„Das Qualitätssiegel Sport pro Gesundheit ist eine Erfolgsstory“

Auszüge der Rede des DOSB-Vizepräsidenten Walter Schneeloch beim Kongress MOVE 2010 „Sport für alle und Gesundheit – eine strategische Partnerschaft“ in Frankfurt.

DOSB-Vizepräsident Walter Schneeloch sprach beim Kongress über die Rolle des DOSB im Gesundheitssport. Foto: DOSB
DOSB-Vizepräsident Walter Schneeloch sprach beim Kongress über die Rolle des DOSB im Gesundheitssport. Foto: DOSB

„ (…) Der DOSB ist die nationale Dachorganisation für den Breitensport und zugleich Nationales Olympisches Komitee. Unter seinem Dach sind über 90.000 Vereinen mit mehr als 27 Millionen Mitgliedschaften versammelt. Damit ist der Sport die größte Freiwilligen-Organisationen in Deutschland. Sportvereine gibt es flächendeckend und überall, im kleinsten Dorf genau so wie in der Großstadt. Sie bieten im wahrsten Sinn des Wortes ‚Sport für Alle‘: Für Junge und Alte, für Frauen und Männer, Menschen aus allen sozialen Schichten, für Einheimische und Migrant/-innen. Durch das große Engagement von Freiwilligen – aktuelle Erhebungen gehen von über 8 Millionen aus – sind die Vereinsbeiträge auf sehr niedrigem Niveau und damit sozial verträglich.

Der Deutsche Turner-Bund ist mit knapp 5 Millionen Mitgliedern nach dem Fußball der zweitgrößte Sportverband unter dem Dach des DOSB und zweifelsfrei führend im Thema Gesundheit und Prävention. Daher freuen wir uns sehr, dass der DTB das Vertrauen, die Akzeptanz und auch die Anerkennung der Veranstalter ISCA, ESFAN und Cess besitzt, einen solchen Kongress auszurichten. Das zeigt seine Offenheit für Europa und seine Neugierde, immer wieder Neues zu verfahren und sich weiterzuentwickeln. Das Thema „Sport for All and Health: A Strategic Partnership“ ist beim DTB zweifellos in besten Händen. Der DTB war häufig Vorreiter für wichtige Entwicklungen im Breitensport und hat den Gesundheitssport in den letzten 20 Jahren nachhaltig geprägt.

Der DSB als eine Vorläuferorganisation des DOSB sah bereits bei seiner Gründung 1950 die Gesundheitsförderung der Bevölkerung als eine seiner zentralen Aufgaben an. In den ersten Jahrzehnten der jungen Bundesrepublik galt es jedoch erst einmal, ein entsprechendes Verständnis in Politik und Öffentlichkeit zu wecken. Zudem fehlte es in diesen Jahren an der erforderlichen Sportinfrastruktur. Mit der Realisierung des sogenannten Goldenen Plans, also der Errichtung von Sportstätten in Wohnortnähe, und der Etablierung des Zweiten Weges, mit dem Breiten- und Freizeitsport stärkere Beachtung geschenkt wurden, waren die strukturellen und mentalen Voraussetzungen für einen ‚Sport für alle‛ geschaffen.

Die 1970er- und 1980er-Jahre waren dann die Jahre der großen Kampagnen und Aktionen. Besonders die Trimm-Aktionen unter Slogans wie ‚Ein Schlauer trimmt die Ausdauer‛ oder ‚Laufen ohne Schnaufen‛ aktivierten Millionen Bundesbürger zum Sporttreiben, erzeugten ein neues Bewegungsbewusstsein und brachten den Turn- und Sportvereinen einen wahren Mitgliederboom. Mit der Kampagne ‚Trimming 130 – Bewegung ist die beste Medizin‛ wurde 1983 vom DSB erstmals explizit ein gesundheitssportlicher Akzent gesetzt.

