50 Jahre München 1972: Olympiasieger Michael Krause

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Olympischen Spiele von München 72 stellen wir deutsche Olympiasieger*innen von damals vor: In Folge 4 Hockeyspieler Michael Krause

Das Hockey-Finale bei den Olympischen Sommerspielen von München beendet das BRD-Team am 10.9.1972 gegen Pakistan verdient mit 1:0 (0:0). Nach dem Schlusspfiff umarmen sich jubelnd auf dem Rasen des Spielfelds (v.l.) DHB-Trainer Werner Delmes, der Schütze des Siegtores Michael Krause und Torhüter Peter Kraus. Foto: picture-alliance
Das Hockey-Finale bei den Olympischen Sommerspielen von München beendet das BRD-Team am 10.9.1972 gegen Pakistan verdient mit 1:0 (0:0). Nach dem Schlusspfiff umarmen sich jubelnd auf dem Rasen des Spielfelds (v.l.) DHB-Trainer Werner Delmes, der Schütze des Siegtores Michael Krause und Torhüter Peter Kraus. Foto: picture-alliance

Mit dem Abstand von 50 Jahren kommt Michael Krause vor allem eines in den Sinn: „Dass diese Spiele überhaupt in Deutschland stattgefunden haben, ist für mich nach wie vor ein Wunder,“ sagt der Dortmunder Rechtsanwalt. Aber zugleich sei Olympia von 1972 in München Zeichen dafür, „dass es Olympische Spiele immer geben muss“. Er selbst nahm dreimal teil, 1968 in Mexiko, 1972 und vier Jahre später in Montreal. In München wird er mit dem Hockeyteam Olympiasieger. Hier lernt er auch die Schatten kennen.

Fünf Tage vor dem Hockey-Finale sterben 17 Menschen bei der Geiselnahme israelischer Sportler durch palästinensische Terroristen. Und nur drei Tage nach dem Attentat soll sich entscheiden, wer um Gold gegen Pakistan oder Indien spielen wird: Gastgeber Deutschland oder das Team aus den Niederlanden. „Natürlich haben wir diskutiert, ob wir weiterspielen sollten", erzählt Michael Krause. Und: „Es war die richtige Entscheidung, weiterzumachen. Sonst wären wir erpressbar geworden. Das Böse sucht sich immer einen Grund.“

Doch während man sich also aufs Halbfinale vorbereitet, heißt es plötzlich aus dem niederländischen Lager, das Team werde nicht antreten. Das verunsichert Krause und seine Kollegen aber nur kurz. Trainer Werner Delmes habe ein Machtwort gesprochen, erzählt Krause: „Die Holländer wollen uns einnebeln.“ Und tatsächlich steht der Bus der niederländischen Mannschaft schon da, als man am Stadion eintrifft. Und pünktlich zum Anstoß auf dem Rasen stehen sich beide Mannschaften vollzählig gegenüber.

Aber nun spielen die Deutschen „mit viel Wut im Bauch“, wie Krause sagt, und gewinnen das Spiel klar mit 3:0. Vielleicht auch, so erinnert er sich schmunzelnd, weil er rechtzeitig vor Anpfiff doch noch seinen besonderen Schläger, den „Karachi King“, erhalten habe, den er in der Aufregung im olympischen Dorf vergaß. Ersatzspieler Wolfgang Strödter sei mit einem Kleinbus eilig zurückgefahren und habe das kostbare Spielgerät gerade noch rechtzeitig vor dem Spiel Krause über den Zaun vor die Füße geworfen.

Im Finale gegen Pakistan spielt Michael Krauses geliebter Knüppel dann sogar eine Hauptrolle. Denn in der 60. Minute nutzt der Dortmunder eine Strafecke, von Kapitän Carsten Keller hereingeschoben und von Uli Voss gestoppt, zum einzigen Treffer des ruppig geführten Spiels. Die deutsche Mannschaft gewinnt Gold. Das hat seit 1928 außer Indien und Pakistan keine andere Nation bei Olympia geschafft.

Schon in der Vorrunde hatte das deutsche Team die Favoriten mit 2:1 besiegt. Trotzdem galt der Finalsieg als Sensation. Krause und seine Kollegen indes waren mit begründetem Selbstbewusstsein ins Turnier gestartet.

