Zum Inhalt springen

Stasi-Überprüfungen im Sport sollen unbefristet weiter gelten

Sportverbände sollen auch weiterhin die Möglichkeit bekommen, ihre Funktionäre und leitenden Mitarbeiter mit so genannten Regelanfragen bei der Stasiunterlagenbehörde zu überprüfen.

DOSB Redaktion
DOSB Redaktion

02.11.2006

Das erklärte der kulturpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Börnsen, nach einer zweieinhalbstündigen Anhörung des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien. Der Abgeordnete kündigte an, der Gesetzentwurf der Großen Koalition, die gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eigentlich das Ende der Regelanfragen über hauptamtliche und inoffizielle Stasi-Tätigkeit zum Jahresende verfügen wollte, werde großflächig überarbeitet: „Wir werden die Gesetzesnovelle in annähernd zwölf Punkten verändern, so dass der Personenkreis für weitere Überprüfungsmöglichkeiten wieder erweitert wird.“ Das Stasi-Unterlagen-Gesetz solle zudem unbefristet Anfragen ermöglichen. 

„Als Parlamentarier haben wir die Aufgabe, Anhörungen ernst zu nehmen“, erläuterte Börnsen im Deutschlandfunk. „Ein Großteil der Experten hat den Eindruck bestätigt, die Repräsentanten des Sports sollten auch weiterhin überprüfbar bleiben. Das werden wir jetzt bei der Überarbeitung mit einbeziehen. Mit der neuen Gesetzgebung wird der Sport weiterhin diese Kontrollfunktionen wahrnehmen können.“ Was bedeutet: Die Stasi-Unterlagen-Behörde soll über den 28. Dezember hinaus Überprüfungsanfragen des Sports bearbeiten können - wie gehabt, wenn der Betroffene zustimmt. Damit steht jetzt fest, dass die 15-Jahres-Frist, wie sie der Gesetzgeber 1991 festgeschrieben hat, nun doch nicht mehr auslaufen soll. 

"Öffentlickeit erwartet vom Sport Vertrauenswürdigkeit"

Nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf vom 17. Oktober sollte der Stasi-Check ab Ende des Jahres auf wichtige politische Funktionen beschränkt werden, auf Regierungsmitglieder, Abgeordnete, Gemeinde- und Stadtverordnete, Berufsrichter und Wahlbeamte. Zuvor hatte der Bundesrat auf Antrag des Freistaates Thüringen am 13. Oktober eine Gesetzesinitiative mit der unbegrenzten Fortführung von Überprüfungsmöglichkeiten beschlossen. Ein Großteil der Sachverständigen befürwortete in der öffentlichen Ausschussanhörung, dass auch weiterhin anlassbezogene Möglichkeiten auf Zugang zum Stasi-Archivmaterial für den Sport, aber auch für andere Personenkreise gegeben sein sollten. So machte der Berliner Theologe und Bürgerrechtler Prof. Richard Schröder deutlich, die Öffentlichkeit erwarte gerade vom Sport „Vertrauenswürdigkeit“. Eine Klärung von Vorwürfen müsste deshalb auch weiterhin möglich sein.

Stellungnahme des DOSB überzeugt

Wie Börnsen erklärte, seien die Ausschussmitglieder von der vierseitigen Stellungnahme des DOSB überzeugt worden, die den Fortbestand der derzeitigen Regelung eingefordert hat. DOSB-Generaldirektor Dr. Michael Vesper hatte darauf hingewiesen, es sei der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, dass die Bespitzelung und Denunziation von Mannschaftsmitgliedern zu DDR-Zeiten nunmehr plötzlich keine Rolle mehr bei der Besetzung von Führungspositionen im Sport spielen sollen. „Führungskräfte gesellschaftlicher Organisationen und der Politik müssen bei der charakterlichen Eignung Vorbild sein“, erklärte Börnsen. „Funktionäre und Repräsentanten des Sports, die Inoffizielle Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes waren, sind allerdings keine Vorbilder. Sie würden den Sport unglaubwürdig machen.“ Mit der Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes wolle das Parlament dem Rechtsfrieden sowie dem Ansehen und der Reputation des DOSB und des gesamten organisierten Sports dienen, unterstrich er. 

"Keinen Schlussstrich unter Stasi-Tätigkeit"

„Wir Christdemokraten haben uns mit den Sozialdemokraten zusammengesetzt“, erklärte Börnsen. „Die Berichterstatter haben jetzt eine neue Formulierung gefunden. Wir werden in annähernd zwölf Punkten den bisherigen Gesetzentwurf verändern, so dass er klarer, aber auch insgesamt deutlich wird, dass wir uns dieser Thematik, auch im Sinne der Opferverbände weiter zuwenden wollen. Es gibt keinen Schlussstrich unter der Stasi-Tätigkeit.“ 

Überarbeiteter Gesetzentwurf in Kürze im Bundestag

Der schleswig-holsteinische Abgeordnete kündigte an, innerhalb der nächsten Tage werde ein überarbeiteter Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht. Darin solle ein Großteil der Überlegungen des Bundesrats berücksichtigt werden, so dass ein „vernünftiger und vertretbarer Kompromiss“ zustande kommen könne. Börnsen: „Dazu gehört auch die Idee der Thüringer, die deutlich gemacht haben: Wir müssen die Überprüfungsmöglichkeiten unbefristet bestehen lassen. Das werden wir aufnehmen, aber nur für einen bedeutenden Personenkreis, der Führungs- und Repräsentationsfunktionen hat. Der Sport gehört dazu.“ Voraussichtlich am 9. November will der Deutsche Bundestag abschließend beraten. Einen Tag zuvor wird der Sportausschuss darüber debattieren. 

In der politischen Debatte ist damit das Argument aus dem ersten Gesetzentwurf vom Tisch: Im Strafrecht gebe es selbst bei schwerer Kriminalität verbindliche Verjährungsfristen; dies müsste analog auch für die Stasi-Überprüfungen gelten. Die Kulturpolitiker haben nunmehr einen Paradigmenwechsel vollzogen, in dem sie die Argumentation aus dem Hearing bestätigten: Bei den Stasi-Regelanfragen gehe es nicht um Schuld und Bestrafung, sondern um die Feststellung von charakterlicher Eignung. Die Fortführung sorge nicht für eine „Stigmatisierung“, erläuterte Dr. Klaus Zeh, thüringischer Minister für Soziales, Familie und Gesundheit: „Die Überprüfung dient zur Sachverhaltsfeststellung. Eine Einzelfallprüfung erfolgt dann erst im zweiten Schritt. Dabei werden die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen gewahrt.“

Title

Title