Short Track in Deutschland angekommen
Die Zuschauer beim allerersten Weltcup auf deutschem Boden in der Freiberger Arena in Dresden gerieten aus dem Häuschen als die deutsche Staffel die Bronzemedaille über 3000 m gewann.

16.02.2009

Eine moderne Sportart ist in Deutschland angekommen. Aber der Weg bis dahin war beschwerlich. Im Schatten vor allem der auf Medaillen abonnierten Eisschnellläuferinnen tat sich die Fraktion der Kurvenflitzer schwer. Kaum Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, von Koreanern, Kanadiern, Chinesen immer wieder nach hinten durchgereicht. Bis die DESG die Reißleine zog. Mit dem Nordamerikaner Eric Bédard einen Fachmann, einen Short Track versessenen Bundestrainer auf den Chefsessel delegierte. „Ihm haben wir alles zu verdanken“, weiß Sebastian Praus (28). Dank seiner akribischen Arbeit und Motivation darf die Staffel 2010 von olympischem Edelmetall träumen. In Vancouver, in der Höhle des Löwen, wo die kurzen Bahnen sowieso im Fokus stehen.
Uwe-Jens Mey war einer der besten deutschen Sprinter auf der 400-m-Bahn, zweifacher Weltrekordhalter über 500 Meter. Als er 1998 Short Track als olympische Demonstration erlebte, stockte ihm der Atem. „Die sind irre.“ Weil sich die Schräglagen-Spezies in den Kurven mit der linken Hand abstützt, um das horrende Tempo zu halten, dabei auch mal die Ellbogen ausfährt. Die Folge: Stürze sind so häufig wie Eishockey-Bodychecks an der Bande. Gewollt, nötig, spektakulär. Die Halle tobte in Dresden, minutenlanges Stakkato für deutsche Sportler. Paul Herrmann, einer der schnellen Jungs, kam am Schlusstag auf sage und schreibe sechs Starts. Aber beim Finale spürte der 23-jährige Lokalmatador keine Müdigkeit. „Sie brüllten mich um die Bahn.“ So etwas hatte er noch nicht erlebt. Und Miroslaw Kulik, Vizepräsident der Deutschen Eisschnelllauf Gemeinschaft und für die ST-Abteilung zuständig, stürmte das Pressezentrum. „Könnt ihr so schnell schreiben, wie wir laufen…?“
Sieben Top-Ten-Platzierungen. Platz 3 (Team) und 4 (Tyson Heung über 500 m), Susanne Rudolph gute Sechste. Das macht Mut im Hinblick auf die Weltmeisterschaften in Wien (6.-8. März) – auch wenn Teamleader Helmut Kraus relativierte, dass einige Weltklasseläufer fehlten. Der Weg nach Olympia ist noch weit, Dresden aber lieferte mehr als nur einen Anschub. Auch weil die Veranstalter die Besonderheit der Sportart erkannten. Mit heißer Musik, ausgebufftem Sprecher, Sechstage-Atmosphäre. Event statt nüchterne Sportveranstaltung. Der Funke beim Kampf Mann gegen Mann und Frau gegen Frau sprang auf die Stimmung beim Publikum über.
Jetzt ranken sich kühne Pläne um Short Track, bis hin zu „Sommer-Events“ – im Winter aber bieten die zahlreichen Eishockey-Tempel eine ideale Infrastruktur. „Hilfreich wäre eine Anni Friesinger des Short Track“, grinst Helmut Kraus. Manches deutet darauf hin, dass die Jungs und Mädels auf den Kufen unter dem Englisch, Französisch und zunehmend besser Deutsch parlierenden Monsieur Bédard selbst den Turnaround schaffen. Kraus: „Früher war im Viertelfinale Schluss, jetzt stehen wir im Semifinale. Wir sind einen Schritt weiter.“ Die Fans wollen auch wieder kommen. Aber nicht erst Ende Januar 2010, wenn die Freiberger Arena zur Europameisterschaft bittet.