11.500 Fische im Wasser

11.500 Talente werden derzeit in den Eliteschulen des Sports gefördert. Doch es geht nicht nur um Leistung sondern auch um einen gesunden Alltag und das Verfolgen von Zielen.

Die Eliteschüler*innen 2023 bei der Preisverleihung in der Carl-von-Weinberg-Schule in Frankfurt. Foto: DOSB
Die Eliteschüler*innen 2023 bei der Preisverleihung in der Carl-von-Weinberg-Schule in Frankfurt. Foto: DOSB

Angelina Köhler schlägt als Erste an. Nach 15 Jahren und 56 Sekunden hat der deutsche Schwimmsport wieder eine Weltmeisterin im Becken. Die frühere Schülerin der Eliteschule des Sports (EdS) in Hannover-Hemmingen krönt sich in Doha als Weltmeisterin über 100m Schmetterling.

Sprung aus der Wüste in den tschechischen Schnee: Janina Hettich-Walz überrascht mit Silber und Bronze als erfolgreichste deutsche Biathletin bei der WM in Nove Mesto. Auch ihre frühere Schule ist mit dem Skiinternat Furtwangen eine den Eliteschulen vergleichbare Institution der regionalen Skiverbände.

Geht man die Biathlon-Damenstaffel durch, finden sich weitere Beispiele für die gelungene Symbiose von Bildung und Bewegung: Selina Grotians Werdenfels-Gymnasium ist Partnerschule des Wintersports, ein Förderkonzept von bayerischem Skiverband und Staatsregierung. Sophia Schneiders Annette-Kolb-Gymnasium in Traunstein ist Stützpunktschule Langlauf und Vanessa Voigts Sportgymnasium Oberhof zählt zum Kreis der bundesweit mittlerweile 43 Eliteschulen des Sports.

Auch der Neujahrsempfang des Deutschen Olympischen Sportbunds ging in diesem Jahr in die Schule. Die hessische EdS Carl-von-Weinberg-Schule war Gastgeberin. Partner aus Politik und Wirtschaft netzwerkten mit den Vertreter*innen aus den Sportverbänden und feierten die diesjährigen Top Drei im Wettbewerb „Eliteschüler*innen des Jahres“, den DOSB und die Sparkassen-Finanzgruppe als langjährige Partner gemeinsam ausrichten: Hedi Kliemke (Kanurennsport/Potsdam), Tristan Sommerfeldt (Nordische Kombination/Oberhof) und Tebbe Möller (3x3 Basketball/Hannover) hatten aus Sicht der Jury im bundesweiten Vergleich den besten Mix aus sportlicher und schulischer Leistung aufzuweisen.

Auch der Talk auf der Bühne vermittelte Einsichten in die Dualität von schulischer Ausbildung und leistungssportlicher Unterstützung, die die Eliteschulen und ihre regionalen Pendants bieten. Tischtennis-Talent Josi Neumann schilderte, wie Schule auch dann funktionieren kann, wenn man ständig in Sachen Sport unterwegs ist. DOSB-Vizepräsidentin Kerstin Holze war auch Schülerin hier an der Weinberg-Schule, zwanzig Jahre vor Josi. Mit mehr Begeisterung als Begabung wie sie es selbst ausdrückt. Aber mitgenommen hat sie persönlich, was auch Schulleiterin Carolin Kubbe als gleichberechtigtes Ziel neben Juniorentiteln oder Olympiamedaillen benennt: die Erkenntnis, dass ein bewegtes Leben auch für Normalos erfüllend sein kann, dass es hilft einen gesunden Alltag zu strukturieren und Ziele zu verfolgen.

Das Konzept der Sportinternate hat sich in der Vergangenheit gelegentlich rechtfertigen müssen. Elfenbeintürme für athletische Talente seien sie, ohne Bindung an Vereine oder Gesellschaft und im Zweifel auf Kosten der schulischen Bildung agierend. Dass die sportlichen Erfolge dem widersprechen, im Winter mehr als im Sommer, ist das Eine. Dass allein an den 43 Eliteschulen des Sports mit ihren mehr als 100 Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie Gymnasien derzeit mehr als 11.500 Talente gefördert werden, widerlegt die Elfenbeintheorie bereits im Ansatz. Dafür ist die Förderung einfach zu breit angelegt. Zudem bewegen sich diese Hochbegabten nicht unter Laborbedingungen, sondern wie Fische im Wasser. „Wir haben hier in der Oberstufe etwa ein Verhältnis Eins zu Eins“, sagt Schulleiterin Kobbe, jede*r Zweite treibt Sport als Hobby.

Das Alles hörte sich für mich am Samstag in Frankfurt, wo ich gemeinsam mit DSGV-Präsident Prof. Dr. Ulrich Reuter die drei Eliteschülerinnen und -schüler des Jahres ehren durfte, vertraut an. Auch ich verdanke „meiner“ Eliteschule, dem Heinrich-Heine-Gymnasium in Kaiserslautern, sehr viel. Und auch für mich war dort immer und von Anfang an klar – ja, hier wirst Du in Deinem Sport besser unterstützt, als das an anderen Schulen möglich gewesen wäre. Aber genauso klar war eben, dass die engagierte Teilnahme am Unterricht sowie die Ausbildung für das Leben nach dem Sport entscheidende Voraussetzung für die Förderung waren.

Auch wenn man nach dem Abitur den Anschluss an die deutsche oder internationale Spitze in der jeweiligen Sportart nicht schafft und seine Leistungssportlaufbahn beendet, hat man trotzdem in dieser Zeit in meinen Augen entscheidende Erfahrungen gemacht. Leistungsbereitschaft, Disziplin und Miteinander prägen nachhaltig für das ganze Leben.

Und mit Blick auf alles, was ich während und nach meiner Leistungssportkarriere gesehen und erlebt habe, unterschreibe ich das pädagogische Credo von Schulleiterin Kubbe und meiner Präsidiumskollegin Kerstin Holze voll und ganz: Ob Eliteschule oder eine der rund 32.000 weiteren deutschen Schulen, am Ende zählt, dass Schülerinnen und Schüler Begeisterung für einen bewegten und aktiven Lebensstil erlebt und erlernt haben.

Wenn wir sehen, welche Ausmaße allein Adipositas und psychosomatische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen durch die Pandemie angenommen haben, dann kann man die Gesundung nicht dem Sport allein aufbürden. Die Vereine brauchen permanent jungen Nachwuchs, der bereits in Kindergarten und Schule Sport kennengelernt hat. Hier sind Bildungspolitik, Eltern und Sport gleichermaßen gefordert, gute Rahmenbedingungen zu schaffen und mit Leben zu füllen. Nur dann wird sich auch weiterhin der Talentpool füllen, aus dem sich künftige Eliteschülerinnen und -schüler rekrutieren, nur dann werden wir als Gesellschaft insgesamt wieder zu einem gesünderen und bewegteren Lebensstil finden.

(Autorin: Miriam Welte, DOSB-Vizepräsidentin)


  • Die Eliteschüler*innen 2023 bei der Preisverleihung in der Carl-von-Weinberg-Schule in Frankfurt. Foto: DOSB
    Die drei geehrten Eliteschüler*innen halten Plakate mit ihren Porträts und Sportarten Foto: DOSB