Die "todesmutige" Sofie Krehl fiel völlig erschöpft und überglücklich ihren jubelnden Teamkolleginnen in die Arme, Bundestrainer Peter Schlickenrieder schluchzte noch eine Stunde nach dem "Riesending" hemmungslos vor Freude: Die deutschen Skilangläuferinnen haben in Peking ein silbernes Wintermärchen erlebt und nach Jahren quälender Erfolglosigkeit im olympischen Staffel-Krimi an große Zeiten angeknüpft.
"Das ist eine Sensation, ich habe eine Medaille nicht für realistisch gehalten", sagte der völlig fassungslose Schlickenrieder, nachdem sich seine Schlussläuferin Krehl "auf der letzten Rille und mit dem letzten Körnchen" vor den heranstürmenden Teams aus Schweden und Finnland ins Ziel gerettet hatte.
"Sofie hatte Todesangst, bevor sie losgelaufen ist", sagte Schlickenrieder, was die vermeintlich schwächste Läuferin im Team auch bestätigte: "Klar, es ging schließlich um eine Medaille, in so einer Situation war ich noch nie. Ich habe alles gegeben - lange hätte ich nicht mehr durchgehalten."
Katherine Sauerbrey, Katharina Hennig, Victoria Carl und schließlich Krehl wuchsen auf der brutalen Strecke in den kahlen Bergen von Zhangjiakou über sich hinaus, lagen bis in die Schlussphase des 4x5-km-Rennens gar in Führung und auf Goldkurs. Den Olympiasieg sicherte sich die Auswahl des Russischen Olympischen Komitees mit 18,2 Sekunden Vorsprung auf den deutschen Vierer, der sensationell alle drei nordischen Großmächte Schweden (+20,7), Finnland (+21,2) und Norwegen (+28,8) auf Distanz hielt.
"Es ist so schön, dass wir endlich einmal für die harte Arbeit belohnt worden sind", sagte Hennig, die wie schon bei ihrem fünften Platz im Einzel über 10 km erneut ihr Weltklasse-Niveau nachwies: "Wir sind in den vergangenen Jahren durch einige Täler gegangen." Gerade die verkorkste Heim-WM in Oberstdorf hatte an Schlickenrieder und seinem Team genagt: "Das hat damals sehr weh getan. Aber aus Niederlagen lernt man."
Es war die erste deutsche Langlauf-Medaille überhaupt bei einem Großereignis seit acht Jahren. Zu einem Langlauf-Wunder wie 2002 in Salt Lake City, als die Frauen-Staffel um Evi Sachenbacher-Stehle und Claudia Nystad in Salt Lake City zum Olympiasieg gestürmt war, reichte es nicht ganz.
Zuletzt hatte ein deutsches Quartett 2014 in Sotschi Bronze geholt, damals mit der Schlussläuferin Denise Herrmann, die nun in Peking als Biathletin Olympiasiegerin wurde. "Ich drücke voll die Daumen und schicke euch alle Energie rüber", grüßte Herrmann ihre Ex-Kolleginnen via ZDF aus dem benachbarten Biathlon-Stadion.
Energie besaß das deutsche Team reichlich. Olympia-Debütantin Sauerbrey übergab auf Platz zwei auf Hennig, die nach dem zweiten Klassik-Part führte. Auch Carl übergab als Erste an Krehl - die zwar die Russin ziehen lassen musste, die Medaille aber mit aller Macht verteidigte. "Es war ein riesiger Krimi", sagte Schlickenrieder, "aber mit Happy End."
(Quelle: SID)