Sportausschuss des Bundestages tagt heute zum Thema Doping
DSB-Präsident Manfred von Richthofen hat erneut ein schärferes Vorgehen gegen Dopingsünder gefordert, zugleich aber ein Anti-Doping-Gesetz oder eine Erweiterung von Straftatbeständen abgelehnt.

08.03.2006
„Wir haben hierzulande immer noch Defizite bei der Verfolgung von Dopingkriminalität“, erklärte von Richthofen in Berlin. „Es gibt also ein Vollzugsdefizit. Wir brauchen staatsanwaltliche und polizeiliche Mittel, um gegen das kriminelle System an sich und gegen die Hintermänner zu Felde ziehen.“ Der DSB-Präsident hofft, dass der Sportausschuss des Deutschen Bundestages auf seiner Sitzung am 8. März in Berlin eine klare Position über eine Effizienzsteigerung der Doping-Verfolgung finden wird. Die Parlamentarier werden dann die Vorschläge der mit hochkarätigen Juristen besetzten Rechtskommission des Sports gegen Doping beraten, die im Auftrag von DSB und NOK ein Vorschlagspaket für Änderungen erarbeitet hat.
Von Richthofen gegen ein Gesetz: „Ich will keine Propaganda-Show“
„Unser Doping-Kontrollsystem ist gut, bei den Konsequenzen haben wir jedoch Nachholbedarf“, erklärte von Richthofen. Das Dopen durch Sportler selbst unter Strafe zu stellen und damit einen Straftatbestand für „aktives Dopen“ zu schaffen, lehnt der DSB-Präsident nach wie vor ab: „Das geht nach unserer Rechtssystematik nicht. Italien, das wohl das schärfste Dopinggesetz der Welt hat, kennt im Strafrecht andere Rechtsprinzipien. Ich will in Deutschland keine Propaganda-Show. In Italien gibt es spektakuläre Aktionen der Staatsmacht gegen dopende Sportler, die Anzahl der Trainingskontrollen ist hingegen sehr, sehr mager. Das ist die Kehrseite der Medaille.“
Für den DSB-Präsidenten ist es nach seinen Worten weiter wichtig, dass die Doping-Analytik durch eine komplettere Finanzausstattung bessere Möglichkeiten erhält, mit sogenannten Steroid-Profilen und anderen individuellen Basisdaten zu arbeiten, um damit der technischen Cleverness der Betrüger einen Riegel vorzuschieben. Neben dem Schutz der Sportler vor diesen Manipulationen müssten aber auch andere Bevölkerungsteile vor Doping besser als bisher geschützt werden. „Von den Befürwortern eines Anti-Doping-Gesetzes wird vergessen, dass außerhalb des Spitzensports ein breiter Markt für Doping-Präparate existiert. Es muss unterbunden werden, dass auf Schulhöfen und anderen Orten Jugendlichen Anabolika vertickt werden, die sich damit einen Muskelzuwachs und ein anderes Auftreten versprechen“, sagte von Richthofen.
