7. Frauen-Vollversammlung beschließt Quotenregelung

Fair und vielfältig sollen zeitgemäße Führungsgremien des DOSB und seiner Mitgliedsverbände aussehen: Darauf verständigten sich die Frauen-Vertreterinnen auf ihrer Vollversammlung am vorigen Wochenende in Erfurt.

Die 7. Frauenvollversammlung des DOSB in Erfurt; Foto: Anja Schnabel
Die 7. Frauenvollversammlung des DOSB in Erfurt; Foto: Anja Schnabel

Man nehme eine Frau. Eine mit der Erfahrung der Jahre. Dazu eine Jüngere, die frischen Wind bringt. Noch eine, die sich mit Facebook, Twitter & Co. auskennt. Und eine Vierte, die vielleicht ein Handicap oder einen ausländischen Pass hat. Dazu nehme man vier Männer, ebenso bunt gemischt in punkto Persönlichkeit, Können, Alter und Herkunft. Voilà, so könnten zeitgemäße Führungsgremien des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und der angeschlossenen Mitglieds-Verbände aussehen – fair und vielfältig. Darauf verständigten sich die Frauen-Vertreterinnen auf der 7. Frauen-Vollversammlung des DOSB am vorigen Wochenende in Erfurt nach einem längeren Diskussionsprozess.

Ermöglichen soll das eine maßgeschneiderte Quote, die auch bei den Frauen im Sport in der Vergangenheit nicht unumstritten war. Die Frauen-Vertreterinnen einigten sich auf folgende Forderung: Jede Führungsebene soll innerhalb der nächsten beiden Legislaturperioden die realen Mitgliederzahlen von Sportlerinnen und Sportlern widerspiegeln, da die Statistik immer mehr in eine Schieflage gerät. Neu-Mitglieder in den Vereinen sind überwiegend Frauen (in den letzten zehn Jahren über 400.000) – auf den Führungsebenen bleibt aber alles beim Alten. Näm-lich bei den Männern.

Nicht männerfeindlich, sondern frauenfreundlich

Die Quotenregelung funktioniere im Detail so: Ein Verband mit 35 Prozent weiblichen Mitgliedern soll jeden dritten Führungsposten mit einer Frau besetzen. Die Quoten-„Kappungsgrenze“ liegt bei 40 Prozent. Das bedeutet: Sind mehr Sportlerinnen als Sportler in einem Verband wie z.B. dem Deutschen Turner-Bund aktiv, greift die „Männerquote“. Auch sie sollen in jedem Fall vier von zehn Positionen behalten.

Ohne Gegenstimmen, bei nur wenigen Enthaltungen verabschiedete die Frauen-Vollversammlung mit breiter Mehrheit einen Antrag für die Mitgliederversammlung des DOSB am 8. Dezember in Stuttgart und schlägt darin ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor, die geeignet sind, mehr Frauen für Führungspositionen zu gewinnen und langfristig zu binden. Die Mitgliedsverbände sollen eigenverantwortlich entscheiden, welche Maßnahmen für ihren Verband am besten geeignet sind.

Es besteht erheblicher Entwicklungsbedarf

Während im DOSB-Präsidium und in wenigen Verbänden bereits heute eine paritätische Besetzung Realität ist, haben die Mitgliedsorganisationen insgesamt nach wie vor einen erheblichen Entwicklungsbedarf: In den Präsidien von Spitzenverbänden, Landessportbünden und Verbänden mit besonderen Aufgaben sind im Schnitt nur 14 bis 18 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt. 28 Prozent sind ganz ohne Frauen. In fünf der insgesamt 98 DOSB-Mitglieds-organisationen steht eine Präsidentin an der Spitze. Dabei sind bundesweit vier von zehn Mitgliedern in den Sportvereinen weiblich.

„Männer sind in Entscheidungspositionen noch allzu oft unter sich. Daher hat der Bundesrat in der vergangenen Woche parteiübergreifend eine Gesetzesinitiative für eine Frauenquote in Unternehmen beschlossen“, konstatierte Ilse Ridder-Melchers, Vizepräsidentin Frauen und Gleichstellung des DOSB, in Ihrer Eröffnungsrede in der Erfurter Staatskanzlei. „Es muss Norm und Regel werden, dass die vielen hochqualifizierten Frauen auch im Sport ihre Chance bekommen. Dabei geht es nicht um Quote oder Privilegien, sondern um einen Nachteilsausgleich“, zitierte sie den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff.

