100 Jahre Frauensport: 1950 bis 1960

Einen Rückblick auf 100 Jahre Frauensport gibt unsere 10-teilige Serie. Im fünften Teil werden die Jahre 1950 bis 1960 zusammengefasst: Medizin-Mythen, Männer-Spiele und Märchen-Laufstil.

Jutta Heine läuft bei den Olympischen Spielen in Rom 200 m unter den strengen Augen der Kampfrichter. Foto: picture-alliance
Jutta Heine läuft bei den Olympischen Spielen in Rom 200 m unter den strengen Augen der Kampfrichter. Foto: picture-alliance

Schädlicher Sport: Medizin-Absurditäten legitimieren Verbote

Unglaublich, aber wahr: Noch bis in die 50er Jahre war die Medizin mit abstrusen Argumenten stärkster Gegner des Frauensports. Ungeprüft wurden Vorurteile aus der Literatur der 20er und 30er Jahre übernommen. Die Liste der angeblich schädlichen Sport-Nebenwirkungen war lang. Dreh- und Angelpunkt war die Gebärfähigkeit: Gewarnt wurde vor der Vermännlichung des Frauenkörpers, verwelkenden Unterleibsorganen, verlagerter Gebärmutter, zu straffer Beckenbodenmuskeln oder eines für die Geburt zu engen Beckens. Sport würde zudem den begrenzten Energievorrat verschwenden, den jede Frau für die Mutterschaft reservieren sollte, oder die chemische Zusammensetzung des Körpergewebes verändern. Psychologen bescheinigten Frauen fehlende Sporttauglichkeit, geringere Intelligenz, ein minderwertiges Nervensystem und Willensschwäche.

Und überhaupt: Anstrengung sei unweiblich und unästhetisch, Kraft- und Ausdauersport nur etwas für Männer. Die Frau solle sich doch bitte nicht am Maßstab Mann messen - sie sei weniger leistungsfähig und minderbegabt! Brisant: Die wirren Behauptungen waren aus der Luft gegriffen, die durch Studien belegten positiven Auswirkungen des Sporttreibens auch auf die Gesundheit von Frauen sowie Pro-Sport-Medizinermeinungen wurden tunlichst ignoriert. Leider dienten die zumeist von Männern geschaffenen Mythen über Jahrzehnte als Legitimation zahlreicher Sportarten- und Wettkampfverbote für Sportlerinnen. Noch in den 50ern standen fast alle Sportarten unter dem Generalverdacht, Frauen gesundheitlich zu schädigen.

Renitente Fußballerinnen kicken auf eigene Faust: Dürfen die das?

Man könne wohl wie ein Mädchen werfen, aber nur wie ein Mann treten. Das Treten sei spezifisch männlich, das Nichttreten weiblich. Frauen sollten eher Fangen, weil sie zum Empfangen gemacht sind. Mit solch fragwürdigen Aussagen wurde Frauen das Fußballspiel vom Deutschen Fußball Bund (DFB) in den 50er Jahren mehrfach verboten. DFB-Instruktion an die Vereine: Damen-Teams und Plätze für Frauen sind strikt untersagt! So kickten die Spielerinnen inoffiziell in Freizeit- und Profi-Mannschaften und trugen eigene Fußballwettspiele aus. Mit dem Westdeutschen Damen-Fußball-Verband wurde sogar eine eigene Organisation mit 22 Vereinen gegründet. Immer gegen den Spott der Öffentlichkeit: Dürfen Frauen Fußball spielen?

Laufstil-Ikone Ursula Donath: Eleganz nach dem Eklat

Die Eleganz dieser Dame überzeugte selbst kritische Funktionäre vom Frauenlaufen: Ursula Donath war in den 50ern eine der erfolgreichsten Mittelstrecklerinnen. Berühmt für ihren Laufstil holte sie Welt- und Europarekorde. Wider den herrschenden Zeitgeist war sie äußerst selbstbewusst: „Als ich 1951 anfing, hatten wir das Gefühl, Frauen können alles.“ In Rom holte die DDR-Leichtathletin die Bronzemedaille über 800 Meter - im ersten olympischen Rennen seit dem 800-Meter-Eklat von 1928.


  • Jutta Heine läuft bei den Olympischen Spielen in Rom 200 m unter den strengen Augen der Kampfrichter. Foto: picture-alliance
    Jutta Heine läuft bei den Olympischen Spielen in Rom 200 m unter den strengen Augen der Kampfrichter. Foto: picture-alliance