5.000 Zuschauer sahen das Endspiel um die Schulmeisterschaft von Kabul

Der Fußball in Afghanistan hat die schrecklichen Jahre von Krieg und Verwüstung überlebt. NOK-Experte Holger Obermann berichtet

Ein Bericht von Holger Obermann

Dort, wo der Bürgerkrieg am stärksten getobt und für Verwüstung gesorgt hat, im Westen der Hauptstadt Kabul , kennt die Fußball-Begeisterung der jungen Menschen keine Grenzen.

 

Faszinierend der Blick auf die noch immer geringen freien Plätze inzwischen eines verwüsteten Häusermeers: Überall wird Fussball gespielt und selbst die aufgestellten Warnschilder von nach wie vor hier lagernden Landminen hindern die Kinder und Jugendlichen nicht daran, dem runden Etwas nachzujagen.

 

Da war das für den Schulfußball zuständige Erziehungs-Ministerium zunächst gut beraten, das Endspiel in diesen Stadtteil zu verlegen. Austragungsort: der Schulplatz der Habibia-Highschool, einem wiederaufgebauten Gymnasium, in dem schichtweise 15.000 Jungen und Mädchen unterrichtet werden, teilweise noch in von der UN zur Verfügung gestellten Zelten, ohne Türen und Fenster, mit notdürftigen Tafeln und Stühlen ausgestattet.

 

Das Spiel zwischen der einheimischen Mannschaft und der Abdul Hadi Dawi Highschool, zu dem wir als Ehrengäste geladen waren, war geprägt von Schnelligkeit, Kampkraft und Ehrgeiz und die bis an die Außenlinie vorgerückten Schüler feuerten ihre Mannschaft mit einer Begeisterung an, die auch in anderen Ländern Asiens ähnlich aussieht.

 

Als die Habibia-School das Führungstor schoss, hielt es keinen mehr am Spielfeldrand.

Verdeckt in einer großen Staubwolke, die keinen Blick mehr auf die jubelnden Spieler freigab, wurden die jungen Spieler umarmt, geküsst und bereits auf die Schultern der Fans gehievt. Logische Folge: eine Spielunterbrechung von 15 Minuten. Doch die Freude währte nicht lange, als die aus der Stadtmitte Kabuls angereiste Mannschaft kurz darauf den Ausgleich erzielte. Mucksmäuschenstill war es im Rund, nur die Fans der gegnerischen Elf feierten. In der Halbzeit ein für Afghanistan typisches Bild, das aber auch in anderen Entwicklungsländern üblich ist: Trainer und Mannschaft umringt von Fans in der Halbzeitpause mitten auf dem Platz,

50 und mehr werden es gewesen sein.

 

Mitte der zweiten Hälfte dann ein Aufschrei wie ein Kanonenschlag: die 2:1-Führung für die Gastgeber. Was sich danach abspielte, war nicht mehr unter Kontrolle zu kriegen, zumal

auch jegliche Sicherheitskräfte machtlos schienen und der Platz nun allein den Zuschauern gehörte. Zwar machten die Vertreter der Schule und des Ministeriums, die mit großen Pokalen angereist waren, verzweifelte Versuche, das Spiel wieder in Gang zu bringen, doch vergeblich: das Chaos blieb und die Staubwolken auch.

 

So entschieden sich die Verantwortlichen zu einem Spielabbruch . Für uns blieb gerade noch Zeit, dem Auftrag nachzukommen und den besten Spieler des Turniers mit einer Medaille und einem Fairplay-Jersey auszuzeichnen. Ahmad Zabi, ein 18-jähriger Schüler des Habiia-Gymnasiums, war überglücklich. Wir versprachen ihm, ihn in den Kader des in

diesen Wochen beginnenden Aufbaues der neuen U-19 Nationalmannschaft zu berufen. Die Herren vom Schulministerium aber zogen mißmutig ab. Jetzt soll das Endspiel unter

Ausschluss der Öffentlichkeit nachgeholt werden, schon deshalb, weil die goldglitzernden Pokale und die Medaillen für die Spieler der Mannschaften dann endlich überreicht werden können. Ein Abenteuer war das Spiel allemal. Und einmal mehr der Beweis, dass der Fußball in Afghanistans die schrecklichen Jahre von

Krieg und Verwüstung überlebt hat.