Bessere Bedingungen für Familie, Beruf und Ehrenamt

Die Frauenvollversammlung des DOSB hat deutliche Verbesserungen von Rahmenbedingungen gefordert, damit Frauen und Männer Familie, Beruf und Ehrenamt in Einklang bringen können.

Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der 5. Frauenvollversammlung in Mainz. Foto: DOSB/Obernolte
Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der 5. Frauenvollversammlung in Mainz. Foto: DOSB/Obernolte

Die DOSB-Vizepräsidentin Frauen und Gleichstellung, Ilse Ridder-Melchers, erklärte im Anschluss an die 5. Frauen-Vollversammlung vom 1. bis 3. Oktober 2010 in Mainz vor rund 100 Delegierten, der Sport sei sich mittlerweile einig, die Fähigkeiten von Frauen stärker nutzen zu wollen. In der Praxis gebe es aber immer noch zu wenige Frauen in Führungspositionen und auch in der Mitgliederwerbung seien noch nicht alle Potentiale ausgeschöpft. „Die Vollversammlung hat die wesentlichen Punkte benannt: Wir brauchen für eine erfolgreiche Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt mehr Flexibilität, zum Beispiel bei der Kinderbetreuungs- oder Arbeitszeit. Unternehmen können hier soziale Kompetenz beweisen und selbst von den Erfahrungen profitieren, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Ehrenamt im Sport machen. Der Sport selbst kann seine Bewegungs- und Betreuungsangebote noch besser auf die Interessen von Frauen und Familien abstimmen. Und auch als Arbeitgeber ist der Sport gefragt, mehr für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu tun.“

Zuvor hatten die Delegierten die vielfältigen Maßnahmen im Rahmen der DOSB-Gleichstellungspolitk bilanziert: Mentoring, Führungstalente-Camps, gezielte Verbändeberatung um mehr Frauen an die Spitze zu bringen oder das Migrantinnen-Netzwerkprojekt „Bewegung und Gesundheit – mehr Migrantinnen in den Sport“. Im Ergebnis, so Ridder-Melchers, habe sich gezeigt, dass der Erfolg solcher Massnahmen vor allem von zwei Faktoren abhänge. Die Rahmenbedingungen müssten stimmen und die Verbände müssten die Ziele an ihrer Spitze vorleben. Ridder-Melchers verwies hierzu auf die erfolgreiche Top-Down-Strategie der Deutschen Telekom, die bereits ein halbes Jahr nach Einführung einer Frauenquote den Frauenanteil bei der Einstellung von Top-Nachwuchskräften von 33 % auf 52% gesteigert hatte. „Auch im Sport darf Quote kein Tabuthema mehr sein. Es muss geprüft werden, wo Quotierungen eine erfolgreiche Strategie sein können, um die Einstiegschancen für Frauen in Führungspositionen zu verbessern“, so Frau Ridder-Melchers.

Vesper: Frauen an Gestaltung beteiligen

Auf einem Empfang der rheinland-pfälzischen Landesregierung zum Auftakt der Vollversammlung am Freitag der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck für auf familienfreundliche Regelungen zur Kinderbetreuung in seinem Bundesland hingewiesen. Beck betonte die Bedeutung des Sports als Integrationsfaktor und forderte eine Anerkennungskultur für das Ehrenamt.

DOSB-Generaldirektor Michael Vesper appellierte an die Mitgliedsorganisationen im deutschen Sportdachverband, Gleichstellung und Integration noch mehr Bedeutung zuzumessen: „Ich hoffe und wünsche, dass viele andere Verbände diesen guten Beispielen folgen. Wir wollen und werden von Seiten des DOSB diesen Prozess weiter unterstützen und befördern. Denn erst wenn Frauen an der Gestaltung des sportlichen und des sportpolitischen Lebens und an der Zukunftsgestaltung gleichermaßen beteiligt sind, haben wir unser Satzungsziel „Gleichstellung“ tatsächlich erreicht.“ Wer sich hier engagiere, so Vesper, tue dies keineswegs nur im Interesse der Frauen, sondern im Interesse des gesamten deutschen Sports. Ein Sport, der auf das Wissen und die Fähigkeiten, auf den „input“ von Frauen setze, nutze ein immenses Potenzial an Kompetenzen und Führungseigenschaften.

DOSB-Gleichstellungspreis

Im Rahmen des Empfangs wurde der DOSB-Gleichstellungspreis 2010 verliehen: Er geht an die frühere kasachische Eiskunstlaufmeisterin Larissa Markus aus Potsdam, die in Brandenburg über das Skaten Frauen mit Migrationshintergrund zum Sport bringt und sich in bundesweiten Netzwerken für die Integration von Migrantinnen durch Sport einsetzt. Sie bringt seit Januar 2009 als Regionalkoordinatorin im Programm „Integration durch Sport“ ihre Erfahrungen ein.