Wie jedes Jahr vor den Spielen war das Team nach Pakistan und Indien gereist, um dort zu trainieren und die Technik der großen Gegner zu studieren. Durchaus mit Erfolg. Krause erinnert sich an ein Spiel in Indien mit 50.000 Zuschauern, das die Deutschen 1:0 gewannen. Und beim Frühstücks-Tee durfte der deutsche Spieler in der englischsprachigen Morgenzeitung lesen, wie der Reporter ihn, den Torschützen, mit Indiens enttäuschendem Superstar Balbir Singh verglich: „Eine schwere Limousine spielte gegen eine alte Schubkarre.“

Auch die Pakistani lernte man auf diesen Reisen kennen. „Sie waren alle schlanker und schnell und spielten mit Haken und Ösen, daran mussten wir uns gewöhnen“, sagt Krause. „Aber wir wussten alle, was auf uns zukam. Und wir waren schon der Meinung, sie schlagen zu können.“

Doch niemand hatte mit den Reaktionen auf Pakistans Niederlage gerechnet. Zuschauer bedrängen die Schiedsrichter, die Spieler fluchen und drohen und benehmen sich bei der Siegerehrung völlig daneben. Sie stecken die Silbermedaillen achtlos weg oder wickeln die Bänder um die Schläger und wenden sich bei der deutschen Hymne demonstrativ ab. Die feine Sportart Hockey hat einen Skandal.

Krause blieb von da an „vorsichtshalber zu Hause“, wenn die Mannschaft nach Pakistan fuhr. Erst 1994 nahm er die Einladung von Bundespräsident Roman Herzog an, der den Olympiasieger, inzwischen Präsident des Deutschen Hockey-Bundes (DHB), auf eine Reise nach Pakistan mitnehmen wollte.

Heute kann Michael Krause die damalige Reaktion der Gegner ein wenig nachvollziehen. „Sie standen unter enormen Erfolgsdruck“, sagt er. Denn als Sieger wären sie, so heißt es, mit einer lebenslangen Rente belohnt worden.

Der Dortmunder ist dem Hockey auch ohne solche Verlockungen nach der aktiven Laufbahn treu geblieben. Nach seiner Präsidentschaft wurde er 1999 Ehrenpräsident des DHB. Unter seiner Führung errichtete sein Verein TSC Eintracht ein eigenes Hockeystadion, auf das Krause mit besonderem Stolz blickt.

Ein anderer Ausflug in die Sportpolitik endete dagegen in Enttäuschung. Als Vorsitzender der 1998 gegründeten Willi-Daume-Stiftung warb Krause um Mittel und kämpfte um den Aufbau einer soliden finanziellen Basis. „Doch die Stiftung war nicht gewollt“, sagt Krause. Das Nationale Olympische Komitee und der damalige Deutsche Sportbund hätten befürchtet, die Stiftung laufe ihnen den Rang ab. Krause gab auf. Die Willi-Daume-Stiftung ging in der 2007 gegründeten Deutschen Olympischen Akademie Willi Daume auf.

Michael Krause hält lieber Erinnerungen an Olympia im Allgemeinen und olympisches Hockey im Besonderen wach. Regelmäßig treffen sich die Teammitglieder von 1972, und im kommenden Jahr laden sie die erfolgreichen Nachfolger, die Olympiasieger von Peking 2008 und London 2012, dazu. Es wird hochhergehen, das nimmt auch Krause an. Aber der Salon eines Kreuzfahrtschiffs wird diesmal gewiss nicht zu Bruch gehen. Auch Hockeyspieler werden älter.

(Autor: Jörg Stratmann)


  • Das Hockey-Finale bei den Olympischen Sommerspielen von München beendet das BRD-Team am 10.9.1972 gegen Pakistan verdient mit 1:0 (0:0). Nach dem Schlusspfiff umarmen sich jubelnd auf dem Rasen des Spielfelds (v.l.) DHB-Trainer Werner Delmes, der Schütze des Siegtores Michael Krause und Torhüter Peter Kraus. Foto: picture-alliance
    Das Hockey-Finale bei den Olympischen Sommerspielen von München beendet das BRD-Team am 10.9.1972 gegen Pakistan verdient mit 1:0 (0:0). Nach dem Schlusspfiff umarmen sich jubelnd auf dem Rasen des Spielfelds (v.l.) DHB-Trainer Werner Delmes, der Schütze des Siegtores Michael Krause und Torhüter Peter Kraus. Foto: picture-alliance