Parallel begannen im organisierten Sport Überlegungen, wie sich gesundheitssportliche Angebote auch außerhalb der großen Aktionen im regulären Vereinsbetrieb nachhaltig und qualitativ sichern ließen. Eine Vorreiterrolle spielten hier der Deutsche Turner-Bund und die Landessportbünde. So entwickelte der DTB mit dem Deutschen Schwimmverband ab 1993 mit dem ‚Pluspunkt Gesundheit‛ und ‚Fit und Gesund im Wasser‛ erste Qualitätssiegel für Gesundheitsangebote in den Vereinen.

Im Dezember 1995 verabschiedete der DSB in Bonn schließlich seine ‚gesundheitspolitische Konzeption‛ – eine Art Grundsatz- und Verpflichtungserklärung zum Gesundheitssport. Hierin versprach der DSB, die Qualität der gesundheitsbezogenen Angebote und Ausbildungen zu sichern sowie die Sportvereine flächendeckend als qualifizierte Anbieter gesundheitsorientierter Programme zu entwickeln.

Die Verabschiedung von Richtlinien für die Übungsleiterlizenz ‚Sport in der Prävention‛ 1997 und eine wissenschaftliche Expertise aus dem Jahr 1998 zu den bereits existierenden Gesundheits-sportprogrammen in den Vereinen waren weitere wichtige Meilensteine für die Entwicklung des Qualitätssiegels, an dem DSB, Deutscher Turner-Bund, Bundesärztekammer und andere bereits fleißig bastelten.

Die erste Verleihung des Siegels SPORT PRO GESUNDHEIT an die FTG Frankfurt im Sommer 2000 war dann auch ein starkes Signal der Einigkeit des deutschen Sports: Der Deutsche Turner-Bund und der Deutsche Schwimm-Verband erkannten das neue Qualitätssiegel als gemeinsame Dachmarke für den Gesundheitssport an.

In seiner Festansprache formulierte der damalige DSB-Präsident Manfred von Richthofen seine Wünsche an den Gesundheitssport in Deutschland: „Flächendeckend, qualitätsgeprüft und zu einem vernünftigen Preis“ möge er sein. Zehn Jahre später sind ca. 18.000 Angebote in 8.000 Turn- und Sportvereinen mit dem Siegel SPORT PRO GESUNDHEIT zertifiziert.

Die Frage der strategischen Partnerschaften hat den deutschen Sport schon früh beschäftigt. Denn in Deutschland gehört es zur Aufgabe auch der staatlichen Krankenkassen, dass sie Gesundheitsförderung beitreiben. Und der Sport wollte natürlich dabei sein. Die ehrenamtlichen Übungsleiterinnen und Übungsleitern werden mit speziellen Ausbildungen für präventive Sportangebote qualifiziert. Über 35.000 Übungsleiterinnen und Übungsleiter besitzen zur Zeit eine entsprechende Lizenz. Diese hochwertige und nach einheitlichen Kriterien gestaltete Ausbildung hat die Krankenkassen überzeugt. Im Jahre 2001 haben sie daher das Siegel anerkennt und die Grundlagen geschaffen, dass die Krankenkassen die mit unserem Qualitätssiegel ausgezeich-neten Sportkurse auch finanziell unterstützen können. Teilnehmerinnen und Teilnehmer an SPORT PRO GESUNDHEIT-Kursen können sich somit einen Teil ihrer Gebühren von den Krankenkassen erstatten lassen.

Entsprechende Festlegungen hierzu sind in einem sogenannten „Leitfaden Prävention“ niedergelegt, auf den sich die gesetzlichen Krankenkassen verständigt haben. In diesem Jahr wurde der Leitfaden Prävention überarbeitet, wobei deutliche Verschlechterungen für die Sportorganisationen drohten. Mit gemeinsamen Kräften konnten wir erreichen, dass die geplanten Änderungen für das Handlungsfeld Bewegung wieder rückgängig gemacht. (…) Wir sind froh darüber, dass der (…) qualitätsgesicherte, flächendeckende und bezahlbare Gesundheitssport weiter von den Krankenkassen gefördert werden kann.

