Wie Vereine und Verbände am besten an Fördergelder der EU kommen
Beim „DOSB-Europatag” erläuterten Folker Hellmund und sein Team aus dem EOC EU-Büro in Brüssel, wie sie mit den sportpolitischen Institutionen der EU arbeiten und welche Wege dem deutschen Sport offenstehen, um Fördermittel für Projekte zu erhalten.

09.05.2025
Geschmortes Rindfleisch mit Pommes frites, Käsekroketten mit marinierter Roter Bete, zur Nachspeise Waffeln mit Kirschkompott - die belgischen Spezialitäten, die im Personalrestaurant des DOSB am Donnerstagmittag gereicht wurden, fanden trotz ihrer Kalorienmenge viel Anklang. Leichte Kost war das, was Folker Hellmund, Elisabeth Strobach und Jakob Krones nebenan im Konferenzraum Arena servierten, zwar auch nicht. Aber dem Trio aus dem Brüsseler EU-Büro des Europäischen Olympischen Komitees (EOC), das den Anlass für den kulinarischen Mottotag geliefert hatte, gelang es, die umfangreichen Inhalte seines Arbeitsalltags in ansprechende Häppchen zu portionieren. Und so wurde aus dem „DOSB-Europatag“ eine Veranstaltung, die deutlich mehr Zuhörer*innen verdient gehabt hätte als das Dutzend, das am frühen Nachmittag mit wichtigen Informationen gesättigt den Rückweg ins Büro antrat.
Folker Hellmund und sein Team, zu dem auch Schülerpraktikant Max Lissek, ein Deutsch sprechender Ire aus Dublin, zählte, waren am Donnerstagmorgen per Auto aus Belgiens Hauptstadt in die Otto-Fleck-Schneise gereist, um einerseits ihren Tätigkeitsbereich vorzustellen; andererseits aber auch, um die vielen Möglichkeiten darzulegen, wie die gut 86.000 Sportvereine in Deutschland an finanzielle Unterstützung für Projekte kommen können, die eine Verbindung zum Sport aufweisen. Denn dafür - das war eine wichtige Erkenntnis des Tages - ist mancherorts mehr Geld vorhanden, als abgerufen wird. Aber der Reihe nach.
Zunächst ist wichtig zu verstehen, wie das EOC EU-Büro aufgestellt ist und woran es arbeitet. Gegründet wurde es im Februar 2009 als Nachfolgeorganisation des EU-Büros des deutschen Sports, dessen Leiter Folker Hellmund seit 2007 war. „Es sollte ein europäisches Projekt werden, um die Belange des Sports auf EU-Ebene angemessen zu vertreten“, sagt der 64-Jährige. Wie wichtig das bis heute ist, unterstreicht der Fakt, dass es außer der EOC-Vertretung in Brüssel nur noch Lobbybüros des europäischen Fußballverbands UEFA sowie der Fußball-Eliteligen Spaniens („La Liga“) und Englands („Premier League“) gibt.
Sieben Personen arbeiten im EOC EU-Büro in Brüssel
Sieben Personen umfasst das Team, neben den drei Deutschen gibt es Mitarbeiterinnen aus Italien, Frankreich, Kroatien und Belgien. Elisabeth Strobach, die 2021 nach ihrem Studium an der Sporthochschule Köln als Praktikantin in Brüssel startete, ist seit zwei Jahren Policy Officer, ebenso wie Jakob Krones, der auch in Köln seinen Master in Sportpolitik machte, 2019 beim DOSB im Geschäftsbereich Leistungssport anfing und im vergangenen Frühjahr nach Brüssel wechselte. Das Jahresbudget des Büros kommt zu 20 Prozent vom EOC, 80 Prozent muss das Team selbst erwirtschaften - und fährt dafür zweigleisig.

Die erste Säule ist die breite Partnerstruktur, die mittlerweile 36 Sportorganisationen umfasst, die sich durch das EOC EU-Büro mittels politischer Lobbyarbeit, Beratung und Information vertreten lassen und dafür entsprechende Gebühren entrichten. Darunter sind das Internationale Olympische Komitee (IOC) und das EOC, Nationale Olympische Komitees aus 18 europäischen Ländern inklusive Deutschland, aber auch große internationale Sportfachverbände. Zu den Hauptakteuren der europäischen Sportpolitik - der EU-Kommission, dem Europaparlament und dem EU-Rat - pflegt das Team enge Kontakte. Mit dem im vergangenen Jahr berufenen EU-Kommissar für Sport, Glenn Micallef aus Malta, gab es allein im vergangenen Monat zwei persönliche Treffen.
