Anforderungen an künftige Trainer von Kaderathleten (1)

Renommierte Sportwissenschaftler haben fünf Schwerpunktthesen erarbeitet, die den aktuellen Zustand des Trainerwesens detailliert beschreiben und einen Ausblick wagen.

Fünf Schwerpunktthesen beschreiben den aktuellen Zustand des Trainerwesens. Foto: picture-alliance
Fünf Schwerpunktthesen beschreiben den aktuellen Zustand des Trainerwesens. Foto: picture-alliance

Im vorigen Dezember 2010 haben Experten auf dem Fachsymposium "Ich kann Trainer!" der H:G Hochschule für Gesundheit und Sport und der Trainerakademie des DOSB über den Stand des Trainerwesens im deutschen Spitzensport diskutiert. Dabei waren beispielsweise Trainer wie Ulli Wegner, Norbert Warnatzsch, Joachim Franke, Kim Raisner, der Direktor Leistungssport im DOSB, Ulf Tippelt, Fachvertreter der Trainerausbildung des DOSB sowie verschiedener Einrichtungen (Trainerakademie des DOSB, Hochschulen, Universitäten). Im Nachgang dessen hat nun die H:G die wichtigsten Themen der Tagung zusammengefasst und unter dem Motto "Berliner Thesen" dokumentiert.

Auf Grundlage der referierten Vorträge und geführten Diskussionen erarbeiteten renommierte Sportwissenschaftler fünf Schwerpunktthesen, die den aktuellen Zustand des Trainerwesens detailliert beschreiben und einen Ausblick wagen. Was ist wie zu gestalten, um Arbeitsbedingungen für Trainer zu optimieren und einen besseren Leistungsaufbau deutscher Kaderathleten zu ermöglichen?

Die "Berliner Thesen" werden in zwei Teilen dokumentiert, der zweite Teil erscheint in der nächsten Woche. Sie sollen als Anregung für die weitere Diskussion verstanden werden. Wer sich beteiligen möchte, kann dies per Mail an daniel.lange(at)my-campus-berlin.com tun.

Thesen

1. Die Trainerausbildungskonzepte sind im Wesentlichen wissenschaftlich orientiert, häufig fehlt die Zielstellung der eigentlichen Arbeit des Trainers – die unbedingte Erfolgs- und Athletenorientierung. Hierbei stehen Fragen der Umsetzung und primär Probleme der Trainingspraxis im Mittelpunkt. Praktische Probleme sind zum Beispiel die Fähigkeit, das Training zu organisieren, der Umgang mit Verletzungen des Athleten, mit Wettkampfangst, eine optimale Ernährung, das Motivieren in schwierigen Situationen, der Umgang mit unfairen Kommentaren in den Medien. Derartig komplexe Anforderungen werden nur in der Trainertätigkeit selbst erworben. Ein moderner Trainer benötigt zur Lösung seiner Probleme die Unterstützung von Wissenschaftlern, er muss jedoch keineswegs selbst Wissenschaftler sein.

  • Die Arbeit eines Trainers zeichnet sich in erster Linie durch eine Verknüpfung von sportlicher Ausbildung und pädagogischer Einflussnahme im Training und im Wettkampf aus. Dabei geht es vor allem um eine Optimierung der Dialoge zwischen Trainer und Athlet. Der Trainer trägt bei zur Entwicklung der Persönlichkeit seines Athleten sowie zur Sicherung dessen sozialer Position und hilft mit, dass bei Beendigung der Karriere der Übergang in das Berufsleben gelingt. Es besteht die Besonderheit, dass neben der sportlichen Leistungsentwicklung auch über die Zeit der Karriere hinaus eine weitere schulische und berufliche Tätigkeit des Athleten bedacht werden muss. Der Trainerberuf braucht klar definierte Aufgabenbeschreibungen, Kompetenz- und Anforderungsprofile, Ausbildungswege und Zugangsvoraussetzungen, um die Qualität dieser Arbeit und deren gesellschaftliche Anerkennung sicher zu stellen.
  • Das Berufsbild des Trainers ist nicht eindeutig festgelegt. In der Öffentlichkeit besteht ein breites Spektrum an Einschätzungen zum Bild des Trainers  Trainer scheint ein sehr· attraktiver Beruf zu sein, wenn man von den erfolgreichen Beispielen, wie Heiner Brand, Jogi Löw oder Uwe Müßiggang ausgeht. Obwohl im DOSB in 34 olympischen Spitzenverbänden und 28 nichtolympischen Spitzenverbänden Trainer ausgebildet werden, in der Trainerakademie des DOSB ein Abschluss als Diplom-Trainer erworben wird und an Universitäten und Hochschulen nach einem sportwissenschaftlichen Studium eine Tätigkeit als Trainer als Berufsfeld ausgewiesen ist, bleibt das Berufsbild unscharf. Für die Ausübung eines Berufes gibt es im Allgemeinen strenge Reglementierungen (z. B. Arzt, Jurist, Psychologe) und fest definierte Vorgaben für Art und Dauer der Ausbildung. Die Trainertätigkeit dagegen ist haupt- oder ehrenamtlich und hat lediglich Schnittmengen zu einem Beruf.

2. Innerhalb des Berufslebens eines Trainers bestehen eine Vielzahl von Aus-, Fort- und Weiterbildungsangeboten. Ein Profil künftiger Anforderungen und erforderlicher Kompetenzen ist zu erstellen.

