Brexit und der Sport

Autor Folker Hellmund wirft einen ersten Blick auf die möglichen Auswirkungen des Brexit auf den europäischen Sport. Der Autor ist Leiter der Brüsseler EOC EU-Büros.

Der Brexit wird wohl die Bedingungen für den britischen Sport nicht grundlegend ändern. Foto: picture-alliance
Der Brexit wird wohl die Bedingungen für den britischen Sport nicht grundlegend ändern. Foto: picture-alliance

Die politische Katerstimmung nach dem Referendum in Großbritannien ist unübersehbar, wenngleich die politischen und wirtschaftlichen Folgen des Votums – insbesondere für Großbritannien selbst – gegenwärtig nur schwer abzuschätzen sind.

Während Populisten europaweit versuchen, weitere Referenden auf den Weg zu bringen, um die Europäische Union weiter in Wanken zu bringen, scheint die politische Klasse in Großbritannien nicht wirklich auf den sogenannten Brexit vorbereitet zu sein. Das überrascht insofern, als die Umfragen der letzten Wochen und Monate durchaus den Eindruck vermittelt hatten, dass der Brexit eine realistische Option darstellt.

Weder die Europäische Union, noch die britische Regierung vermitteln gegenwärtig den Eindruck, eine klare Strategie zu haben. Paradoxerweise drücken diejenigen, die den Austritt der EU vorangetrieben haben, gegenwärtig auf die Bremse, während die Spitzen der Europäischen Institutionen einen schnellen Brexit fordern, obwohl sie diesen verhindern wollten.

Klar ist, dass das Vereinigte Königreich bis zu einem Abschluss der Austrittsverhandlungen, die von der britischen Regierung noch nicht ausgelöst wurden, weiterhin vollwertiges Mitglied der EU ist. Vor diesem Hintergrund ist es gegenwärtig unmöglich vorauszusagen, ob, wann und unter welchen Bedingungen der Austritt der Europäischen Union vonstattengehen wird. Trotzdem sei ein erster, wenn auch etwas spekulativer, Blick auf die möglichen Auswirkungen auf den Sport in Europa erlaubt.

Zunächst einmal muss man feststellen, dass der Sport in Europa sich eher an den Mitgliedern des Europarats als an den Mitgliedern der EU orientiert. Das Europäische Olympische Komitee (EOC), das alle nationalen Olympischen Komitees Europas vereinigt, hat 50 Mitglieder. Alle europäischen Spitzenverbände haben mindestens die gleiche Anzahl von Mitgliedern, insofern hätte der Austritt Großbritanniens aus der EU keine Folgen für seine Mitgliedschaft und seinen möglichen Einfluss auf und in den Europäischen Sportverbänden.

Ein engerer Blick auf die Sportpolitik der Europäischen Union, die mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Dezember 2009 eine eigene Rechtsgrundlage im Artikel 165 TFEU erhalten hat, offenbart ein etwas differenzierteres Bild.

Im Rahmen des Erasmus+-Programms finanziert die EU bis 2020 mehr als 270 Millionen Euro in den Sport. Nach dem Austritt könnte Großbritannien nur dann hiervon profitieren, wenn eine entsprechende Sondervereinbarung mit der EU erzielt würde, die auch eigene Zahlungen an die EU beinhaltete. Nur dann könnten Antragsteller aus Großbritannien eigene Projekte einreichen und hätten dann einen vergleichbaren Status wie die Türkei oder Norwegen.

Vor dem Hintergrund, dass vom Erasmus+-Austauschprogramm vor allem junge Britinnen und Briten profitieren, die mit klarer Mehrheit für den Verbleib in der EU gestimmt hatten, wäre es sehr überraschend, wenn die britische Regierung nicht alles versuchte, weiterhin von den Segnungen des Erasmus+ Programms zu profitieren.

Bis Ende 2018 vertritt die britische Sportministerin Tracey Crouch die EU im Foundation Board der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) . Je nach Eintritt des Brexit müsste Frau Crouch diese Position vorzeitig verlassen, was dem Einfluss des britischen Sports sicherlich abträglich wäre.

Ein großes Fragezeichen betrifft die Frage, in welcher Form Großbritannien künftig vom Europäischen Binnenmarkt profitieren könnte. Für den Sport steht dabei die Arbeitnehmerfreizügigkeit im Fokus. Gerade diese war den EU-Gegnern ein Dorn im Auge. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Premier League und andere professionelle Ligen nicht in der Lage wären, entsprechende Sonderlösungen für Spitzensportler oder Trainer auszuhandeln. Dafür ist deren politische und wirtschaftliche Bedeutung einfach zu groß. Sportlich sind die Klubs ohnehin von europäischer „Blutzufuhr“ aus der EU angewiesen, was die jüngsten Ergebnisse bei der Fußball-Europameisterschaft nachdrücklich bewiesen haben. Ob britische Sportler oder Trainer im Gegenzug Zugang zu nationalen Arbeitsmärkten in der EU erhalten, wird dann im Einzelfall entschieden, sofern keine allgemeine Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbart wird, was eher unwahrscheinlich ist.

Die Anwendbarkeit der europäischen Wettbewerbspolitik durch den Brexit auf den britischen Sport würde sich folgendermaßen gestalten. Die großen Verfahren im Bereich des Kartellrechts gegen Microsoft oder Google haben in der Vergangenheit gezeigt, dass die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts sich nicht unbedingt daran orientiert, wo Unternehmen ihren Sitz haben, sondern ob der Wettbewerb im Binnenmarkt beeinträchtigt wird. Ob das europäische Beihilferecht Anwendung findet, hängt konkret von den Verhandlungsergebnissen ab. Sollte Großbritannien einen vergleichbaren Status wie die EFTA-Staaten anstreben, wäre das europäische Beihilferecht anwendbar, ansonsten nicht.

Die Vermarktung von Medienrechten ist eine wesentliche Einnahmequelle für den professionellen Sport in Europa. Unter dem Stichwort „Digitaler Binnenmarkt“ diskutiert die EU gegenwärtig u.a. Fragen des künftigen Copyrights. Englische Profiligen könnten nach dem Brexit die Medienrechte im eigenen Land ohne Vorgaben aus Brüssel vergeben – sofern diese aber in der EU vermarktet werden würden, müsste diese europäischen Bestimmungen folgen.

Die oben genannten Beispiele vermitteln ein erstes Bild, das sich natürlich an den weiteren Entwicklungen messen lassen muss. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass der Brexit die Bedingungen für den britischen Sport nicht grundsätzlich veränderten. Das gleiche lässt sich sagen für die jetzt absehbaren Folgen für den deutschen Sport.

(Autor: Folker Hellmund)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier als DOSB-Blog veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Der Brexit wird wohl die Bedingungen für den britischen Sport nicht grundlegend ändern. Foto: picture-alliance
    Der Brexit wird wohl die Bedingungen für den britischen Sport nicht grundlegend ändern. Foto: picture-alliance