19. dvs-Hochschultag in Münster mit viel positiver Resonanz

"Bildungspotenziale im Sport" so lautete das Motto des 19. Sportwissenschaftlichen Hochschultags der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) im Münsteraner Schloss.

Die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster. Copyright: picture-alliance
Die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster. Copyright: picture-alliance

Insgesamt hundert Vorträge und Arbeitskreise mit über 200 Einzelbeiträgen umfasste das Programm zum thematisch differenzierten Bildungsdiskurs im Fokus von Bewegung, Spiel und Sport am Institut für Sportwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität. Rund 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem In- und Ausland - soviel wie schon seit Jahren nicht mehr - waren sich im Wesentlichen einig über die vielschichtigen Bildungsbeiträge, die der Sport generell für die Menschen bereithält. Wichtigste Voraussetzung: Es muss noch besser gelingen, diese Möglichkeiten nachhaltig zu entfalten.

Mit dem Bildungsthema hatten die Veranstalter auch einen wichtigen aktuellen Arbeitsschwerpunkt der Sportorganisationen getroffen: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die Deutsche Sportjugend (dsj) waren in Münster mit einer Vielzahl von hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie mit etlichen ehrenamtlichen Funktionsträgern und Funktionsträgerinnen als Referierende bzw. als Teilnehmende vertreten. Schon bei der feierlichen Eröffnung des 19. Sportwissenschaftlichen Hochschultages in der Aula des Schlosses verwies die DOSB-Vizepräsidentin für Bildung und Olympische Erziehung, Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper, darauf, dass der DOSB mit seinen Mitgliedsorganisationen einer der größten Bildungsanbieter im sogenannten Dritten Sektor sei: „Pro Jahr werden 40.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Bereich des organisierten Sports aus-, fort- und weitergebildet. Dazu kommen noch die Kurse außerhalb des verbandlichen Zertifizierungssystems“. In Anwesenheit des DOSB-Vizepräsidenten für Breitensport, Walter Schneeloch, der die Gäste des dvs-Hochschultages als Präsident des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen begrüßte, bekräftige die Berliner Sportpädagogin Doll-Tepper auch den Wunsch, für das wichtige Zukunftsthema Bildung im Sport Strategien für gemeinsames Handeln von Sportwissenschaft und organisiertem Sport zu entwickeln.

Viel versprechende Anknüpfungspunkte gab es dafür reichlich - insbesondere bei den Arbeitskreisen, die entweder sogar auf Vorschlag von Verantwortlichen des DOSB und der dsj bzw. deren Mitgliedsorganisationen mit in das Programm aufgenommen worden waren, oder in weiteren Veranstaltungen, in denen deren Repräsentanten mit eigenen Beiträgen zum Einsatz kamen: So stieß beispielsweise der von der dsj unter der Leitung von Klaus Balster und Kerstin Dudichum inszenierte Arbeitskreis mit dem Titel „Der organisierte Sport als Bildungsakteur im Kooperationsfeld Sportverein und Schule“ auf gleichgroßes Interesse wie der von dsj und der Sportjugend Nordrhein-Westfalen über „Bildungspotenziale im Kinder- und Jugendsport - Pädagogische Voraussetzungen und politische Perspektiven“. Hier stellte auch dsj-Geschäftsführer Martin Schönwandt die Grundzüge eines neu einzurichtenden Forschungsverbundes „Bildungspotenziale im Kinder und Jugendsport“ vor. Ferner war die dsj auf der parallel stattfindenden Ausstellermesse mit einem Info-Stand vertreten, bei dem u. a. die aktuellen Arbeitsmaterialien zur Dopingprävention stark nachgefragt wurden.

Im Arbeitskreis „Bildungsberichterstattung als Steuerungsinstrument der Sportorganisationen“ unter der Leitung Prof. Dr. Hans-Jürgen Schulke wurden erneut die Spezifika des Bildungssystems des organisierten Sports herausgestellt. DOSB-Vizepräsidentin Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper würdigte dabei die derzeitigen Bildungsaktivitäten der Sportorganisationen auf der Grundlage der Erkenntnisse aus dem neuesten Sportentwicklungsbericht 2007/2008 der Kölner Forschergruppe um Prof. Dr. Christoph Breuer. Das dringende Erfordernis einer umfassenden Berichterstattung über die verzweigten Bildungsbereiche im organisierten Sport (Lizenzwesen, Kongresse, Akademien etc.) wurden in den weiteren Referaten (u. a. über die Bildungsleistungen im Deutschen Turner-Bund) bzw. in der anschließenden Diskussion einmal mehr unterstrichen.