Den Nachwuchspreis erhält die 18-jährige Ece Bas aus Mainz, die als erfolgreiche Hip-Hop-Tänzerin und Übungsleiterin in einem sozialen Brennpunkt gemeinsam mit Jugendlichen Lebensfreude und Leistungsbereitschaft lebt. Ece Bas ist im Programm „Integration durch Sport“ als freiwillig Engagierte aktiv.

Am Abend erhielt die DOSB-Frauenvollversammlung aus erster Hand Informationen zum Stand der Vorbereitungen der 2011 in Deutschland stattfindenden Frauen-Fußball-WM. Die Präsidentin des Organisationskomitees Steffi Jones überzeugte in einem souveränen und zugleich lässigen Vortrag auch Nicht-Fußballerinnen von der Chance, die die WM für den deutschen Sport und gerade für Mädchen und Frauen darstellt.

Ebenso positiv wurde am Morgen des Folgetages eine Präsentation von Steffi Klein, Sportdirektorin  der Bewerbungsgesellschaft München 2018, zum aktuellen Stand der Bewerbung um Olympische Winterspiele und Paralympische Spiele 2018 aufgenommen: Der nachhaltige und ressourcenschonende Grundansatz,  die Konzentration auf die Bedürfnisse der Athletinnen und Athleten und das Grundkonzept freundlicher Spiele traf auf breite Zustimmung bei den Delegierten.

Starke Frauen geben internationalem Sport ein Gesicht

Ilse Ridder-Melchers begrüsste ausdrücklich, dass mit Katarina Witt und Steffi Jones starke Frauen deutschen Initiativen im internationalen Sport ein Gesicht geben.

Input aus Politik und sportlicher Praxis kam am Samstag von den Teilnehmerinnen der Podiumsdiskussion zum Tagungsmotto  „Frauen im Sport – Managerinnen von Familie, Beruf und Ehrenamt“.

Prof. Maria Böhmer, Bundesvorsitzende der Frauenunion und Staatsministerin für Integration im Bundeskanzleramt, nannte die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssten: geregelte Kinderbetreuung, Ganztagsangebote mit flexiblem Zeitmanagement, Verzahnung von Schule und Verein. Böhmer plädierte für eine Quote in Gremien, da sonst überwiegend Männer die Standards und Prioritäten setzten. Elke Ferner, Bundesvorsitzende Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen und Stellvertretende Vorsitzende der SPD Bundestagsfraktion, stimmte zu und ergänzte den Forderungskatalog um mehr Flexibilisierungen in der Arbeitswelt. In der Diskussion angesprochene gesetzliche Regelungen zum Schutz des Ehrenamtes hielt Ferner jedoch  für unrealistisch. Auch Ferner empfahl Frauen Netzwerkarbeit und die Quote dort, wo sich sonst Strukturen nicht oder zu langsam veränderten. Ulrike Holzner, erfolgreiche Leichtathletin und Olympiazweite im Frauen-Zweierbob 2002, ergänzte die Diskussion um ganz konkrete Fallbeispiele, die aufzeigen, wo Rahmenbedingungen weiter verbessert werden müssen, um Frauen und Männern zu ermöglichen, Ehrenamt, Familie und Beruf erfolgreich zu gestalten. Im Anschluss daran erarbeiteten die Delegierten  Handlungsempfehlungen für eine bessere Vereinbarkeit.

Ridder-Melchers zur Wiederwahl vorgeschlagen

Der parlamentarische Teil der Frauenvollversammlung am Sonntag, 3. Oktober beschloss die 5. DOSB-Frauenvollversammlung. Für die Wahlen des DOSB-Präsidiums auf der DOSB-Mitgliederversammlung im Dezember hat die DOSB-Frauenvollversammlung Ilse Ridder-Melchers (206 von 206 Stimmen in geheimer Wahl) zur Wiederwahl vorgeschlagen.

Dem historischen Datum 20 Jahre Wiedervereinigung widmete die Vollversammlung ebenfalls besondere Aufmerksamkeit. Ein zu Beginn des parlamentarischen Teils vorgetragenes Gedicht der Vertreterinnen des LSB Thüringen traf die Stimmungslage der Delegierten und erhielt entsprechenden Beifall: „(…)Wir Sportfrauen sind dafür bekannt, dass wir sprechen eine Sprache in Stadt und Land. Die Republik sprach nur noch von Ost und West, doch für uns Sportfrauen stand sofort fest, wir teilen uns auf in Süd und Nord, und wollen so entwickeln den Frauensport (…).“


  • Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der 5. Frauenvollversammlung in Mainz. Foto: DOSB/Obernolte
    Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der 5. Frauenvollversammlung in Mainz. Foto: DOSB/Obernolte