Sportdirektoren der EU sprechen über Autonomie des Sports
Entscheidungen der Europäischen Union haben auch Einfluss auf den Sport. So diskutierten die Sportdirektoren über die Finanzierbarkeit des Sports, die Europäische Kommission beschloss eine einfachere Visavergabe und befürwortet Lizensierungssysteme.

15.10.2009

Auf Einladung der schwedischen Ratspräsidentschaft haben sich am 1./2. Oktober die Sportdirektoren der EU-Mitgliedsstaaten in Solna, Schweden getroffen. Auf der Tagesordnung standen Themen, die für die künftige Entwicklung des Sports auf europäischer Ebene von hoher Bedeutung sind: die künftige Finanzierung des Sports ebenso wie sein spezifischer Charakter und seine Autonomie. Die Bedeutung der Rückflüsse aus Lotterie und Wetten für die Finanzierung des Sports in Europa ist erheblich. Vor diesem Hintergrund wurde positiv aufgenommen, dass der Europäische Gerichtshof (EUGH) im „Liga Portuguesa Urteil“ die Monopole der Mitgliedsstaaten gestärkt hat. Fast die Hälfte der Mitgliedsstaaten reformiert gerade ihre Gesetzgebung für das Glücksspiel. Angeregt durch einen Vortrag von Peter Limacher zur Betrugsbekämpfung des Europäischen Fußball-Verbandes (UEFA) in den Sportwetten waren sich die Teilnehmer einig, dass die Bewahrung der Integrität des Sports im Mittelpunkt der Reformen stehen sollte.
Die EU-Kommission ließ durchblicken, dass sie einer Stärkung des Leistungsschutzrechtes für Sportveranstalter positiv gegenüber steht, um einen fairen finanziellen Ausgleich für Sportverbände aus Sportwetten sicherzustellen. Die EU-Kommission kündigte zudem an, Anfang 2010 ein Treffen zwischen Mitgliedsstaaten, Wettanbietern und Sportverbänden zu organisieren. Angesichts nationaler Zuständigkeit stellt sich allerdings die Frage, welche Ergebnisse auf europäischer Ebene erzielt werden können. Das EU-Büro der Vereinigung europäischer Nationaler Olympischer Komitees (EOC) ist als strategischer Partner an der Studie „Binnenmarkthindernisse zur Finanzierung des Sports in Europa“ beteiligt. Die Studie wird sich über 14 Monate erstrecken. Schon jetzt sei darauf verwiesen, dass Anfang 2010 Fragebögen an alle Dachsportverbände in Europa ausgeschickt werden.
Die Autonomie des organisierten Sports in Europa wurde durch Urteile des EUGH (wie Bosman, Meca-Medina) stark in Frage gestellt. Ob der neue Sportartikel im Lissabon-Vertrag (siehe eigene Meldung) die Rechtssicherheit für den Sport erhöhen könnte, ist umstritten. Die neue Rolle der Sportminister wird unter den Sportdirektoren erst nach endgültiger Annahme des Lissabon-Vertrags diskutiert. In jedem Fall soll der Strukturierte Dialog zwischen EU-Kommission und Sportverbänden intensiviert und ggf. durch die Sportminister ergänzt werden.
Von Vertretern der Olympischen Sportbewegung wurde deutlich gemacht, dass die Europäische Union den spezifischen Charakter des Sports stärker berücksichtigen müsse. In diesem Zusammenhang wurde auf das unter der Federführung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) erstellte Positionspapier zur Autonomie und Spezifität des Sports vom September 2008 verwiesen. Darin fordert die Olympische Sportbewegung u.a.:
- Die Anerkennung der Pyramidenstruktur des Sports mit der besonderen Rolle der internationalen Sportverbände.
- Eine Stärkung der Sportsgerichtsbarkeit. Urteile des CAS bei Verstößen gegen Sportregeln sollten von ordentlichen Gerichten nicht angefochten werden dürfen.
- Stärkere Anerkennung der Solidarmechanismen innerhalb und zwischen Sportverbänden.