Sportwissenschaftliche Hochschultage der dvs finden alle zwei Jahre statt. Die Berufsorganisation der Sportwissenschaftler und Sportwissenschaftlerinnen in Deutschland hatte diesen Kongress nach 2003 bereits zum zweiten Male nach Münster vergeben, nachdem kurzfristig die TU München als ursprünglich vorgesehener Ausrichter verzichtet hatte. Der nächste dvs-Hochschultag findet nach Potsdam (1993) und Leipzig (2005) wieder in einem ostdeutschen Bundesland statt: Im Jahre 2011 lädt das Department Sportwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg unter dem Motto „Innovation - Kreativität - Leistung“ ein.

Die Bildungspotenziale des Sportsystems ausschöpfen

Ein Kommentar von Dr. Hans-jürgen Schulke

Ohne Zweifel: Im Sport wird gelernt. Bewegungsabläufe, Sportarten, Wettkampfregeln, soziale Kompetenz, sportlicher Ehrgeiz, Führungsverantwortung - gelegentlich auch Unsinniges und Unerfreuliches. Das geschieht vielfältig, beabsichtigt oder unbemerkt. Dazu gibt es Annahmen, Befunde, Erkenntnisse und Theorien. Eine Fülle wurde davon in Vorträgen und Seminaren beim 19. Hochschultag der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft in Münster erörtert. Das Thema ist angesichts Pisa und regierungsamtlichen Bildungsdefiziten hochaktuell: Bildungspotenziale des Sports. Die 700 Wissenschaftler blieben nicht unter sich. Viele Vertreter des organisierten Sports waren eingeladen oder meldeten sich einfach so zu Wort - engagiert, gestaltungsbewusst, innovativ und erfahrungsgesättigt. Wissenschaft und reflektierte Praxis trafen sich in Augenhöhe. Die Zahl gemeinsamer Projekte, Kongresse, Auftragsforschungen steigt erkennbar. Ihre praktische Relevanz auch.

Entsprechend ging es nicht nur um Schulsport und Lehrerbildung. Systematisch in den Blick trat der organisierte Sport mit seiner eigenen Aus-, Fort- und Weiterbildung. Schnell wurde deutlich: Das Bildungssystem des Sports ist umfangreich, breit wie tief strukturiert, gut nachgefragt, flächendeckend, flexibel, qualitätsgesichert. Es spricht geschätzt etwa drei Millionen Menschen an (mehr als Studierende), weist 500.000 lizenzierte Übungsleiter aus (bald so viel wie Lehrer), ist der größte nichtstaatliche Bildungsträger und organisiert herausragende Veranstaltungen - wie zuletzt die Turnfestakademie mit 20.000 Meldungen. Das alles auf freiwilliger Basis.

Und doch ist sie intern wie extern weitgehend unbekannt. Wer in welcher Weise mit dem Qualifizierungssystem des Sports in Berührung kommt, wie er den Einstieg gefunden hat, welche Abschlüsse und Fortbildungen gemacht wurden, ob ein Wechsel in den Tätigkeiten statt-gefunden hat, wie lange der Verbleib dauert und was die Gründe für den Abbruch waren - über all diese Fragen gibt es wenig Antwort. Das gilt auch für die wichtigste Frage: Werden genügend Mitarbeiter für die unterschiedlichen Aufgaben im Sport qualifiziert? Noch fehlen gesicherte Rechenmodelle.

Umgekehrt war das respektable Bildungssystem des organisierten Sports noch nicht Gegenstand der Bildungsforschung. Künftig ist Bildung ein umfassendes Netzwerk zum lebenslangen Lernen. Der Sport hat Grund, sich als Bildungsträger zu melden und einen gewichtigen Platz einzunehmen, dabei Anschlussmöglichkeiten mit Teilsystemen wie der Bachelorausbildung für Übungsleiter zu prüfen. Mancher Bildungsfrustrierte könnte hier wieder einen Einstieg finden.

Die Sportorganisationen sollten die Bildungsberichterstattung der Länder aufgreifen; auch das wurde in Münster deutlich. Einige Verbände wie der DTB haben damit schon begonnen. Das gibt Planungsklarheit nach innen und Akzeptanz nach außen. Diese Bildungspotentiale sollte man keinesfalls ruhen lassen.


  • Die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster. Copyright: picture-alliance
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