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Sportausschuss spricht sich für staatlich regulierten Glücksspiel- und Wettmarkt aus

Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages ist mehrheitlich der Auffassung, dass nur ein staatlich regulierter Glücksspielmarkt die Wett- und Spielleidenschaft der Bevölkerung kanalisieren und eindämmen kann.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

03.02.2006

    Vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im April über die Verfassungsbeschwerde einer privaten Buchmacherin, außerhalb der von ausländischen Anbietern genutzten DDR-Lizenzen Zugang zum Sportwetten-Geschäft zu bekommen, positionierten sich in einer öffentlichen Anhörung Experten aus Wissenschaft, Praxis und Sport zum Thema „Sportwetten und Spielsucht“. Fazit: Es gibt nach der bestehenden Regulierung mit ihren Ausnahmen genügend Bedarf für weitere Kontroll- und Steuerungsmechanismen. Ungeklärt bleibt allerdings, wie sich der durch das Internet sich präsentierende globalisierte Markt begrenzen lässt, wie sich also Wettanbieter aus Südostasien, von Karibikinseln oder demnächst aus Großbritannien, das Online-Casinos zulassen will, den deutschen Normen unterwerfen lassen - soweit sie überhaupt vor dem höchsten deutschen Gericht Bestand haben werden.

     

    DSB-Generalsekretär Dr. Andreas Eichler erklärte, Sportwetten hätten heute lediglich ein Volumen von fünf Prozent des gesamten Glücksspielmarktes. 80 Prozent der Sportwetten würden auf Fußballspiele platziert. Der Sport als Verursacher von gewerblich genutzten Angeboten und als Nutznießer des bisherigen deutschen Erfolgssystems der Regulierung plädiere dafür, dass der Wettmarkt staatlich kontrolliert und konzessioniert bleiben müsse und auf keinen Fall den ungebremsten Marktregeln überlassen werden dürfe. „Sollte das Bundesverfassungsgericht den Sportwettenmarkt deregulieren, steht die Finanzierung des organisierten Sports in Deutschland vor dem Kollaps“, sagte Eichler.

     

    Kein Mittelersatz für den Breitensport

    Der DSB werde zur Hälfte aus Zweckerträgen von Lotto und Toto finanziert, der LSB Saarland sogar zu hundert Prozent. Staatliche und kommunale Haushalte könnten bei einer Marktöffnung, bei der für den Sport entscheidende Finanzquellen versiegen würden, dem Breitensport keinen adäquaten Mittelersatz bieten. Der Sportverein müsste in der Endkonsequenz die Beiträge erhöhen, was zu einer sozialen Ausgrenzung einer breiten Gruppe von Mitgliedern führen werde. Auf der anderen Seite sei es letztlich nicht wünschenswert, wenn der Sport eigene Wettangebote offerieren würde. Der DSB denke nach Eichlers Worten über eine Veränderung der Finanzierungsquellen nach: mehr Fundraising, verstärkte Sponsorensuche. Allerdings hoffe der organisierte Sport, dass das staatliche Spiel- und Wettmonopol in der gegenwärtigen Form erhalten bleibe.

     

    „Steuerquelle sollte da sein, wo Wetten gespielt und Glücksspiele getätigt werden“, meinte Eichler; damit könnte der Staat das Treiben ausländischer Anbieter zweckorientiert angreifen. Es gebe einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, um europaweit eine einheitliche Steuergesetzgebung zu verankern und die Dienstleistungsrichtlinie der EU den faktischen gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen, die von sozialen Elementen der Steuerung geprägt seien. Vor allem sollte es - so der DSB-Generalsekretär - einen rechtlichen Schutz für Sportveranstalter geben, denen das subjektive Recht zu verbriefen sei, in diesem Umfeld in der Form eines urheberrechtlichen Schutzes mitzubestimmen. Überdies seien die Bundesländer jetzt am Zuge, einheitliche Bedingungen des gesamten Glücksspielwesens zu verabschieden.