  • Die Curricula der Sportverbände für die Ausbildung (Trainer C, B und A) sind von den Rahmenrichtlinien der Sportorganisationen abgeleitet. Diese stellen Anforderungen an Ausbildungsinhalte und Ausbildungsumfänge. Die Trainerlizenzen sind aber kein Berufsabschluss. Im Hauptamt tätige Trainer haben ein breites Angebot von Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, welches über die Spitzenverbände und die Trainerakademie des DOSB organisiert wird. Grundsätzlich ist Aus-, Fort- und Weiterbildung auch auf jeder Lizenzstufe verankert.
  • Ein Anforderungsprofil für Trainer im Spitzen- und Nachwuchsbereich, von dem Lehr- und Weiterbildungsinhalte abgeleitet werden, bleibt bislang noch unscharf. Offenbar erweitern Trainer ihr Wissen und ihre Kompetenzen vor allem durch ihre Tätigkeit selbst. Insbesondere im internationalen Bereich sind durch die dynamische Entwicklung des Leistungssports intensive Austauschprozesse feststellbar. Learning by doing ist die häufigste Lernform im lebenslangen Lernprozess eines Trainers. Lebenslanges Lernen ist für einen Trainer unabdingbar, im Vordergrund stehen insbesondere die Informationsbedürfnisse des Einzelnen.
  • Der Trainerberuf braucht strukturierte, modulare, akademische Ausbildungswege mit starker Praxisverzahnung und mit hoher Anschlussfähigkeit und Durchlässigkeit zwischen Ebenen und Ausbildungsmodulen.
  • Es ist erforderlich, auf die höheren Anforderungen und die gekennzeichneten Entwicklungen zu reagieren und Aus- und Weiterbildungssysteme im Sport zu evaluieren und auszugestalten. Dazu sind Bildungssegmente schärfer voneinander abzugrenzen bzw. besser miteinander zu verzahnen. Die aktuelle Entwicklung in der Bildungslandschaft, die zu einer vermehrten Entstehung neuer Studienzweige bzw. auch neuer Hochschulen mit starker Anwendungsorientierung und modernen Studiendesigns führt, ist aufmerksam zu verfolgen, zu forcieren und – nach Möglichkeit – mit zu gestalten. Die Möglichkeit eines Lifelong learning sollte als Mittel für Veränderungen und für Innovationen im Sport intensiver genutzt werden.
  • Es ist notwendig, dass insbesondere für die Trainertätigkeit im Nachwuchsleistungssport Studiengänge auf Bachelor- und Masterniveau an Universitäten und Fachhochschulen zu entwickeln sind, die eine Kombination des Trainerstudiums mit einem Lehramtsstudium, einem Erzieherstudium u.a. erlauben. Sowohl die Entwicklung der Schulen zu Ganztagsschulen als auch die zunehmende Verbreitung von „Eliteschulen des Sports“ (DOSB) erfordern den Berufseinsatz von hochqualifizierten „Lehrertrainern“ und „Erziehertrainern“.

3. Arbeitsverträge, Finanzierung der Stellen und berufliche Perspektiven von Trainern sind häufig mit vielfältigen Unsicherheiten behaftet. Trainer haben keinen eigenen Berufsverband.

  • Aus Analysen geht hervor, dass hauptamtlich tätige Trainer sehr ausdifferenzierte Handlungsfelder (Bundestrainer, Landestrainer, Blocktrainer, Stützpunkttrainer, Diagnosetrainer, Krafttrainer, Mentaltrainer …) und ganz unterschiedliche Anstellungsverhältnisse haben. Im Allgemeinen überwiegt eine Mischfinanzierung mit mehreren Trägern (Bund, Land, Stadt, Sportverband, private Träger). Fach- und Dienstaufsicht sind unterschiedlich geregelt, teilweise nicht getrennt. Die Laufzeit der Arbeitsverträge beträgt in der Mehrzahl der Fälle 1-2 Jahre. Insbesondere in der Übergangszeit von einem Vertrag zum nächsten treten Unsicherheiten auf. In Befragungen wird die wöchentliche Arbeitszeit mit 50-60 Stunden ausgewiesen. An den Wochenenden liegen häufig noch Wettkampfbetreuung sowie Kampf- und Schiedsrichtereinsätze. Das Bruttogehalt wird mit 3600 EUR angegeben und liegt bei Berücksichtigung des erheblichen zusätzlichen Zeitaufwands deutlich unter den vergleichbarer Berufsgruppen (Lehrer, Erzieher).
  • Trotz Unsicherheit und Kurzfristigkeit in den Anstellungsverhältnissen wird die Tätigkeit des Trainers als sehr interessant eingeschätzt. Die vielfältigen Anforderungen und der Leistungsvergleich durch die Wettkämpfe werden als Herausforderung angesehen. Der große zeitliche Aufwand wird jedoch nach längerer Berufstätigkeit als Trainer auch als besondere Belastung empfunden. Übergänge aus der physisch und psychisch belastenden Tätigkeit in andere Bereiche des Sports oder gar in andere gesellschaftliche Bereiche gelingen - auch wegen des oft fehlenden akademischen Abschlusses - meist nur in Einzelfällen. Es ist ein Defizit, dass· Trainer keinen eigenen Berufsverband haben. Die hier skizzenhaft aufgeführten Probleme gehören in die Hände eines solchen Verbandes. Dieses Manko können aber Trainer im Wesentlichen nur selbst beheben.

  • Fünf Schwerpunktthesen beschreiben den aktuellen Zustand des Trainerwesens. Foto: picture-alliance
    Fünf Schwerpunktthesen beschreiben den aktuellen Zustand des Trainerwesens. Foto: picture-alliance