- Höhere Berücksichtigung des spezifischen Charakters des Sports bei der Anwendung europäischen Wettbewerbsrechts und der Arbeitnehmerfreizügigkeit.
Bezogen auf die 6+5 Regelung des Welt-Fußballverbandes (FIFA) zeigte sich die EU-Kommission verhandlungsbereit. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Quote nicht ausschließlich auf die Nationalität der Spieler beschränkt, sondern auch andere Kriterien wie beispielsweise die Dauer der Liga-Zugehörigkeit berücksichtigt.
Die kommende spanische Ratspräsidentschaft gab die geplanten Termine mit Sportthemen im ersten Halbjahr 2010 bekannt: 25./26. Februar: Sportdirektorentreffen in Barcelona, 19./20. April: Europäisches Sportforum in Madrid, 20./21. April : Informeller Sportministerrat in Madrid, 10./11. Mai: ggf. formeller Sportministerrat in Brüssel, 3. bis 5. Juni: Europäischer Sportkongress.
Nach der Zustimmung von Irland und Polen fehlt nur noch die Unterschrift des tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus, damit der Lissabon-Vertrag, das neue Übereinkommen der Europäischen Union, in Kraft treten kann. Auch für den Sport hat das Bedeutung.
Mit dem Lissabon-Vertrag wird Sport in einem eigenen Artikel erstmals Gegenstand der Europäischen Verträge. Daraus ergeben sich folgende Änderungen für den Sport in Europa:
- Es wird ein Sportministerrat auf EU-Ebene institutionalisiert, der aber nur Resolutionen verfassen und Empfehlungen aussprechen darf, jedoch über keine eigene Rechtssetzungskompetenz verfügen wird.
- Für die Jahre 2012/13 wird die EU ein eigenes Förderprogramm für Sport auflegen, womit Sportprojekte auch direkt gefördert werden können. Bislang ist dies nur indirekt über andere dem Sport verwandte Themenbereiche wie z.B. „Jugend“ oder „Gesundheit“ möglich.
- Innerhalb der Kommission wird Sport zum Querschnittsthema („Mainstreaming“ von Sport), d.h. er findet damit auch verstärkt Berücksichtigung in anderen EU-Politiken.
EU-Kommission befürwortet Lizensierungssysteme
Am 17./18.9.2009 hat die Europäische Kommission in Brüssel die erste EU-Konferenz zu „Lizenzierungsverfahren für Vereinswettbewerbe“ ausgerichtet. Etwa 120 Repräsentanten von nationalen, europäischen und internationalen Sportverbänden diskutierten über Nutzen und Chancen von Lizenzierungsverfahren im Profisport. Dabei stellte der Fußball die meisten Teilnehmer. Vertreten waren die Europäische Fußball-Union (UEFA), die Vereinigungen der Profiligen (EPFL) und der Klubs (ECA) sowie die Deutsche Fußball-Liga (DFL). Andere Mannschaftssportarten waren Basketball, Handball und Rugby.
Im Blickpunkt der Konferenz stand das Lizenzierungsverfahren der UEFA sowie das kürzlich vom UEFA-Exekutivkomitee angenommene Konzept des „financial fair play“. Vorgestellt wurden auch die Lizenzierungsverfahren der „Euroleague Basketball“, der „Rugby Football Union“ sowie der „Group Club Handball“, die jedoch noch in den Anfängen stecken. Der inhaltliche Schwerpunkt der Konferenz lag eindeutig auf dem Fußball. Mit der Konferenz setzte die Europäische Kommission die Empfehlungen des Weißbuchs Sport und des hierauf basierenden Aktionsplans „Pierre de Coubertin“ aus dem Jahr 2007 um.
Die EU-Kommission befürwortet die Einführung von Lizenzierungssystemen aus folgenden Gründen:
- Lizenzierungssysteme leisten einen Beitrag zur Gewährleistung der Integrität von Sportveranstaltungen.
- Lizenzierungssysteme gewährleisten finanzielle Stabilität und damit eine ordnungsgemäße und faire Durchführung von Sportwettbewerben (indem sie zum einen verhindern, dass Vereine aufgrund von Verschuldung oder Insolvenz vorzeitig aus dem Wettbewerb ausscheiden, zum anderen, weil sie zur Verringerung von Einkommensunterschieden zwischen „reichen“ und „armen“ Vereinen beitragen).