„Unser Anspruch ist es, über alle Themen, die Relevanz für unsere Partner haben, berichten zu können“, sagt Folker Hellmund. Das Brett, das sein Team und er dabei für den Sport bohren müssen, ist ein dickes. Im EU-Parlament gibt es nur wenige Unterstützer*innen für sportliche Themen. Im von den 27 EU-Mitgliedsstaaten unterzeichneten Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist nur einer der 358 Artikel dem Sport gewidmet, und auch das nur partiell. „Unser 2009 formulierter Wunsch, die Autonomie des Sports im EU-Vertrag unterzubringen, ist leider bislang auch unerfüllt geblieben“, sagt Folker Hellmund.
Motivation für ihre Lobbyarbeit ziehen die sieben Teammitglieder vor allem daraus, die einzige Instanz zu sein, die sich um Auswirkungen von EU-Gesetzgebung auf den Sport kümmert. „Wenn wir es nicht sehen, sieht es keiner, sage ich meinen Leuten immer“, sagt Folker Hellmund. Und Auswirkungen kann es in allen Bereichen geben, in denen die EU Gesetzgebungskompetenz hat. Zwei Beispiele: Die Beschränkung von Mikroplastik betrifft alle Sportvereine oder -verbände, die auf Kunstrasen aktiv sind. Die Limitierung von Blei in Munition hat Einfluss auf das Sportschießen. „Unsere Rolle ist, die Sichtweise des Sports einzubringen. Unser Ziel ist, alles, was Bedeutung für den Sport hat, aufzuzeigen und zu bearbeiten“, sagt Folker Hellmund.
Die zweite Einnahmensäule bildet die umfangreiche Projektarbeit, die Hellmunds Team von klassischen Lobbyisten unterscheidet. „Die Bildungsarbeit, die wir machen, bieten in Brüssel nur sehr wenige andere an, deshalb dürfen wir schon behaupten, dass wir einen speziellen Status genießen“, sagt der Bürodirektor. Unter den wichtigsten Projekten, die das EOC EU-Büro in den vergangenen Jahren angestoßen hat, sind das von April 2022 bis März 2024 durchgeführte Projekt GAMES (Guidance to Achieve more Equal Leadership in Sports) und das mit 18 Nationalen Olympischen Komitees auf den Weg gebrachte OCEAN-Projekt, das seit Januar 2023 und noch bis nächsten Monat läuft und die Reduktion von Emissionen und damit den Schutz des Klimas zum Ziel hat.
Natürlich versuchen sie auch, auf eine stetige Erhöhung der für den Sport zur Verfügung stehenden Mittel zu drängen. Diese kommen zu großen Teilen aus dem Erasmus+-Förderprogramm und werden für einen Zeitraum von jeweils sieben Jahren festgelegt. Im noch bis 2027 laufenden Zyklus stehen insgesamt 550 Millionen Euro für Sportprojekte zur Verfügung, also knapp 80 Millionen Euro jährlich, was nur rund 1,9 Prozent des Gesamtvolumens entspricht. In die Verhandlungen über den nächsten Siebenjahresturnus, die bereits in der zweiten Hälfte dieses Jahres beginnen, geht das EOC EU-Büro mit der Forderung, fünf Prozent des Gesamtbudgets dem Sport zur Verfügung zu stellen.
Vier prioritäre Bereiche sind in Erasmus+ definiert: Inklusion und Vielfalt, digitaler Wandel, Umweltschutz und Bekämpfung des Klimawandels, Teilhabe an Demokratie und bürgerschaftlichem Engagement. Sportspezifische Ziele sind die Förderung eines gesunden Lebensstils, Integrität und Werte, Bildungsförderung im und durch Sport sowie die Förderung der Chancengleichheit und der europäischen Werte. Jeder im Sport aktive Player, der auf einem dieser Felder eine Projektidee entwickelt, kann mit dieser ins Rennen um Fördermittel gehen. „Wir unterstützen dabei gern, zum Beispiel mithilfe unserer Projektdatenbank, dank der wir einen Überblick über alle bislang eingereichten Projektanträge haben und Überschneidungen und Dopplungen verhindern, aber auch mögliche Partner zusammenbringen können“, sagt Jakob Krones.
