Das Sportangebot für Behinderte muss populärer werden

 

Stefan Donner spielte mit Begeisterung Basketball, Fußball und Tischtennis, als er im Jahre 1983 als 23-Jähriger einen Sportunfall erlitt. Seitdem

ist der heute 41 Jahre alte Inhaber einer Werbeagentur querschnittsgelähmt und an den Rollstuhl gefesselt. In einer Spezialklinik in Bad Wildungen sah Stefan Donner im Zuge seiner Rehabilitation erstmals, wie Behinderte Rollstuhl-Basketball spielten. "Soweit musst du auch kommen, dass du das kannst", schwor er sich damals. Rollstuhl-Basketball wurde zum Lebensinhalt für Stefan Donner. Er ist mittlerweile erfolgreicher Trainer des RSV Lahn-Dill, einer gemischten Mannschaft aus Rollstuhlfahrern und "Fußgängern", die 1998 deutscher Meister werden konnte. Der Sport hat wesentlich dazu beigetragen, dass Stefan Donner sein Leben meistert. "Fast nichts mehr ist für Behinderte unmöglich", sagt er. "Ob Paragleiten, Surfen, Marathonrennen oder sogar Klettern, es gibt kaum noch Grenzen. Und die regelmäßig stattfindenden Fun-Festivals sind eine gute Plattform, um junge Leute für den Behindertensport zu gewinnen."

Diese Fun-Festivals sind Sport- und Spielfeste für behinderte und nichtbehinderte Menschen, die seit 1995 als eine Art Tournee in ganz Deutschland gemeinsam von der Interessengemeinschaften Behindertensport des Sozialverbandes VdK und der Handelskette Sport 2000 veranstaltet werden. Die 125. Integrationsveranstaltung dieser Art findet am Samstag, 25. August, in und um den Sport Palast im mittelhessischen Butzbach statt. Dazu werden 500 bis 800 Besucher erwartet, die einen Tag voller Spiel, Sport und Spaß erleben sollen. Integrationssport und Trends zum Mitmachen und Ausprobieren stehen auf dem Programm, darunter eine Streetbasketball-Demonstration mit Spitzenspielern des von Stefan Donner betreuten RSV Lahn-Dill, ein Workshop des Deutschen Rollstuhl-Tennis-Verbandes, eine Einweisung in das Rückschlagspiel Smash-it sowie Rollstuhltanz, das Passieren eines Geschicklichkeitsparcours mit Rollstühlen und die Aktivitäten an einer integrativen Kletterwand.

"Wenn wir an so einem Tag drei Kinder für den Behindertensport gewinnen, dann hat sich der Aufwand schon gelohnt," sagt Stefan Doller, der es als eine große gesellschaftliche Pflicht für die Politik, den VdK und die Sportvereine ansieht, junge Schwerstbehinderte zum Sport zu führen. Die Statistik lässt nämlich aufschrecken, denn nach den Worten des Sprechers der Fachgruppe IG Behindertensport im Sozialverband VdK Deutschland, Holger Kranz, sind nur drei Prozent aller behinderten Kinder und Jugendlichen im Behindertensport aktiv. Kranz, Ehemann der mehrfachen Goldmedaillengewinnerin im Fechten bei den Paralympics, Esther Weber-Kranz, führt dies nicht zuletzt auch auf die Gesundheitsreform zurück, nach der viele Schwerstverletzte nicht mehr in teuren Fachkliniken optimal behandelt werden können, sondern in Krankenhäuser eingeliefert werden, in denen die Begleitung durch Sport keine Rolle spielt. Dabei kann Sport die Genesung positiv beeinflussen. Hinzu kommt der Integrationsfaktor, denn: "Durch Spiel, Sport und Spaß können Barrieren zwischen Behinderten und Nichtbehinderten abgebaut werden", sagt Holger Kranz.

Für die Sport 2000 Fun-Festival-Tour stand ein integratives Spielfest im Frankfurter Rebstockbad Pate, dass im Jahre 1992 gemeinsam von der Interessengemeinschaft Behindertensport und der damaligen Sportdezernentin der Main-Metropole, Sylvia Schenk, veranstaltet wurde. Sport 2000, die deutsch-französische Verbundgruppe von Sportfachhändlern, die sich vor ihrer unternehmerischen Expansion bereits als "Fachsport" mit dem Thema Behindertensport befasste, verfolgte die Frankfurter Premiere und die folgenden Spielfeste, um für 1995 zusammen mit der Interessengemeinschaft Behindertensport und den Kommunen eine ganze Tour auf die Beine zu stellen. Knapp drei Millionen Gäste wurden seitdem bei der Fun-Festival-Tour gezählt, die in diesem Jahr nach Butzbach noch in Bad Königshofen (2. September), Bonn (15. September) und Augsburg (24. November) Station macht.

Butzbachs Bürgermeister Oswin Veith hat die Schirmherrschaft für das 125. Fun-Festival übernommen. Veith verwies auf den ältesten deutschen Turnplatz in seiner Stadt, den Schrenzer, und warb bei einer Pressekonferenz im altehrwürdigen Sitzungssaal des Rathauses, dem Gründungsort des Hessischen Turnverbandes, für den Behindertensport: "Nicht nur die gesunden Spitzensportler, sondern auch Menschen mit Handicaps sind sehr aktiv. Das muss in die Köpfe rein. Wir wollen in Butzbach sichtbar machen, was vielerorts so wunderbar im Verborgenen blüht."