Sportstätteninfrastruktur ist ohne den Bund nicht zu modernisieren
Deutschland hat seine Straßen, Brücken, Schulen und Sportstätten jahrelang vernachlässigt und fährt seine Infrastruktur auf Verschleiß. Doch ohne Sportstätten kann Sport nicht stattfinden.

13.09.2017

Die (Teil-)Sperrungen von Autobahnbrücken (z.B. die BAB 643 Mainz-Wiesbaden oder zuletzt die BAB 40 Rheinbrücke in Duisburg) werfen regelmäßig das Scheinwerferlicht auf ein Thema, welches eigentlich viel größer ist, denn nicht nur Straßen und Brücken sind marode, sondern auch weite Teile der baulichen Infrastruktur für die Daseinsvorsorge zur Versorgung der Bürgerinnen und Bürger, wie z.B. Versorgungsnetze, Schulgebäude und eben auch Sportstätten.
Es ist erstaunlich, dass sich Deutschland mit erheblichen Versäumnissen in einem Bereich abzufinden scheint, welches das renommierte DIFU-Institut (Deutsches Institut für Urbanistik) gar als „Leistungen zur Existenzsicherung“ definiert: Schließungen von Schwimmbädern, Unterricht in Containern sowie unzumutbare sanitäre Schulanlagen gehören zum Alltag. Und die Bertelsmann-Stiftung bilanziert im Sommer 2017: „Schulgebäude verwahrlosen, Schwimmbäder werden geschlossen – das ist immer noch Realität in manchen deutschen Kommunen.“ Auch im internationalen Vergleich spielt Deutschland laut McKinsey mittlerweile nur noch Kreisliga und investiert im Vergleich der G20-Staaten prozentual am wenigsten: „Deutschland im G20-Vergleich eines der Schlusslichter“!
Schuldenbremsen entwicklen sich zu Investitionsbremsen
Wie in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge ist es vor allem eine Aufgabe der Kommunen, Sportstätten zu sanieren bzw. zu modernisieren, zu bauen und finanziell zu fördern. Doch die Kommunen sind strukturell unterfinanziert – eine aufgabengerechte Anpassung der Finanzverfassung lässt seit Jahren auf sich warten. Schuldenbremsen mögen verfassungsrechtlich sinnvoll sein, haben sich aber zu Investitionsbremsen entwickelt. Haushaltssicherungskonzepte und die staatliche Finanzaufsicht höhlen das kommunale Selbstverwaltungsprinzip aus, zumal Sport-stättenförderung als freiwillige Aufgabe abklassifiziert und damit zur Disposition gestellt wird: Juristen in Regierungspräsidien entscheiden häufig nach dem Prinzip: Ist das Pflichtaufgabe oder kann das weg?
Das Problem des Sanierungs- und Modernisierungsstaus im Bereich der Sportstätten ist damit (auch als Teil eines allgemeinen Infrastrukturdilemmas) zu einer sehr grundsätzlichen und somit zu einer politischen Frage. Sportstätten sind – neben Personal und Finanzen – die wichtigste Ressource des Sports in Deutschland – ohne Sporträume kein Sport! Sie sind zentrale Voraussetzung für Schulsport und die Sportlehrerausbildung an Hochschulen! Sie sind Voraussetzung für den Vereinssport von Millionen Mitgliedern. Sie sind Grundlage von Breiten- und Leistungssport. Sie sind Bildungs-, Gesundheits- und Integrationsorte! Kurz: Sie sind ein wichtiges Stück Lebensqualität in Deutschland. In dieser Sportstättenkrise gibt es auch Lichtblicke: Natürlich gibt es Kommunen, denen es an Investitionsmöglichkeiten nicht mangelt. Die Bertelsmann-Stiftung hat im August 2017 erneut jedoch deutlich gemacht, dass trotz solider Steuereinnahmen „Gemeinden weiterhin tief in der Krise (stecken) und (es nicht) schaffen, ihre Altschulden abzubauen. Die Schere zwischen reichen und armen Kommunen öffnet sich weiter.“
Der Bund hat vorhandene Förderlinien im Bereich des Städtebaus und des Klimaschutzes für den Immobilientyp „Sportstätte“ geöffnet und sogar 2015 ein eigenes Förderprogramm aufgelegt: "Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“. Und was war das Resultat? Von 1.000 Anträgen mit 2 Milliarden Euro Antragssumme konnten nur 56 Anträge mit 140 Millionen Euro bewilligt werden: 56 von 1.000 – und da waren Sportvereine erneut von der Antragsberechtigung ausgeschlossen, obwohl sie zunehmend Verantwortung für ehemals kommunal betriebene Sportstätten übernehmen!