Trotz dieser „Erfolgsstory“ bleibt viel zu tun: Das Durchschnittsalter der Bevölkerung in Deutschland steigt stetig – diese demographische Entwicklung schlägt sich auch in den Turn- und Sportvereinen nieder: Allein zwischen 2000 und 2009 stieg Zahl der über 60Jährigen von 2,6 auf fast 3,7 Millionen. Das ist ein Plus von 42 Prozent. Dazu beigetragen haben auch die Programme des DSB ‚Richtig fit ab 50‛, ‚Bewegungsangebote 70 plus‛ und aktuell ‚Bewegungsnetzwerk 50 plus‛, bei dem durch die Zusammenarbeit mit externen Partnern neue Zielgruppen für den Sport der Älteren gewonnen werden sollen. Der DTB ist auch hier als aktiver Partner engagiert.

Trotz dieser Wachstumsraten sind die Älteren im organisierten deutschen Sport vergleichsweise unterrepräsentiert. Ihr Organisationsgrad, d. h. der Anteil aktiv Sport treibender Personen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, liegt bei den über 60-Jährigen Männern derzeit bei 25,7 Prozent und bei den Frauen bei 12,8 Prozent. Zum Vergleich: Bei den 27- bis 40-Jährigen sowie bei den 41- bis 60jährigen Männern sind es noch ca. 30 Prozent und ca. 20 Prozent bei den Frauen. Und bei den 7 bis 14-Jährigen haben wir sogar einen Organisationsgrad von 82 Prozent bei den Jungen bzw. 63 Prozent bei den Mädchen.

Daher setzen wir uns dafür ein, das Altersbild anzupassen. Ältere von heute sind selbstbewusst, allgemein gut gebildet, offen und flexibel. Die 70Jährigen von heute sind körperlich und geistig so fit, wie die 65Jährigen vor 30 Jahren waren. Es hat sich ein ‚Lebensalter der gewonnen Jahre‛ herausgebildet. Die Sportvereine müssen auf diese neue Generation der Älteren reagieren und bedürfnisgerechte Angebote machen. Dies gilt in besonderem Maße auch für Möglichkeiten des freiwilligen Engagements im Sportverein.

Hält man sich vor Augen, dass der Bevölkerungsanteil der über 80-Jährigen bis 2030 voraus-sichtlich um die Hälfte steigen wird und sich bis 2050 sogar deutlich mehr als verdoppeln wird, wird bereits heute deutlich, dass den Sportvereinen und –verbänden hier eine große Herausforderung bevorsteht. Das Gesundheitswesen alleine wird die Aufgaben (...) kaum lösen können. Bewegung und Sport bieten hier gute Möglichkeiten, die körperliche und geistige Leistungs-fähigkeit auch im höchsten Alter zu erhalten und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. (…)

Alles in allem bleibt es unser wichtigster Auftrag, sportlich aktive Menschen in unseren Vereinen zu binden und inaktive oder unentschlossene Menschen für unsere Vereine zu gewinnen. Der demographische Wandel und der hohe Organisationsgrad der Bevölkerung in den Sportvereinen veranlassen uns dazu, mehr und mehr das Prinzip „Sport for All“ differenziert und nachhaltig auszubauen: Vielfalt gestalten und damit die Erwartungen und Bedürfnisse zielgruppenspezifisch aufnehmen und die Schwelle für den Vereinseintritt passgenau senken – das sind die Aufgaben der Zukunft für den Sport in Deutschland. (...)


  • DOSB-Vizepräsident Walter Schneeloch sprach beim Kongress über die Rolle des DOSB im Gesundheitssport. Foto: DOSB
    DOSB-Vizepräsident Walter Schneeloch sprach beim Kongress über die Rolle des DOSB im Gesundheitssport. Foto: DOSB