Sie kommen aus einem Land, in dem Fußball für das weibliche Geschlecht erst seit fünf Jahren besteht. Die Rede ist von der Frauen-Nationalmannschaft Afghanistans, einem Land, das vor allem in den letzten zwölf Monaten von vielen Anschlägen der gefürchteten Taliban heimgesucht wurde, Attentate, denen auch Soldaten der deutschen Bundeswehr (Istaf) zum Opfer fielen.
Zur Vorgeschichte: Die deutsche Bundesregierung, der Deutsche Olympische Sportbund und der Deutsche Fußball-Bund starteten im Jahr 2003 ein Fußballprojekt, das den Wiederaufbau des Fußballs nach 30 Jahren Verwüstung und des Blutvergießens, den Aufbau des Straßen- und Schulfußballs, die Trainerausbildung sowie auch die Rückkehr der Nationalmannschaften zum Ziel hatte.
Frauenfußball in einem Land, in dem das weibliche Geschlecht in den letzten Jahrzehnten in unmenschlicher Weise gedemütigt worden war? Eine mutige Entscheidung. Viele Jahre konnten sich Frauen nicht mehr auf die Strasse trauen. Vor allem in den Jahren der Taliban-Herrschaft bis 2001 waren berufliche Tätigkeiten oder ein Studium ausgeschlossen – und wer gegen diese Gesetze verstieß, wurde von den Taliban hart bestraft..
Der Fußball nahm einen schnellen Aufstieg. Schulfußball beispielsweise zählte 5 000 Zuschauer bei den Endspielen und auch der Straßenfußball – gespielt meistens in den Trümmern der verwüsteten Stadt Kabul – gab Kindern und Jugendlichen endlich wieder Lebensfreude und Hoffnung auf bessere Zeiten. Mädchen und junge Frauen aber blieben zunächst im Abseits.
Die Wende kam, als die damalige Präsidentin des afghanischen Frauen-Ministeriums die nach Afghanistan entsandten Fußball-Experten Holger Obermann und Ali Askar Lali, ein ehemaliger afghanischer Nationalspieler, bei einem Empfang in der Deutschen Botschaft animierte, auch den jungen Frauen – meistens Schülerinnen - eine Chance zu geben. Die beiden, inzwischen im Land sehr bekannten Trainer, willigten sofort ein. Doch der Anfang war beschwerlich.
Die Mädchen – ein knappes Dutzend kam zum ersten Training – mussten eine Erlaubnis der Eltern und der Lehrerin mitbringen, Trainingsanzüge und Kopftücher tragen, und durften vorerst nicht in der Öffentlichkeit spielen. Männlichen Zuschauern war es untersagt, den Spielen der jungen Frauen in einer ehemaligen Militärhalle der Taliban beizuwohnen. Und doch sprach es sich vor allem in Kabul schnell herum, welch große Chance hier den Mädchen gegeben wurde. Die FIFA unterstützte die Aktivitäten des deutschen Projektes mit Material und Geldspenden.
Als Holger Obermann nach der Tsunami-Katastrophe erneut in ein Krisenland abberufen und nun in Sri Lanka tätig wurde, schickten DOSB und der DFB mit dem bereits in verschiedenen asiatischen Ländern wie der Mongolei, Pakistan oder Kasachstan tätigen 54 Jahre alten Fußball-Lehrer Klaus Stärk nach Afghanistan. Mit Ali Askar Lali, der dem deutschen Projekt als Afghane viele Türen und Tore öffnete, widmete er sich vor allem der Fortsetzung der „Erfolgsstory“ Frauenfußball – und dies mit großem Engagement. Er bildete Trainerinnen aus und führte die erste Meisterschaft durch, an der auch 5 Provinzmannschaften teilnahmen. „In den letzten Monaten, als die Präsenz der Taliban wieder zugenommen hat“, erklärt Klaus Stark, „haben etliche Eltern ihren Töchtern nicht mehr erlaubt, Fußball zu spielen“. Doch vorerst will Stärk an der Arbeit mit dem Frauenfußball festhalten: „Auch wenn wir nicht übersehen dürfen, dass eventuell sogar über Nacht alles vorbei sein kann!“
Unter diesen, auf allen Mädchen und Frauen liegenden seelischen Belastungen, war es dennoch überwältigend, wie viele weibliche Teilnehmerinnen kamen, um unter Klaus Stärk an der Qualifikation für die Deutschland-Reise teilzunehmen. Für die meisten ist es die erste Reise nach Europa, der erste Abschied von den Eltern und Geschwistern, auch von Freunden.
Die gegnerischen Mannschaften bei dem in Ruit stattfindenden Trainingslager, sind Teams aus dem Großraum Stuttgart. Und da ist sich auch Klaus Stärk ganz sicher: „Das wird für die Mädchen ein Erlebnis sein, das sie nie wieder in ihrem Leben vergessen werden – was immer auch kommt.“