3. Sportentwicklungsbericht in Vorbereitung

Die Menschen sollen immer mobiler sein, werden immer älter, die Einkommensschere verändert sich wie das Bewusstsein für körperliche Ertüchtigung. Dies sind nur einige von den Rahmenbedingungen, die im Alltag auf den Vereinssport zurückwirken.

Der demographische Wandel stellt die Sportvereine vor neue Herausforderungen. Copyright: picture-alliance
Der demographische Wandel stellt die Sportvereine vor neue Herausforderungen. Copyright: picture-alliance

Die mehr als 91.000 Sportvereine können sich diesen Veränderungen nicht entziehen, sondern müssen sich den neuen Bedingungen anpassen und geradezu anschmiegen wie ein Handschuh der Hand. Damit ihnen das gelingt, brauchen sie von den Verbänden verlässliche Informationen und Unterstützung. Das wiederum setzt eine gründliche und seriöse Gesamtsicht auf die Entwicklungen an der Basis voraus und ruft geradezu zwangsläufig nach regelmäßigen „Sportentwicklungsberichten - Analysen zur Situation des Sports in Deutschland“. 

Aktuellen Entwicklungen im Vereinssport nachspüren

„Auf der Grundlage dieser Online-Erhebungen können die Entwicklungslinien im Vereinssport aufgezeigt und entsprechende Konsequenzen daraus gezogen werden. Über so ein Instrument verfügt derzeit kein anderer Non-Profit-Bereich in Deutschland, wie etwa die Kirchen oder Wohlfahrtsverbände“, lobt Andreas Klages die Analyse-Serie im Vereinssport. Der Leiter des Ressorts „Breitensport und Sporträume“ beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) prophezeit bereits heute: Angesichts des veränderten Bedingungsgefüges nähmen Fusionen und Zusammenschlüsse von Vereinen vor Ort zu und wären keineswegs ein Ausdruck von Schwäche. Die klassischen Vereine im Sinne von Turnvater Friedrich Ludwig Jahn, wie sie insbesondere nach dem 1. Deutschen Turnfest im Jahre 1860 wie Pilze aus dem Boden schossen, über ein Jahrhundert in sich ruhten und in ihrer Struktur für die Ewigkeit gemacht schienen, „gibt es kaum noch“, berichtet Klages. Vorbei die Zeiten, da die Landschaft, egal ob im Dorf oder der Großstadt, einzig von einem Vereinstypus geprägt sei.

Längst haben sich beispielsweise Großvereine mit weit über 10.000 Mitgliedern, hauptamtlichem Personal und Millionen-Etats als Ergänzung zu den „klassischen“ Vereinen etabliert. Schwierig sei die Situation derzeit speziell für Vereine mittlerer Größe mit 1.000 bis 3.000 Mitgliedern in Städten und urbanen Räumen. „Darum müssen wir uns ganz besonders kümmern. Mit den Sportent-wicklungsberichten verfügen wir über ein Instrument, mit dessen Hilfe die Vereine für die Zukunft fit gemacht werden können.“

„Drei Wellen“ im Abstand von jeweils zwei Jahren

Der erste Sportentwicklungsbericht nach Erhebungen im Jahr 2005 wurde 2005/2006 auf den Tisch gelegt. Die Ergebnisse der Folgestudie von 2007/2008 liegen inzwischen zum Teil vor und sollen im Frühjahr dieses Jahres ausführlich vorgestellt werden. Derzeit laufen die Vorbereitungen für die dritte Untersuchung, die Ende 2009 starten und im Laufe des nächsten Jahr weiteres Analysematerial liefern soll. Diese „drei Wellen“ im Abstand von zwei Jahren verkörpern eine modernere und zeitgemäße Form und eine Weiterentwicklung der früheren Finanz- und Strukturanalysen des deutschen Sports (FISAS) und haben das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des organisierten Sports in finanziell schwierigen Zeiten und eines dynamischen sozialen Wandels zu stärken. Das 2004 initiierte Projekt „Sportentwicklungsberichte“ wird finanziert von den Landessportbünden, dem DOSB sowie dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp). Mit der Leitung der Analysen wurde Christoph Breuer vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement der Deutschen Sporthochschule Köln beauftragt.

