50 Jahre deutsch-israelische Sportbeziehungen

Vor 50 Jahren gab es „Grünes Licht“ für den offiziellen Start der deutsch-israelischen Sportbeziehungen.

2013 besuchte eine Delegation des DFB, der auch Günter Netzer (li.) angehörte, die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Foto: picture-alliance
2013 besuchte eine Delegation des DFB, der auch Günter Netzer (li.) angehörte, die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Foto: picture-alliance

„Kulturelle Beziehungen sollten ein Bereich sein, in den sich Regierungen nicht einmischen.“ Dieser aus heutiger Sicht selbstverständlich anmutende Satz kam 1969 einer Revolution im deutsch-israelischen Verhältnis gleich. Neben der Kultur, sollten nämlich vor allem die bilateralen Sportkontakte von dieser neuen politischen Haltung Israels profitierten.

Asher Ben Natan, seit 1965 erster israelischer Botschafter in Deutschland, hatte mit dieser Aussage im israelischen Radio verkündet, dass Israelis keine offizielle Genehmigung ihrer Regierung mehr bedurften, um für kulturelle Zwecke nach Deutschland zu reisen - so wie es seit 1961 der Fall gewesen war. Die Folge war eine Flut von Freundschaftsspielreisen und Trainingslagern israelischer Vereine und Einzelsportler in der Bundesrepublik Deutschland: unter anderen nutzten eine israelische Schwimmauswahl, eine Tischtennismannschaft und einige Fußballteams die neuen Möglichkeiten. „Der offizielle Fußball-Freundschaftsspielverkehr zwischen Israel und Deutschland“ wurde laut dem Bundesministerium des Innern in der Bundesrepublik mit der Partie zwischen dem Bonner SC und Hapoel Haifa am 31. Juli 1969 eröffnet. Auch Israels Nationalmannschaft reiste an – schließlich war ihr Trainer, Emanuel Schaffer, seit seiner Ausbildung als DFB-Fußballlehrer in den 1950er Jahren bestens mit dem Gladbacher Meistercoach Hennes Weisweiler befreundet. Weisweiler hatte bereits 1968 ein Trainingslager am israelischen Wingate-Institut in der Nähe von Netanya geleitet – vereinzelt waren zuvor auch andere deutsche Sportler in Israel aufgetreten, da die Restriktionen Israels nur für eigene Athleten galten. Zum Jahreswechsel 1968/69 flog erstmals eine Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes nach Tel Aviv, um im Rahmen eines Trainingslagers auch erstmals auf israelischem Boden Freundschaftsspiele zu bestreiten. Die dortige Presse monierte, dass diese Partien unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden – es sei eine vertane Chance, kommende Stars kicken zu sehen. Das Nachwuchsteam unter Trainer Udo Lattek hatte schließlich mit Kapitän Uli Hoeneß, Paul Breitner, Klaus Hommrich und anderen ein paar feine Ballkünstler zu bieten.

Die politische Vorsicht schwand erst in den darauffolgenden Monaten und so avancierte Israel in der Winterpause zum beliebten Ziel deutscher Fußballvereine. Werden heute die Proficlubs für ihre Trainingslager in Katar als politisch unsensibel gegeißelt, so fanden sich zu Beginn der 1970er keinerlei politischen Bezüge in den Berichten zu den Reisen der Bundesligisten ins Gelobte Land. Dabei dürften gerade die prominenten Fußballer zum Abbau von Ressentiments gegenüber Deutschland beigetragen haben. Als herausragendes Beispiel gilt der erste Gastauftritt von Borussia Mönchengladbach in Israel. Im Auswärtigen Amt hatten die Diplomaten einen guten Riecher für die politische Bedeutung der Begegnung bewiesen. Anstatt die Reise wegen des kurz zuvor erfolgten Attentats auf eine israelische Passagiermaschine in München abzusagen, wurde die Fohlen-Elf inkognito mit einem Flugzeug der Bundeswehr nach Tel Aviv geschleust. Netzer, Vogts, Laumen und Co. verzauberten kurz darauf die 22.000 Zuschauer im Bloomfield-Stadion mit einem fußballerischen Feuerwerk. Obwohl ihre Nationalmannschaft den Fohlen mit 6:0 unterlag, schallte es von den Rängen: „Vivat Germania!“ – Nicht „Borussia“, nicht „Gladbach“, nein: „Es lebe Deutschland!“, skandierten die Israelis an diesem Februarabend im Jahr 1970. Auf emotionaler Ebene dürfte dieser Tag für die deutsch-israelischen Sportbeziehungen so bedeutend gewesen sein, wie der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1954 für die Identitätsfindung der Bundesrepublik insgesamt.

Gesamtgesellschaftlich hatten zuvor die deutschen Pro-Israel-Kundgebungen während des Sechstagekrieges 1967 zu einem Tauwetter in den zwischenstaatlichen Beziehungen geführt. Der offizielle Durchbruch für Kultur und Sport kam dann im Frühjahr 1969. Wesentlichen Anteil dürften daran auch die SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Adolf Müller-Emmert und Karl-Hans Kern gehabt haben. Nach ihrem Israel-Aufenthalt vom 25. Januar bis 9. Februar 1969 und den dabei erfolgten Gesprächen mit Vertretern der Knesset, erhielt Müller-Emmert noch im Februar ein Schreiben von Martin Drucker, einem wichtigen Sportfunktionär des israelischen Sportverbandes Hapoel. Darin teilte Drucker mit, dass die israelischen Sportverbände nun endlich „‘grünes Licht‘ für die freien sportlichen Beziehungen zu Deutschland“ erhalten hätten. Vor 50 Jahren also wurden damit die deutsch-israelischen Sportbeziehungen vollwertig von staatlicher Seite begründet. Angesichts der vielfältigen und massenhaften Kontakte, die bis heute von den Sportfeldern durch Fachverbände, Sportjugend und andere ausgingen, kann das Jahr 1969 für die gesamtgesellschaftlichen bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel ohne Zweifel als Meilenstein bezeichnet werden.

(Autor: Dr. Robin Streppelhoff)

Der Verfasser ist Mitarbeiter beim Bundesinstitut für Sportwissenschaft und Autor der Studie „Gelungener Brückenschlag. Sport in den deutsch-israelischen Beziehungen“, Academia-Verlag 2012.


  • 2013 besuchte eine Delegation des DFB, der auch Günter Netzer (li.) angehörte, die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Foto: picture-alliance
    Fussball Israel DFB Delegation Netzer Yad Vashem Gedenkstaette in Jerusalem dpa40126538