Quote vor allem in den Führungspositionen von nöten

Dieser Meinung war auch Heike Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit des Freistaats Thüringen sowie Vorsitzende der Sportministerkonferenz: „Wir brauchen die Quote in allen Bereichen, auf allen Ebenen und vor allem in den Führungspositionen. Es ist nicht mehr die Quote gegen die Männer – es ist die Quote für uns.“ Für die ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Walde, Vorsitzende ProQuote Medien e.V., geht es nicht darum, zu meckern, sondern Lösungen zu finden. „Studien zeigen eindrücklich, dass gemischte Führungsteams ein besseres Arbeitsklima und mehr Leistungsfähigkeit generieren“, referierte sie vor den rund 100 Frauenvertreterinnen. „Allerdings reicht es nicht, dass wir in der Öffentlichkeit Druck machen, wir brauchen eine institutionalisierte Legitimierung.“

Also die viel diskutierte Frauen-Quote. Unterstützt werden die Forderungen durch wissenschaftliche Erkenntnisse. Demnach sorgen verbindliche Regelungen nachweislich dafür, dass sich mehr qualifizierte Frauen auf Führungspositionen bewerben. „Männern sollte man diesen Vorteil deut-ich machen – und Frauen gleichzeitig zeigen, dass Quotenfrau kein Schimpfwort ist“, sagte Professorin Ilse Hartmann-Tews von der Deutschen Sporthochschule Köln. „Kultur verändert sich nur sehr langsam, manchmal sollte man diese Kultur anschubsen.“

Nicht nur Quantität, sondern auch Qualität im Fokus

Auch DOSB-Präsident Thomas Bach möchte die Führungs-Kultur etwas anschieben. Er verwies auf die Olympischen Spiele, bei denen jede Nation erstmalig mit mindestens einer Frau am Start war – ein quantitativer Meilenstein. Nun sollte auch das Qualitative im Fokus stehen: „Wir müssen den Sportlerinnen noch mehr Chancen auf aktive Teilhabe, aber auch auf der Entscheidungsebene einräumen. Die bestehende Kluft müssen wir überwinden, um unser Potenzial zu vergrößern.“ Der DOSB habe in den vergangenen Jahren viel angestoßen und werde auch sein Engagement fortsetzen, sagte Bach.

Das Dilemma brachte Professorin Maike Tietjens, Vizepräsidentin des Deutschen Turner-Bundes für Personalentwicklung Frauen und Gleichstellung, auf den Punkt: „Je höher das Amt, desto weniger Frauen sind vertreten. Wir müssen uns aber auf der Führungsebene repräsentativ abbilden, um Vielfalt zu repräsentieren.“ Sie plädierte für ein modernes Ehrenamt, das sowohl projekt- als auch teambezogen, transparent und vernetzt sein sollte – ohne die Familie und den Job auszuklammern oder die Anerkennung für die eigene Leistung nicht entsprechend zu würdigen. Das Zulassen von Unterschiedlichkeiten garantiert dabei neue Ideen und Visionen.

Chancengleichheit und Vielfalt schaffen Wertschätzung und Respekt

Vielfalt – oder neudeutsch Diversity – steht bereits seit der Frauen-Vollversammlung 2011 auf der Agenda der Frauenvertreterinnen. Das damals verabschiedete Impulspapier zu Gender Management und Diversity sollte die Maßnahmen der Geschlechter- und Inklusionspolitik verknüpfen. Dass beides sich hervorragend ergänze und unterstütze, erklärte die Sportwissen-schaftlerin Meike Schröer in ihrem Vortrag über sexualisierte Gewalt.

„Chancengleichheit und Vielfalt stärken den Sport und schaffen eine Kultur von Wertschätzung und Respekt. Werden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für diese Themen sensibilisiert und qualifiziert, wirkt sich das auch positiv in anderen Bereichen wie z.B. bei Fremdenfeindlichkeit, Homophobie oder Mobbing aus, in denen Menschen diskriminiert werden“, sagte sie.

Auf die Olympische Charta verwies in diesem Zusammenhang Christine Lieberknecht, Minister-präsidentin des Freistaats Thüringen. Jede Form der Diskriminierung sei mit dem olympischen Gedanken unvereinbar – das betrifft auch die Geschlechter. Die Frage des Geschlechts inter-pretierte Peter Gösel, Präsident des Landessportbundes Thüringen, in seinem Grußwort auf ganz eigene Weise und zitierte die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher: „Wenn sie etwas gesagt haben wollen, wenden Sie sich an einen Mann. Wenn Sie etwas getan haben wollen, wenden Sie sich an eine Frau.“ Oder vielleicht künftig an vier Frauen.

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(Autorin: Michaela Rose)


  • Die 7. Frauenvollversammlung des DOSB in Erfurt; Foto: Anja Schnabel
    Die 7. Frauenvollversammlung des DOSB in Erfurt; Foto: Anja Schnabel