Bildung ist mehr als Pisa

Ein Weckruf hallt durch die Bildungslandschaft: Deutsche Schüler*innen schnitten im PISA-Leistungsvergleich von 2022 so schlecht ab wie nie zuvor. Die alarmierenden Ergebnisse in den Bereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften, veröffentlicht am 5. Dezember 2023, werfen die berechtigte Frage auf, ob der aktuelle Fokus auf schulische Leistungen allein ausreicht, um die Bildung junger Menschen zu erfassen.

Die Turnhalle kann auch Bildungsort sein. Foto: DOSB
Die Turnhalle kann auch Bildungsort sein. Foto: DOSB

Die PISA-Studie, ein weltweiter Schulvergleichstest, legt ihren Fokus auf ausgewählte Bildungsbereiche. Aber Bildung ist mehr als nur das, was in Schulbüchern steht. Bildung ist die Erschließung der Welt über Bewegung, den Körper und die Sinne des Menschen und bedeutet neue Erkenntnisse und Fähigkeiten zu erlangen – über den Schulunterricht hinaus!

Bildung kann in und über Bewegung, Spiel und Sport stattfinden, wo junge Menschen entscheidende Kompetenzen erwerben, die sie fürs Leben und den Alltag stark und leistungsfähig machen. Bildung und Kompetenzerwerb können also auch in weiteren Settings, wie Sportvereinen, im Ehrenamt, in außerschulischen Jugend- und Sozialeinrichtungen stattfinden.

Mit einer ganzheitlicheren Perspektive auf die Bildung und Entwicklung junger Menschen, die außerschulische Orte inkludiert und der Berücksichtigung einer breiten Vielfalt an Bildungsansätzen und -zielen - wie sie zivilgesellschaftliche Akteur*innen, bspw. der Sportverein, bereits umsetzen - können die individuellen und dort erworbenen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen gehoben, die Gestaltung einer inklusiven, nachhaltigen und gerechten Gesellschaft noch viel stärker gefördert und der einseitige Blick von PISA erweitert werden.

Organisierte Sportaktivitäten, seien es informelles Sporttreiben, Vereinssport oder bewegungsorientierte Ganztagsschulen, bieten einen Raum für umfassende Bildung. Gesundheitsbildung, psychomotorische Entwicklung, Persönlichkeitsentwicklung, kulturelle Bildung und mehr - all das kann durch Bewegung und Spiel erreicht werden. Der Sportverein bietet Bildungspotenziale und -räume, die belegt wurden (1) und die es gilt, gesellschaftspolitisch stärker anzuerkennen und bspw. auch im Nationalen Bildungsbericht aufzunehmen. Die Kompetenzen, die im ehrenamtlichen Engagement oder durch den Teamsport erworben werden, sollten stärker von Politik, Gesellschaft und Forschung in den Blick und auch als Bildungselemente junger Menschen wahrgenommen werden. Bewegung hat bereits in der kindlichen Entwicklung eine hohe Bedeutung. Zunächst entwickelt ein Kind grundlegende motorische Funktionen wie Greifen und Sich-Fortbewegen. Später sollte die Bewegungsförderung von Kindern und Jugendlichen als Querschnittsaufgabe sämtlicher Institutionen frühkindlicher Bildung eine wichtige Rolle einnehmen, orientiert an den individuellen und sozialen Bedürfnissen. So können Bildungspotenziale vollumfänglich genutzt und gefördert werden (2).

Auch dem Ganztag als Bildungsort an Grundschulen sollte insgesamt mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Kürzlich hat die Kultusministerkonferenz (Oktober 2023) Empfehlungen zur Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität der Ganztagsschule und weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter verabschiedet, um Kindern erweiterte Lernchancen zu ermöglichen. Außerschulische Kooperationspartner*innen, wie Sportvereine, verantworten gemeinsam die Ganztagsangebote, die Kinder über das Aneignen von Kompetenzen bereichern, stärken und bilden – und dazu gehören eben auch Sportvereine, Bewegung, Spiel und Sport.

Bildung ist Bewegung, Spiel und Sport: Ein Aufruf zum Umdenken

Sport ist nicht nur die beliebteste Freizeitbeschäftigung für Kinder und Jugendliche, sondern fördert auch umfassende soziale, politische und kognitive Kompetenzen. Der Bildungstheoretiker Wolfgang Klafki betont Bewegung als einen "Möglichkeitsraum freiwilligen, selbstbestimmten menschlichen Handelns" (3), der eine wichtige Dimension der Bildung darstellt. Bildung ist also viel mehr als PISA. Es ist Zeit, unseren Blick zu erweitern und die Bildung junger Menschen als ganzheitlichen Prozess zu verstehen. #BildungIstMehrAlsPISA

*Die PISA-Studie ist der weltweit bedeutendste Schulvergleichstest, bei dem die Kompetenzen von 15-jährigen Jugendlichen in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften erfasst werden. Der Test dauert etwa zwei Stunden und besteht hauptsächlich aus Multiple-Choice-Fragen, die in der Regel am Computer beantwortet werden. In Deutschland wurden etwa 6.100 repräsentativ ausgewählte Schüler*innen an rund 260 Schulen aller Schularten getestet. Zusätzlich wurden die Jugendlichen zu ihren Lernbedingungen, Einstellungen und sozialen Hintergründen befragt. Schulleiter*innen, Lehrkräfte und Eltern gaben ebenfalls Auskunft zu Fragen bezüglich Unterrichtsgestaltung und -ressourcen sowie zur Rolle des Lernens in der Familie. Insgesamt nahmen weltweit etwa 690.000 Schüler*innen an der Studie teil.

(1) Bildungspotenziale der Kinder- und Jugendarbeit im Sport. Rahmenkonzept dsj-Forschungsverbund. Deutsche Sportjugend. 2013.

(2) Zimmer: Bildung durch Bewegung – motorische Entwicklungsförderung. Aus: Handbuch frühkindliche Bildungsforschung. Hrsg. v Stamm, Edelmann. Wiesbaden. Springer VS. 2013.

(3) Sport bildet: Bildungspotenziale der Kinder- und Jugendarbeit im Sport. Orientierungsrahmen Bildung der Deutschen Sportjugend. 2009. Frankfurt am Main.

(Quelle: dsj)


  • Die Turnhalle kann auch Bildungsort sein. Foto: DOSB
    Die Turnhalle kann auch Bildungsort sein. Foto: DOSB