Beteiligten sich vor fünf Jahren etwa 4.000 Vereine an der ausführlichen Online-Befragung, waren es bei „Welle zwei“ bereits 13.068. Gefragt wird nicht nur nach Daten und Fakten, sondern darüber hinaus nach inhaltlichen Aspekten wie Vernetzungen und Kooperationen oder danach, ob Verbände oder Landessportbünde ausreichend Hilfe und Unterstützung anbieten oder wo der Schuh drückt. Klages zufolge könne es gar nicht genug von dieser Art Basiswissen geben, das in Workshops und Vorträge ebenso Eingang findet wie in die Beratungsarbeit der Führungs-Akademie des DOSB. Praktikabel werden die Studien auch, weil sie nicht nur mit dem Fokus auf das gesamte Bundesgebiet ausgewertet werden, sondern die Ergebnisse zugleich auf Bundesländer oder Themenbereiche (z.B. Gesundheit, Integration) oder die Bedürfnisse einzelner Verbände (z.B. Landessportbünde, Reiterliche Vereinigung, Schützenbund, DJK-Sportverband und Turner-Bund) heruntergebrochen werden. „Mit den Datensätzen wird ein ganz wichtiges Instrumentarium bereitgestellt“, erklärt Andreas Klages. „Letztendlich geht es darum, dass die Vereine für sich ganz bewusst entscheiden, wohin sie sich in ihrem jeweiligen Umfeld entwickeln wollen. Sie können nicht warten, bis jemand an ihre Tür klopft. Sie müssen Strategie fähig werden, wobei es den Königsweg nicht gibt.“

Kooperationen mit Krankenkassen, Kitas und Jugendämtern

Trends an der Basis sind bereits anhand der vorliegenden „anderthalb“ Sportentwicklungsberichte abzulesen und werden noch deutlicher, sobald die Ergebnisse der Querschnittsuntersuchungen über den gesamten Zeitraum zwischen 2004 und 2010 komplett vorliegen. Im zweiten Sportentwicklungsbericht ist unter anderem festgehalten, dass sich der durchschnittliche finanzielle Aufwand der Vereine für Trainer- Übungsleiter und Sportlehrer sowie die Kosten für Ver-sicherungen innerhalb von zwei Jahren um 14 Prozent erhöhte. Bezeichnend für die Suche nach neuen, modernen und zukunftsfähigen Profilen ist die Tatsache, dass zwischen dem ersten und zweiten Bericht die Zahl der Kooperationen enorm in die Höhe schnellte. Bei den Beziehungen zu Wirtschaftsunternehmen stieg die Quote von 21 Prozent auf fast 45 Prozent, bei der Zusammen-arbeit mit Jugendämtern von 15 Prozent auf 36 Prozent, mit kommerziellen Sportanbietern von 11 Prozent auf 36 Prozent und bei Kooperationen mit Kindergärten und Kitas sogar von 24 Prozent binnen zwei, drei Jahren auf 47 Prozent.

Spagat zwischen Dienstleister und traditioneller Heimat

All diese Partner wurden in der jüngsten Vergangenheit von den Sportvereinen erst für sich entdeckt, während andere Verbindungen im Vergleichszeitraum relativ konstant blieben. Beispielsweise die Größenordnung hinsichtlich der Vernetzung von Sportvereinen mit Schulen (Steigerung von 62 Prozent auf 70 Prozent) sowie mit anderen Vereinen (von 70 Prozent auf fast 80 Prozent). Die Zahl der ehrenamtlich Tätigen in den Sportvereinen blieb zwischen 2005 und 2008 stabil, während die Zahl der Vereine mit eigenem Vereinsheim von 31.800 auf 29.500 zurück ging und damit womöglich der Spielraum für Jugendarbeit oder Geselligkeit. Ganze Bataillone von Fakten und Informationen werden in den bisher ausgewerteten Studien aufgefahren. Die Ergebnisse, die im Internet auf der DOSB-Website unter dem Link „Sport- und Strukturentwicklung“ ausführlich eingesehen werden können, kommentiert Klages so: „Die deutsche Vereinslandschaft befindet sich im Umbruch, und die Vereine haben dabei einen schwierigen Spagat zu leisten“, unterstreicht der Breitensport-Experte. „Auf der einen Seite müssen sie sich immer mehr vernetzen und zunehmend Kooperationen mit Schulen, Kitas, mit Krankenkassen, Gesundheits-, Jugend- oder Sportämtern eingehen. Das heißt, sie müssen sich in Richtung Dienstleistung orientieren und damit ihre Kundschaft bedienen. Auf der anderen Seite gilt es, Heimat für ihre Mitglieder zu bleiben und dieses Heimatgefühl nicht zu vernachlässigen.“


  • Der demographische Wandel stellt die Sportvereine vor neue Herausforderungen. Copyright: picture-alliance
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