Zur Erinnerung an den unvergesslichen „Ratze-Kieler" Ruderachter
In einer Saison, in der der Deutsche Ruderverband mit einem "Projekt-Achter" experimentiert, ist es ein geeigneter Zeitpunkt, an eine Crew zu erinnern, die vor 50 Jahren ihren Siegeszug bei allen großen damaligen Regatten begann.

17.08.2009

Es war bei den Europameisterschaften am 23. August 1959 auf der Saone bei Macon in Südfrankreich, als dem deutschen Rudersport der bis dahin größte Triumph seit den Olympischen Spielen 1936 in Berlin gelang: In sechs von sieben Bootsklassen hatten sich die Ruderer des DRV für das Finale qualifiziert und gewannen dann in den Endläufen vier Gold- und zwei Silbermedaillen.
Acht Kieler Studenten vom Ratzeburger RC und von Ditmarsia Kiel, alle zwischen 22 und 23 Jahre alt und trainiert von den beiden Studienräten Karl Wiepcke (Kiel) und Karl Adam (Ratzeburg), die bereits in unterschiedlichen Zusammensetzungen in kleineren Bootsklassen in den Vorjahren deutsche und internationale Titel gewonnen hatten, starteten 1959 dann gemeinsam im Achter und blieben bereits vor der EM in acht großen Regatten unbesiegt. In der endgültigen Besetzung mit Hans Lenk (dem späteren Universitätsprofessor und Weltpräsidenten der Philosophen), Klaus Bittner, Karl-Heinz Hopp, Moritz von Groddeck, Kraft Schepke, Frank Schepke, Walter Schröder, Manfred Rulffs und Steuermann Willi Padge gewannen die „Ratze-Kieler" 1959 überlegen die Deutsche Meisterschaft und die EM-Qualifikation.
Im Finale in Macon legten die Norddeutschen dann im Höllentempo los, hatten bei der Hälfte der Strecke (1000 m) bereits anderthalb Längen Vorsprung vor dem Boot der Sowjetunion und gewannen schließlich in neuer Rekordzeit von 5:51,71 Minuten mit über 50 Metern Vorsprung vor der Tschechoslowakei und der UdSSR. Die Presse nicht nur in Deutschland schrieb von einem „Wunder von Macon". Der „Deutschlandachter" wurde später in der Bundesrepublik zur „Mannschaft des Jahres" gewählt und vom Bundespräsidenten mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet.
Diese Renngemeinschaft Kiel - Ratzeburg, oft auch der „Adam-Achter" genannt, beendete alle ihre Starts siegreich und durchbrach mit dem Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom die vierzigjährige Vorherrschaft der USA-Ruderer in dieser Disziplin. Das gesamte Team traf sich zum letzten Male in kompletter Besetzung zum 40jährigen Jubiläum des römischen Olympiasieges anlässlich der EXPO 200 in Hannover und ruderte noch einmal gemeinsam in einem Achter auf dem Maschsee. Zwischenzeitlich sind Karl-Heinz Hopp und Manfred Rulffs verstorben und können 2010 beim 50jährigen Jubiläumstreffen leider nicht mehr dabei sein.
„Wir sind bis heute eine Gemeinschaft von Kameraden und Freunden geblieben", so der heute in Kiel-Laboe heimisch gewordene 75jährige Kraft Schepke, "und treffen uns jedes Jahr, wann immer eine passende rudersportliche Gelegenheit dazu besteht“.
Nicht vergessen werden sollen in diesem Rückblick natürlich die drei anderen siegreichen deutschen Boote bei den Europameisterschaften 1959 in Macon: Im Zweier mit Steuermann wiederholten die Marler Riekemann/Berendes ihren Vorjahreserfolg, im Zweier ohne Steuermann sorgten die Ratzeburger Kliefoth/Kruse für eine erfreuliche Überraschung, und sogar mit drei Längen Vorsprung vor Holland legte der Düsseldorfer Germania-Vierer einen tollen Start - Ziel-Sieg in der Besetzung Dr. Heß/Cintl/Effertz/Wegner und Steuermann Obst hin. Der damals 26jährige Dr. Claus Heß, der im Jahr zuvor in Würzburg promoviert hatte, und später zahlreiche Führungsämter im deutschen Sport wahrnahm, wurde 1966 mit 33 Jahren als Nachfolger von Dr. Walter Wülfing jüngster Präsident eines deutschen Sportverbandes. Bis 1983 führte er den Deutschen Ruderverband als einen der erfolgreichsten deutschen Sportverbände.