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Hermann (Bündnis 90 /Die Grünen): "Spitzensport muss langfristig dauerhaft sauberer werden"
Winfried Hermann, der sportpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, unterstrich, der Spitzensport müsste langfristig, dauerhaft sauberer werden. „Deutschland trägt mit seinen Maßnahmen zur Anti-Doping-Bekämpfung die Nase hoch“, erklärte der Tübinger Politiker im Deutschlandfunk. „Die Zusammenarbeit von IOC, WADA und staatlichen Stellen in Italien hat exemplarisch gezeigt, dass man vieles noch besser und effektiver machen kann.“ Dringend erforderlich seien für Deutschland neue gesetzliche Grundlagen, weil das Arzneimittelgesetz mit seinen Sanktionsmöglichkeiten nicht ausreiche. Zudem sollten in den Bundesländern Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften gegründet werden, die zielgerichteter gegen Dopingtäter vorgehen könnten. Hermann: „Andere Fraktionen im Bundestag müssen jetzt Farbe bekennen.“
Freitag (SPD): "..dopende Sportler haben kein Mitleid verdient"
Die Polizei-Razzia im Olympia-Quartier der österreichischen Langläufer und Biathleten hat nach Ansicht der SPD-Bundestagsabgeordneten Dagmar Freitag, Sportobfrau ihrer Fraktion, gezeigt, dass im Anti-Doping-Kampf keine weitere Zeit verloren gehen dürfe. In einer Pressemitteilung heißt es: „Die vorliegenden Empfehlungen der Rechtskommission des Sports gegen Doping sind nur ein erster Schritt. Die Erfahrungen von Turin zeigen, dass weitergehende gesetzliche Vorgaben geschaffen werden müssen. Wir erwarten, dass der deutsche Sport spätestens jetzt unbegründete Widerstände gegen weitere gesetzliche Anti-Doping-Maßnahmen aufgibt. Um einem begründeten Verdacht nachzugehen, reichen die Kompetenzen des Sports nachweislich nicht aus. Professionelle Ermittlungsmethoden sind hier unverzichtbar. Wenn zur Sicherstellung von Beweisen Razzien nötig sind, ist das keineswegs eine Verletzung der Würde der Athleten; die dopenden Sportler haben kein Mitleid verdient.“
Riegert (CDU/CSU): "...den Handel mit Dopingpräparaten untebinden"
Die Forderungen nach mehr staatlichen Kompetenzen lehnt Klaus Riegert, sportpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mit deutlichen Worten ab: „Es ist unverständlich, dass Fraktionsmitglieder von SPD und Grünen nach mehr Staat rufen; sie stehen damit im Widerspruch zu den neuen gesellschaftlichen Prinzipien, die Zivilgesellschaft und ihre Kontrollmechanismen zu stärken. Sportler zu kriminalisieren und zu verfolgen, das entspricht nicht dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit.“ Wenn staatliche Gerichte über das Doping urteilten, käme es in den meisten Fällen zu Verfahrenseinstellungen, meint der Kriminalbeamte Riegert. Das Prinzip des Einzelfalls unter Abwägung der Einsichtigkeit und des strafrechtlichen Vorlebens des Angeklagten und Beschuldigten schlage dann voll durch, so dass parallele Sperren durch die Sport-Judikative von zwei Jahren dazu im Widerspruch ständen. Riegert weist darauf hin: Die IOC-Politik sei Dopingbekämpfung in unserem Sinne. Frankreich und Italien hätten strenge Anti-Doping-Gesetze, andererseits aber im Vergleich zu anderen Staaten die wenigsten Trainingskontrollen. „Wichtiger ist es, den Handel mit Dopingpräparaten zu unterbinden - hier sind Zoll, Polizei, aber auch die Pharma-Unternehmen gefragt“, forderte Riegert.
Parr (FDP): "Autonomie des Sports wahren"
Für die FDP-Bundestagsfraktion erklärte deren sportpolitischer Sprecher Detlef Parr, die nunmehr schon seit Jahren bekannten Vollzugsdefizite seien bisher von keiner Bundesregierung konkret angepackt worden. „Wir müssen in die Gesetzestexte schauen und deren Vollzug genauestens untersuchen“, meinte Parr in Berlin. „Oberstes Gebot ist jedoch, die Autonomie des Sports zu wahren und zu schützen. Daneben benötigen wir eine sportethische Diskussion, damit wir im Sport vom Diktat der Zahlen und Rekorde wegkommen.“ Dabei sollte sich die mediale Öffentlichkeit an den eigentlichen Wettkampf-Vorkommnissen orientieren, nicht unbedingt nur an der Zeit- und Weitenmessung orientieren: „9,8 oder 10,3 Sekunden ist doch eigentlich egal. Viel wichtiger ist die Ästhetik der sportlichen Leistung - so wie einst bei Wilma Rudolph.“