Zaghafte öffentliche Förderansätze
Es gibt sie also durchaus, die zaghaften öffentlichen Förderansätze im Bund, hier und da ein Sonderprogramm auf Landesebene und engagierte Sportdezernenten, die für „ihre“ Sportstätten beim Kämmerer kämpfen. Und selbst aus Nordrhein-Westfalen, einer der Sanierungsstau-Hotspots in Sportdeutschland, hört man seit Kurzem, dass man erstmals seit zehn Jahren prüft, die Sportstättenförderung auf Landesebene anzuheben.
Aber alle diese Anstrengungen nutzen wenig, denn das Problem ist schier zu groß und zu grundsätzlich. Es braucht eine Nationale Allianz zur Verbesserung der Modernisierung von Deutschlands Infrastruktur und hier insbesondere seiner Sportstätten. Wenn selbst in Zeiten einer soliden Wirtschaftsentwicklung und guter Steuereinnahmen, geringen Zinsen und einer klaren Problemanalyse Bund und Länder sich nicht zu einer nationalen Kraftanstrengung zur Förderung der Sportinfrastruktur durchringen können, ist es schlecht um unser Land bestellt. Man sollte sich schlicht nicht damit abfinden, dass unsere Kinder in kaputten Schulturnhallen unterrichtet werden oder Schwimmbäder nur deswegen geschlossen werden, weil kein Geld für die Sanierung vorhanden ist!
Forderung nach einem Bundesprogramm
Dabei ist eins klar: Ohne ein nachhaltiges finanzielles Engagement des Bundes, der auf ungeplante Steuermehreinnahmen in beträchtlicher Höhe blicken kann, sind die Engpässe nicht aufzulösen. Es ist zu hoffen, dass der Bund in der Legislaturperiode 2017-2021 ein Bundesprogramm zur Förderung der Sportinfrastruktur im Umfang von jährlich mindestens 500 Millionen Euro auflegt. Der DOSB hat hierzu in seinen Wahlprüfsteinen ein eigenes Kapitel aufgenommen.
Aber auch die Länder müssen ihren Beitrag leisten – ihr förderpolitisches Engagement ist deutlich auszubauen und zu verstetigen. Auf Länderebene braucht es aber nicht nur mehr Geld, sondern – und das ist fast noch wichtiger – mehr Einsicht in die Problemdimension und mehr Herz für die Sportstätten. Die Bundesländer konnten sich im Frühjahr nicht hinter einer Bundesratsinitiative aus Kiel versammeln, welche richtigerweise den Sanierungsstau bilanzierte und ein Bundesprogramm forderte. In einem Protokoll der Sportreferenten der Landesregierungen ist zu lesen, dass sich die Länder wohl auch deswegen nicht zu einer Unterstützung dieser politischen längst überfälligen Initiative durchringen konnten, da man „nicht positiv festgestellt wissen (wolle), dass bei den kommunalen Sportstätten derzeit ein solcher Sanierungsbedarf bestehe“, so das Protokoll. Es kann also nicht sein, was nicht sein darf – diese Verweigerungshaltung sollte auch als solche benannt werden. Es scheint, als müssen die Sportorganisationen – im Bund, im Land, vor Ort – das drängende Problem der defizitären öffentlichen Förderung von Sportstätten „gewerkschaftlicher“ und insgesamt politischer thematisieren.
(Quelle: DOSB/Walter Schneeloch, DOSB-Vizepräsident Breitensport/Sportentwicklung, Andreas Klages Leiter des Ressort Breitensport, Sporträume des DOSB)