Und Partner braucht es, um die Zulassung zu den beiden zur Verfügung stehenden Projekttypen zu erhalten. Mindestens zwei Organisationen aus zwei Ländern sind nötig, um eine kleine Partnerschaft zu erlangen. Projekte dort sind auf sechs bis 24 Monate angelegt, Förderpauschalen von 30.000 und 60.000 Euro sind möglich. Mit mindestens drei Organisationen aus drei Erasmus+-Programmländern ist eine Kooperationspartnerschaft erreichbar, die über zwölf bis 36 Monate läuft und mit Förderpauschalen von 120.000, 250.000 und 400.000 Euro - immer bezogen auf die gesamte Projektdauer - lockt.
Gestellt wird der Antrag über ein zentrales Förderportal. Bewerbungen sind einmal im Jahr möglich, die Frist endet Anfang März. Anschließend werden alle Einreichungen von zwei unabhängigen Evaluatoren bewertet, im September erfolgt dann die Bekanntgabe der erfolgreichen Bewerber. Die Konkurrenz ist groß: Im vergangenen Jahr wurden 302 von 1780 eingereichten Ideen finanziert, in diesem Jahr sind 2390 Projekte in der Verlosung - ein Rekord. „Grundsätzlich braucht ein erfolgreicher Antrag eine gute Projektidee, das nötige Know-how für die Einreichung, zeitliche und personelle Ressourcen zur Umsetzung, ein zuverlässiges und relevantes Partnernetzwerk und eine Verzahnung der eigenen mit europäischen Prioritäten“, umreißt Folker Hellmund das Anforderungsprofil.
Zwei Fonds ermöglichen Unterstützung bei Infrastrukturprojekten
Erasmus+ ist indes nicht das einzige Programm, um Fördermittel zu erhalten. Unterstützung für Projekte der Sportinfrastruktur gibt es mittels zweier Fonds, deren Gelder dezentral von den Bundesländern verwaltet werden und dadurch nicht in Konkurrenz mit internationalen Projekten treten: dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für Entwicklung des ländlichen Raums (ELER). In beiden sind regelmäßig mehr Mittel vorhanden, als abgerufen werden. „Wir haben nie verstanden, warum das nicht mehr genutzt wird, denn wo ein politischer Wille ist, findet sich immer ein Weg“, sagt Folker Hellmund. Als Beispiel führt er den Neubau der Sportschule Warnemünde an, bei dem ein Großteil der benötigten rund 27 Millionen aus EU-Mitteln stammten.
Ähnliches kann Jakob Krones aus dem Bereich „Mobilität des Sportpersonals“ berichten - ein Format, das Engagierten aus dem Sport Auslandsaufenthalte ermöglicht. In enger Kooperation mit der in Bonn ansässigen nationalen Agentur „Jugend für Europa“ können seit 2023 über „Erasmus+ Sport“ Förderungen für internationalen Austausch beantragt werden. Im Jahr 2024 wurden von der zur Verfügung stehenden Fördersumme von 1,44 Millionen Euro nur Projekte in Höhe von 920.000 Euro abgerufen und bewilligt. „Das ist auch für uns frustrierend“, sagt Jakob Krones, der nochmals auf die Hilfsangebote des EOC EU-Büros verweist. So gibt es auf der Homepage zum Beispiel einen umfangreichen Werkzeugkasten, in dem die zahlreichen Projekte zur Unterstützung von Good Governance zusammengefasst sind.
„Wir können nur darum werben, dass sich möglichst viele Vereine und Verbände mit den Möglichkeiten befassen, die ihnen die EU-Förderung bietet, und wir stehen mit Rat und Tat zur Seite, wo immer wir können“, sagt Folker Hellmund. Für ihn gilt das allerdings nur noch bis März kommenden Jahres, dann geht der Direktor in Rente, seine Nachfolge ist noch nicht geklärt. Die Messlatte für deren Antrittsbesuch im DOSB liegt nach dem Donnerstag allerdings hoch, und das nicht nur kulinarisch.