Sechs Richtige
Wer als Botschafter für ein Projekt oder Produkt wirbt, soll Aufmerksamkeit und Imagetransfer bewirken. Integrationsbotschafter des DOSB stehen aber vor allem für eines: für Authentizität.

07.05.2012

Jetzt hat es Georges Papaspyratos amtlich: Der Kieler griechischer Geburt hat viel getan für Deutschland, sehr viel. So viel, dass das Bundespräsidialamt es öffentlich würdigte. Ende März wurde dem Spartenleiter Ringen des TuS Gaarden die rare Ehre zuteil, als Trainer und Funktionär das Bundesverdienstkreuz am Bande zu erhalten (siehe Meldung). Mit ihm, dem 1968 nach Deutschland eingewanderten Diplom-Ingenieur, freuten sich unter anderem sein Verein, der Ringer-Verband Schleswig-Holstein, dem Papaspyratos vorsitzt – und der DOSB: Er darf seine Entscheidung bestätigt sehen, den Mann ohne großen Namen 2007 zu einem seiner sechs Integrationsbotschafter ernannt zu haben.
Denn das ist sicher nicht die typische Strategie. Sehr viele Verbände, Stiftungen, sonstige Organisationen benennen heute Botschafter und Botschafterinnen, die sich für oder gegen etwas einsetzen: gegen Mobbing und für Tierschutz, gegen Alkohol, aber auch für Bier. Die meisten dieser Einrichtungen wählen den populären Weg. Sie berufen Personen mit bekanntem Namen und hoher öffentlicher Präsenz. Das liegt nah: ohne Wahrnehmung der Botschafter keine (zusätzliche) Wahrnehmung der Sache, ob Projekt oder Produkt – und damit kein Imagetransfer. Wenn Nuri Sahin nicht Spitzenfußballer wäre, hätte das ZDF ihn nicht eingeladen, um im „Aktuellen Sportstudio“ die Anti-Rassismus-Initiative „Respekt!“ vorzustellen. 2010 war das, in der Sendung waren auch Bilder von Sahins Besuch in seiner früheren Schule zu sehen, in der er über Respekt sprach und über seine Entscheidung, für die Türkei und nicht für Deutschland zu spielen.
Die Mischung macht's
Spitzenathleten sind im Umfeld des Sports oft erste Wahl als Botschafter. Das ist wie gesagt nachvollziehbar. Unter Umständen aber führt es in einen Zwiespalt zwischen zwei Zielen. Denn wo die Wahrnehmung steigt, kann die Glaubwürdigkeit sinken. Zum Beispiel wenn der Star die Idee oder Sache zwar unterstützt, aber nicht mit ganzem Herz vertritt, weil er nicht persönlich betroffen ist. Oder wenn er schlicht keine Zeit hat, um halbwegs regelmäßig – und somit wiedererkennbar - für diese Idee einzutreten. Nuri Sahin kann wohl ebenso als positives Beispiel gelten wie Maria Höfl-Riesch im Kontext der Münchner Olympiabewerbung. Der Skistar aus Garmisch-Patenkirchen unterstützte das Vorhaben der Winterspiele 2018 – die ja auch in Garmisch vonstatten gehen sollten.
Der DOSB hat je drei Integrationsbotschafterinnen und -botschafter. Sie vertreten den organisierten Sport im Ganzen, also nicht das Programm „Integration durch Sport“ speziell; dennoch war bei der Berufung klar, dass sie zum Programm würden passen müssen – wenn der Verband seit 1989 interkulturelle Verständigung durch kleinteilige, nachhaltig angelegte Projekte fördert, also Basisarbeit leistet; dann kann er nicht Botschafter nominieren, die über Integration wenig mehr als ein paar gestanzte Sätze zu sagen haben. Er braucht in dieser Funktion Basisarbeiter- und -arbeiterinnen - jedenfalls auch. Lothar Rudolf, Gründer der Frankfurter Kommunikationsagentur Querformat und der Anti-Rassismus-Initiative „Respekt“, hält grundsätzlich gemischte Mannschaften für erstrebenswert (siehe Interview): aus prominenten und nichtprominenten, dafür umso engagierteren Repräsentanten.
So ein Team hat auch der DOSB nominiert, um die Integrationsleistung des Sports zu betonen. Die Unterschiede zwischen „prominent“ und „nichtprominent“ beziehungsweise „engagiert“ und „nicht engagiert“ sind in diesem Fall freilich graduell. Alle Mitglieder des Sextetts sind oder waren Leistungssportler – aber nicht alle in Deutschland und zum Teil in kaum medienpräsenten Sportarten. Alle haben zudem einen sogenannten Migrationshintergrund und leben Interkulturalität. Sie können das Thema also persönlich vertreten, und sie können sich kompetent dazu äußern. Zusammen stehen die für sportliche wie für ethnische Vielfalt.
Drei unterstützen das Programm
Öffentliches Aufsehen haben vor allem zwei Frauen erregt. Die langjährige Volleyball-Nationalspielerin Atika Bouagaa, Tochter tunesischer Einwanderer, hat ihre Karriere kürzlich verletzungsbedingt beendet, mit kaum 30. Anna Dogonadze, in Georgien geboren, seit 1998 Deutsche, mehrfache Welt- und Europameisterin sowie Olympiasiegerin 2004 im Trampolinspringen wird als 39-Jährige bei den Spielen in London starten. Auch Max Reusch, Jahrgang 1986, ist als Weltklasseathlet aktiv, aber im nichtolympischen Sambo. Er hat den russischen Kampfsport in Sachsen etabliert, mit seinen Eltern zunächst in Heidenau, später bei Boxring Atlas Leipzig, ein Stützpunktverein im Programm „Integration durch Sport“.
Integrationsbotschafter Reusch steht für Leistungssport und direktes Engagement. Das teilt er mit Erko Kalac, knapp 48-Jähriger Spitzentrainer und -funktionär in Karate und Thaiboxen. Im Jahr 2002 hat der Montenegriner den integrativen Gesundheits- und Kampfsportverein Lotus Eppertshausen/Rödermark gegründet, der unter anderem Flüchtlingen und Menschen mit Behinderung Kampfsport ermöglicht. Die einstige Karate-Europameisterin Ebru Shikh-Ahmad ihrerseits hat als Reutlinger Kind türkischer Muslime einen Israeli geheiratet und sich mit ihm selbständig gemacht. „In unserer Karateschule kann ich Migranten erreichen und Ihnen Toleranz und Respekt vorleben“, sagt die 36-Jährige.
Bleibt Georges Papaspyratos, Jahrgang 1943 und nun ein Sonderfall als Botschafter: Ein Repräsentant der Praxis gelangt zu (mindestens regionaler) Prominenz – nicht durch den Sport, sondern eben durch die Praxis. Der ehemalige griechische Jugendmeister im Ringen hat in Gaarden eine Reihe von Ideen und Projekten entwickelt, die Integration fördern, zum Beispiel die in den Arbeitsmarkt. Seine Aufgabe als Botschafter hat er mal so skizziert: „Repräsentation bei Medien, Veranstaltungen und Tagungen; meine interkulturellen Erfahrungen weitergeben, zum Beispiel bei Besuchen bei Stützpunktvereinen oder in Seminaren. Aber auch im Erfahrungsaustausch mit Vereinsmitgliedern und Beteiligung an Großveranstaltungen.“ Ein Profisportler könnte das sicher nicht leisten.
(Quelle: DOSB / Nicolas Richter)