Wo sind die Worte, um den Empfindungen Ausdruck zu verleihen, die durch die schrecklichen Bilder aus New York und Washington
ausgelöst wurden? So viel ist inzwischen geredet worden, doch so wenig scheint bisher erklärt. Ist es Trauer oder Sorge oder Wut - die Gefühlslage bleibt irgendwie diffus. Wenn sich das schier apokalyptische Ausmaß der Zerstörung auch allmählich realisieren lässt, die Tragweite der Katastrophe ist allenfalls zu erahnen. Nichts ist mehr so wie es war! Diese Einschätzung hat man vielfach gehört und gelesen. Doch demgegenüber hat auch die banalste jeder Erkenntnis Platz gegriffen: Das Leben geht weiter! Auch im Sport.
Dies muss – und sollte – freilich nicht bedeuten: "Business as usual!" Das coole geschäftsmäßige Schulterzucken eines Protagonisten der PS-Branche vor dem Rennen in Monza war ein peinlicher Ausrutscher. Auch die Formel 1 ist nicht zur Tagesordnung übergegangen. Ferrari zum Beispiel hat alle Werbeaufschriften von seinen Boliden entfernt und deren Nasen schwarz lackiert. Die üblichen Parties fanden nicht statt, und auch auf die traditionelle Champagnerdusche auf dem Treppchen wurde verzichtet. Nicht verzichtet wurde aber auf das Rennen selbst. Die Fahrer konnten sich nicht einmal auf eine etwas defensivere Fahrweise verständigen. Nach einer Schweigeminute röhrten wieder die Motoren. Wie sollte man der Toten und Verletzten gedenken, wenn man es gewohnt ist, gleichsam freiwillig Kopf und Kragen zu riskieren? Ein fataler Unfall auf dem Lausitzring führte den Widerspruch auf schrecklichste Weise vor Augen.
Eben dies ist das Dilemma des Sports und der Sportler. Ein Bundesliga-Fußballer hat es – wenn auch nicht gerade "politisch korrekt", aber um so offener und ehrlicher – auf den Punkt gebracht: Er habe es als "Heuchelei" empfunden, vor dem Anpfiff mit dem Gegner Händchen zu halten, nur um ihm nach demselben wie üblich in die Knochen zu treten. Ein anderer fragte, wie er gegebenenfalls den Verlust der Punkte rechtfertigen solle. Seien wir ehrlich: Der Reiz des Wett-Kampfes ergibt sich nicht zuletzt aus der Betonung der zweiten Silbe. Harte Bandagen, Biegen und Brechen. Auf Verluste wird nur bedingt Rücksicht genommen. Also: Wenn schon, denn schon! Ganz oder gar nicht! Viele plädierten für ein sport- bzw. wettkampffreies Wochenende, während andere gerade mit dem Verzicht auf Absagen ein Zeichen setzen wollten. So oder so: Eine bessere und friedlichere Welt bleibt – auch – für den Sport und die Sportler eine Vision und Herausforderung. Dazu wäre wahrlich viel zu sagen und zu schreiben, doch in der gegebenen Situation ist vielleicht auch einmal Schweigen geboten. So verneigen wir uns in stillem Gedenken vor den Opfern der Gewalt.
Andreas Höfer