Ärztliche Bewegungsberatung auf dem Prüfstand

35. Deutscher Krebskongress: Expert*innen diskutieren in einer Session zur Leitfrage: „Ist die Bewegungsberatung im ärztlichen Setting möglich?“

Diskuatant*innen v.l.n.r.: Dr. Mischa Kläber (DOSB), PD Dr. Joachim Wiskemann (NCT Heidelberg), Dr. Vera Jaron (DBS), Kerstin Holze (DOSB), Dr. Axel Klein (DGSP), Prof. Freerk Baumann (Uniklinik Köln) (Foto: DOSB)
Diskuatant*innen v.l.n.r.: Dr. Mischa Kläber (DOSB), PD Dr. Joachim Wiskemann (NCT Heidelberg), Dr. Vera Jaron (DBS), Kerstin Holze (DOSB), Dr. Axel Klein (DGSP), Prof. Freerk Baumann (Uniklinik Köln) (Foto: DOSB)

„In meiner Praxis bekommen alle Patient*innen eine Bewegungsempfehlung an die Hand, unter anderem das „Rezept für Bewegung“. Aber wir müssen mit gutem Beispiel voran gehen“, sagt Dr. Axel Klein, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, „ich komme täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit.“ Ärzt*innen sind Schlüsselpersonen im Bereich der Bewegungsförderung – sie werden als vertrauensvoll erachtet und rund 90 Prozent aller Menschen suchen jährlich mindestens einmal eine Arztpraxis auf [1,2]

Das „Rezept für Bewegung“ stellt eine Möglichkeit der ärztlichen Bewegungsempfehlung in der Primärprävention dar und bietet die Option, auf ein konkretes Angebot zu verweisen. Kerstin Holze, Vizepräsidentin beim Deutschen Olympischen Sportbund erläutert: „Wir entwickelt aktuell eine digitale Bewegungslandkarte, um die verschiedensten Bewegungsangebote der circa 87.000 Sportvereine schnell und wohnortnah zu finden.“ Das „Rezept für Bewegung“ ist im Sinne der Krebsprävention ein wichtiger Baustein, den Studien zufolge könnten rund 40 Prozent der Krebserkrankungen durch einen gesunden Lebensstil verhindert werden. Dazu gehören Nichtrauchen, gesunde Ernährung, ein ausgewogenes Körpergewicht und ausreichend Bewegung. Allein der Faktor Bewegungsmangel scheint für 6 Prozent aller Krebserkrankungen verantwortlich zu sein [3].

Im Bereich der Nachsorge ist das „Muster 56“ für den Rehabilitationssport ein etabliertes Tool, um erkrankte Menschen – auch bei Krebs - beim Therapieverlauf zu unterstützen. Die Vizepräsidentin des Deutschen Behindertensportverbandes Dr. Vera Jaron erklärt: „Ärzt*innen können dabei in der Regel 50 Bewegungseinheiten mit dem Ziel verschreiben, dass Patient*innen die Chance erhalten, durch Bewegung, Spiel und Sport in der Gruppe Defizite zum Beispiel im motorischen, kognitiven und psychischen Bereich abzubauen und so wieder zu mehr Leistungsfähigkeit, Teilhabe und Lebensfreude zurückzufinden.“

Die Diskutant*innen sind sich einig, dass es für alle Lebens- und Motivationslagen ein breites Angebot von Bewegungsmöglichkeiten benötige, um dem alarmierenden Bericht der WHO zum Bewegungsmangel zu begegnen. Im Bereich der Krebserkrankungen gibt es verschiedene Informationsstellen, um die Bewegungsversorgung in der Fläche sicherzustellen. Eine davon ist das Netzwerk OnkoAktiv: „Wichtig ist die patientenorientierte Bewegungsberatung, daher war uns wichtig ein inkludierendes Netzwerk zu bilden um das breite Angebot von Sport und Bewegung für Krebspatient*innen abbilden zu können.“, sagt Dr. Wiskemann, Leiter der AG "Onkologische Sport- und Bewegungstherapie" im NCT Heidelberg und Gründer des Netzwerkes OnkoAktiv.

Die Session „Ärztliche Bewegungsempfehlung und Sportangebote für Krebsprävention und -nachsorge“ fand am 16.11.2022 auf dem 35. Deutschen Krebskongress in Berlin statt und wurde von Prof. Freerk Baumann (Uniklinik Köln) und Dr. Mischa Kläber (DOSB) geleitet. Organisiert wurde die Session von der Initiative „Bewegung gegen Krebs“ der Deutschen Krebshilfe, des DOSB und der Deutschen Sporthochschule Köln, die darüber hinaus auch mit einem Informationsstand und Sportmodulen auf dem Deutschen Krebskongress vertreten war, um über den Nutzen von Sport und Bewegung in der Krebsprävention und -nachsorge zu informieren. Zum Abschluss des Kongresses konnten sich Betroffene, Angehörige und Interessierte beim 10. Krebsaktionstag digital beim „Schnupperkurs Tanzen“ ausprobieren.

Die Initiative „Bewegung gegen Krebs“ legt in diesem Jahr den inhaltlichen Schwerpunkt auf die Themen „Ärzteschaft“ und „Bewegungsberatung“. So wurde unter anderem die Kampagne „Bewegung ist die beste Medizin“, ein Materialversand zum „Rezept für Bewegung“ an 30.000 niedergelassene Ärzt*innen sowie die Session beim 35. Deutschen Krebskongress initiiert.

(Quelle: Initiative „Bewegung gegen Krebs“)

[1] Gabrys et al (2015): Prevalence and temporal trends of physical activity counselling in primary health care in Germany

[2] Wangler/Jansky (2019): Die Bedeutung des hausärztlichen Settings für die Bewegungs- und Gesundheits- förderung im höheren Lebensalter – Ergebnisse einer Befragung.

[3] Mons et al., Behrens et al. Gredner et al. (2018): Schätzung der attributablen Krebslast in Deutschland. Dt. Ärzteblatt


  • Diskuatant*innen v.l.n.r.: Dr. Mischa Kläber (DOSB), PD Dr. Joachim Wiskemann (NCT Heidelberg), Dr. Vera Jaron (DBS), Kerstin Holze (DOSB), Dr. Axel Klein (DGSP), Prof. Freerk Baumann (Uniklinik Köln) (Foto: DOSB)
    Podiumsdiskussion beim Deutschen Krebskongress in Berlin