- Lizenzierungssysteme können einen Beitrag zur Verbesserung der Sportinfrastruktur leisten (sichere und gut ausgestattete Sportstätten).
Die Europäische Kommission betrachtet Lizenzierungssysteme als Mittel der Selbstregulierung, wie Pierre Mairesse, der für Sport zuständige Direktor der EU-Kommission. Sie habe nicht vor, in diesem Bereich harmonisierende Regeln zu erlassen. Die Kommission behält sich aber vor, Lizenzierungssysteme auf ihre Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht zu prüfen. Prämienregelungen oder nationale Quoten, die Spieler aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit bevorzugen, seien nicht mit EU-Recht vereinbar und würden nicht toleriert.
Die Kommission wird nach dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages (voraussichtlich Anfang 2010) eine neue Mitteilung zum Sport mit weiterführenden Vorschlägen der Kommission für ein europäisches Sportprogramm herausgeben. Unter Umständen werde die Kommission auch in Erwägung ziehen, Leitlinien zur Sportstättenförderung in den Mitgliedsstaaten im Hinblick auf das EU-Beihilferecht aufzustellen.
Die Vergabe von Visa wird einheitlich und einfacher
Mitte September 2009 hat die EU eine neue Verordnung über die europäische Visumspolitik veröffentlicht. Damit soll das Visa-Vergabeverfahren innerhalb der Europäischen Union vereinheitlicht werden. In der Vergangenheit haben Sportorganisationen wie die European Athletic Association mit Unterstützung des EOC-EU-Büros versucht, auf die Europäische Visa- Gesetzgebung Einfluss zu nehmen. Dabei haben sie wiederholt auf die Schwierigkeiten bei der Visa-Beantragung für Sportler bei internationalen Sportwettkämpfen hingewiesen. Auch gaben sie zu Bedenken, dass Sportgroßveranstaltungen in Zukunft möglicherweise eher an Nicht-EU-Staaten vergeben werden, die dieser Problematik nicht ausgesetzt wären. Dies könnte wiederum zu negativen wirtschaftlichen Konsequenzen für EU-Mitgliedsstaaten führen.
Einige Vorschläge der Olympischen Bewegung zur vereinfachten Visa-Vergabe für Sportlerinnen und Sportler sind nun in den neuen Visa-Kodex mit aufgenommen worden:
- So sind „Vertreter gemeinnütziger Organisationen und Personen bis zum Alter von 25 Jahren, die an Seminaren, Konferenzen, Sport-, Kultur- oder Lehrveranstaltungen teilnehmen, die wiederum von gemeinnützigen Organisationen veranstaltet werden“, von der Visumsgebühr befreit (Art. 16, Kap 4d/5c).
- Teilnehmer an Reisen im Zusammenhang mit politischen, wissenschaftlichen, kulturellen, sportlichen oder religiösen Veranstaltungen oder Reisen, die aus anderen Gründen stattfinden, müssen folgende Belege vorlegen: Einladungen, Eintrittskarten, Anmeldebestätigungen oder Programme, (möglichst) unter Angabe des Namens der einladenden Stelle und der Dauer des Aufenthalts, oder sonstige geeignete Unterlagen, aus denen der Zweck der Reise hervorgeht (Anhang II: A).
- Für die Mitglieder der Olympischen Familie, die an den Olympischen und/oder Paralympischen Spielen teilnehmen, gilt eine besondere Regelung zur Erleichterung der Erteilung von Visa : Visumsanträge können als Gruppenanträge gemeinsam mit den olympischen Akkreditierungskarten bei den jeweiligen Behörden der EU-Mitgliedsstaaten eingereicht werden (Anhang XI).
- Das Visum ist ein einheitliches Visum für mehrfache Einreisen, mit dem ein Aufenthalt von höchstens drei Monaten für die Dauer der Olympischen und/oder der Paralympischen Spiele bewilligt wird. ·
Für die Bearbeitung werden keine Visumsgebühren erhoben.