     

    Immer mehr Spielsüchtige

    13 Prozent aller ambulanten und stationären Suchtpatienten haben nach wissenschaftlichen Erkenntnissen Probleme mit Sportwetten. Das erklärte in der zweieinhalbstündigen Anhörung Prof. Gerhard Meyer von der Universität Bremen. 5.300 Spieler suchten derzeit jedes Jahr eine Suchtberatung auf - Tendenz: steigend. Aggressive Werbemethoden privater Anbieter sorgten dafür, dass auch der Deutsche Lotto- und Totoblock immer stärker Spielanreize machte. „Aus der Sicht der Forschung spreche ich mich gegen eine Marktliberalisierung aus“, erklärte der Psychologe und Suchtforscher. Beim privaten Wettanbieter Betandwin gebe es höhere Marktanteile, weil die Gewinnquoten höher seien, schließlich entfiele bei ihm die gemeinwohlorientierte sozialpflichtige Abgabe. Studenten seiner Universität hätten ihm berichtet, dass die Österreicher jedem Interessenten eine Gutschrift von 30 Euro für die erste Wette bieten.

     

    „Wer den Glücksspielmarkt erweitert, erweitert auch die Probleme“, meinte Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. Es fehlten hier zu Lande immer noch gesetzliche Grundlagen zum Schutz von Süchtigen, von Jugendlichen und vor problematischen Glücksspielen. Nach Darstellung von Dr. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, gibt es insgesamt gesehen 180.000 Spielsüchtige in Deutschland, „höchstwahrscheinlich eher noch mehr“. Seit Einführung der Oddset-Sportwetten und verstärkter Internet-Offerten anderer Anbieter gebe es eine deutliche Zunahme dieses Gewinnspiels und seines Gefahrenpotenzials. „Oberste Priorität muss haben, dass Minderjährige keinen Zugang zu Sportwetten bekommen“, forderte Elisabeth Pott.

     

    3,4 Milliarden Euro an öffentliche Hand und gemeinnützige Organisationen

    Erwin Horak, Präsident der Staatlichen Lotterieverwaltung in München, berichtete, die Sportwette Oddset habe im vergangenen Jahr 430 Millionen Euro Umsatz und damit lediglich sechs Prozent des Gesamtumsatzes des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielt. 2004 seien insgesamt 3,4 Milliarden Euro an Zweckerträgen an die öffentliche Hand und an gemeinnützige Organisationen ausgeschüttet worden. Allein 530 Millionen Euro gingen als Zuweisung in die Sportförderung. „Wir sind nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet“, erklärte Horak. Staatliche Veranstaltung und Kontrolle sorgten für eine Eindämmung des Spieltriebs, dessen Lenkung in richtige Bahnen und gewährleisteten einen ordentlichen Ablauf. Horak: „Sportwetten sind suchtgefährdend. Darauf reagieren wir; Oddset ist beim Entwickeln von Konzepten mit dabei.“ Allerdings sei Oddset - wie Horak einräumte - mit einem Marktanteil von 30 Prozent nicht mehr konkurrenzfähig. 60 Prozent hätten Anbieter, die auf der Grundlage einer DDR-Lizenz im Markt sind, und zehn Prozent würden „offshore“ platziert.

     

    Dr. Peter Danckert, Vorsitzender des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, erklärte nach der Anhörung: „Die Suchtgefahr durch Sportwetten ist beachtlich. Es wird zu wenig für die Prävention getan.“ Das öffentliche Hearing war auf Wunsch der FDP-Bundestagsfraktion durchgeführt worden. Private Wettanbieter waren nicht geladen. Der Deutsche Buchmacherverband Essen und der Verband Europäischer Wettunternehmer mit dessen Brüsseler Lobbyisten Prof. Kurt Schelter hatten sich vergeblich bemüht, als Sachverständige Rederecht zu bekommen.

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