-Präsident warnte aber vor dem Weg, aus Sportbädern Spaßbäder zu machen. Dort könne nicht sportlich geschwommen werden. Dadurch ist der gesundheitliche Effekt viel geringer. Daher sollten diese Spaßbäder auch nicht mit Sportfördermitteln finanziert werden. „Vermeintlich billiges Geld aus Brüssel hat hier in mehreren Fällen bereits zu zweifelhaften Projekten geführt, deren Auslastung unzureichend und deren Zukunft daher völlig ungesichert ist“, erklärte von Richthofen in Zwickau.
Dabei hätten Umfragen immer wieder ergeben, dass Schwimmen die beliebteste Freizeitbeschäftigung der deutschen Bundesbürger sei, wie der DSB-Präsident in seiner Rede betonte. Der Leistungssport sei sicherlich auch ein wichtiges Betätigungsfeld des Deutschen Schwimm-Verbandes, aber „das eigentliche Wirkungsfeld hat einen viel größeren Zuschnitt“. „Wenn Kinder nicht schwimmen lernen und Jugendliche nicht schwimmen können, dann ist das ein gesellschaftlicher Skandal“, so von Richthofen. Und mit Blick auf die Gesamtsituation solcher Aufgabenstellungen und vor dem Hintergrund des Gefahrenpotenzials durch den drohenden Ertrinkungstod seien unerfüllte Erwartungen um Meisterschaften und Medaillen „nun wirklich die sprichwörtlichen Peanuts“.