Vom großen Bruder angespornt
Wolfgang Röder aus Heuchelheim in Hessen hat 1957 mit dem Sportabzeichen begonnen und nie wieder aufgehört.

11.06.2014
Im Oktober 2014 feiert Wolfgang Röder seinen 75. Geburtstag. Zu diesem Jubiläum gesellt sich bereits jetzt mit Beginn des Sommers eine andere stolze Zahl: 58 Mal hat der pensionierte Polizist bereits das Sportabzeichen abgelegt – und zwar ohne Unterbrechung.
„Ich bin 1939 in Berlin geboren, durch die Kriegswirren verschlug es mich aber während meiner Kindheit nach Großen-Linden in Mittelhessen“, erzählt Wolfgang Röder. Als Zweitjüngster von fünf Söhnen orientierte er sich an seinem großen Bruder Günter. „Er war ein Jahr älter als ich und ein Leichtathletik-Ass. Als ich 17 Jahre alt war, forderte er mich zum Sportabzeichen heraus“, erinnert er sich. Sofort war der Ehrgeiz des Jüngeren geweckt. Obwohl er auch Bedenken hatte.
„Ich war Turner und hatte ordentlichen Respekt vor den Disziplinen“, erzählt Wolfgang Röder. Und obwohl es auch damals schon die Möglichkeit gab, Leichtathletikdisziplinen durch Turnübungen zu ersetzen, stellte sich der 17-Jährige der Herausforderung und schaffte es auch ohne seine Turn-Stärken. „Gesagt, getan“, lacht Wolfgang Röder. „Von da an gehörte das Sportabzeichen zu meinem festen Terminplan.“
Improvisation ist alles
Wie in so vielen anderen Orten waren die Bedingungen für sportbegeisterte junge Leute auch in Großen-Linden nicht die besten. Gemeinsam mit seinen Sportkollegen vom TV 1892 legte Wolfgang Röder sich aber gerne ins Zeug. „Ich erinnere mich, dass wir die Aschenbahn selbst vom Unkraut befreien mussten, wenn wir sie benutzen wollten. Und für unsere Weitsprunggrube besorgten wir uns im Ort Sägespäne, um zumindest einigermaßen weich zu landen.“
Neben den jährlichen Ausflügen in die Leichtathletik für das Sportabzeichen blieb Wolfgang Röder immer dem Turnen treu. Was auch an den Idolen lag, die er direkt vor seiner Nase hatte. „Es gab bei uns im Verein mehrere Altersturner, die nicht nur Vorbilder für uns waren. Sie vermittelten uns Werte, trainierten uns, feierten mit uns Siege und Niederlagen“, erzählt der 74-Jährige. Er und seine Turnkameraden nahmen an vielen Wettkämpfen und Sportfesten teil. Und auch wenn die ganz großen Pokale für Wolfgang Röder unerreicht blieben, war er immer glücklich: „Mir ging es um die Gruppe und das Turnen selbst, das war meine Leidenschaft.“
Auf sportlichem Entzug
Dass genau diese regelmäßige sportliche Begeisterung für ihn zu einer Art Lebenselixier wurde, merkte Wolfgang Röder, als er 1962 beruflich zur Polizei wechselte. „Während der Ausbildung spielte Sport zwar eine Rolle, aber durch die vielen örtlichen Wechsel musste ich meinen gewohnten Rhythmus aufgeben und nach insgesamt drei Jahren war das aktive Turnen für mich vorbei. Ich merkte, dass mir der Sport fehlte, allerdings hatte ich einfach nicht mehr die Zeit für regelmäßiges Training und musste mir Alternativen suchen“, erzählt er. Die Lösung lag auf der Hand: Da Wolfgang Röder das Laufen, Schwimmen und Radfahren lag, wurde er Triathlet und betrieb diesen Sport acht Jahre lang.
Auch hier hatte der Sportsmann nicht die ganz großen Erfolge wie den weltbekannten Iron Man vor Augen. Vielmehr genoss Wolfgang Röder wieder die regelmäßige Bewegung und die schöne Landschaft Hessens bei seinen vielen Waldläufen und Radtouren. Jeden Sonntag waren er und seine Frau in dieser Zeit mit der Radtouristik unterwegs. Bis zu 150 Kilometer kamen da an einem Tag schon mal zusammen.
Immer wieder freitags
Bei vielen verschiedenen sportlichen Ambitionen und Wegbegleitern ist Wolfgang Röder dem Sportabzeichen immer treu geblieben. Ohne Pause hat er seit 1957 jährlich die Prüfungen erfolgreich absolviert. Seit den 1980er Jahren ist er auch selbst Prüfer und kann Sportabzeichen-Neulingen seine Erfahrungen weitergeben. Jeden Freitag um 18 Uhr treffen sich Heuchelheims Sportbegeisterte auf dem Sportplatz und trainieren gemeinsam für das Deutsche Sportabzeichen.
Von Kindern, ihren Eltern bis zu den Älteren hat Wolfgang Röder oft auch die Aufgabe, seine Prüflinge zu motivieren. „Nur auf´m Sofa liegen, das reicht nicht“, sagt er allen. Und er erkennt für sich selbst, dass er gar nicht anders kann, als sich regelmäßig zu bewegen. Nur mit dem Seilspringen – einer Disziplin aus der Gruppe Koordination des Deutschen Sportabzeichens – will er sich bisher nicht so wirklich anfreunden. Statt allerdings auf eine andere Übung auszuweichen, die ihm leichter fällt, trainiert Wolfgang Röder lieber. Jeden Freitag. Denn das Ziel ist nah: Wenn es sei Gesundheitszustand erlaubt, will Wolfgang Röder 2016 sein 60. Deutsches Sportabzeichen ablegen.
(Quelle: wirkhaus)