Das Thema Inklusion geht alle an

10 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention: Autorin Katja Lüke zieht Bilanz für den Sport und stellt fest, es ist schon viel passiert, allerdings noch nicht genug.

Seit dem 26. März 2009 ist in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gültig. Foto: LSB NRW
Seit dem 26. März 2009 ist in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gültig. Foto: LSB NRW

Seit dem 26. März 2009 ist in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gültig. Ein Paradigmenwechsel wurde damit eingeleitet, von der Fürsorge zur Partizipation. Auch der Sport ist als ein wichtiges Element der Freizeitgestaltung in der UN-BRK im Artikel 30 mit dem Titel „Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport“ bedacht. Damit sollen Menschen mit Behinderungen ermutigt werden „so umfassend wie möglich an breitensportlichen Aktivitäten teilzunehmen“. Das schließt auch den Zugang zu Sportstätten und Sportaktivitäten ein.

Allerorts wird gerade gefragt: Was haben die letzten zehn Jahre seit Ratifizierung der UN-BRK gebracht? Was ist noch zu tun? Hier stellt sich auch die Frage: Was geht das die Sportvereine an? Um was soll sich der Sport noch alles kümmern?

Als Rollstuhlsportlerin und Referentin für Inklusion im und durch Sport bin ich besonders daran interessiert, dass Sportorganisationen gezielt die gleichberechtigte Teilhabe auch von Menschen mit Behinderungen ermöglichen. Ich wünsche mir, dass Sportvereine und -verbände wissen, wie sie in ihren Planungen und Entscheidung Inklusion mitdenken können, und dass sie dies nicht als belastende Aufgabe oder moralische Verpflichtung sehen, sondern offen bleiben oder werden für Inklusion. Ich wünsche mir auch, dass sie erkennen, wenn sie Menschen mit Behinderungen (meistens unabsichtlich) ausschließen und dann mutig handeln und dies ändern.

Der gemeinnützige Sport bietet so viel mehr als gemeinsamen Spaß an der Aktivität. Er ist auch ein großer Bildungsanbieter und ein Arbeitgeber. So werden im Sport auch die Artikel 24 Bildung und Artikel 27 Arbeit und Beschäftigung der UN-BRK immer mehr umgesetzt. Menschen mit Behinderungen arbeiten hauptamtlich im Sport, engagieren sich im Ehrenamt, nehmen an Ausbildungen zu Übungsleitern/innen und Trainern/innen teil. Dies ist ein wichtiger Schritt, allerdings noch mit einigen Barrieren.

Egal ob Leistungssport oder Breitensport: Sport schafft vielfältige Begegnungsmöglichkeiten. Sportler/innen mit und ohne Behinderung trainieren gemeinsam, im Leistungssport und im Breitensport, in Individualsportarten und in Mannschaftssportarten. Dies ist zwar noch nicht flächendeckend überall inklusiv und in ähnlicher Qualität geregelt, doch gibt es für alles – und nicht nur vereinzelt – Beispiele, die vom Willen, Sport für Alle anzubieten, zeugen. Die stetig wachsende Zahl der inklusiven Angebote zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind.

Im Leistungssport zum Beispiel besteht seit den Paralympics in Sotschi 2014 die Angleichung der Medaillenprämien für Athletinnen und Athleten (bei Platz eins bis drei) bei den Olympischen und Paralympischen Spielen. In den Jahren zuvor war die Prämie der paralympischen Siegerinnen und Sieger deutlich geringer.

„Die Angleichung der Prämien ist ein Signal für die gesellschaftliche Gleichbehandlung. Der Sport setzt hier ein wichtiges Zeichen für alle gesellschaftlichen Bereiche“, sagt Verena Bentele, mehrmalige Paralympics-Siegerin und heute Präsidentin des Sozialverbandes VDK Deutschland. Dieses Symbol kann und soll weit über den Sport hinaus wirken.

„Einfach machen!“, ruft Vizepräsidentin Gudrun Doll-Tepper Inklusionswilligen stets zu. Darin liegt viel Wahres, und es passiert vielerorts auch so. Doch oft braucht es mehr als nur den Willen und die vermeintlich richtige Haltung.

Im Vergleich zu nichtbehinderten Menschen jeder Altersgruppe ist die Teilhabe an sportlichen Aktivitäten von Menschen mit Behinderungen erwiesenermaßen wesentlich geringer als die der nichtbehinderten Menschen (Teilhabebericht der Bundesregierung 2016); dies gilt sowohl für  Aktive wie auch für Zuschauende. Vieles scheitert an der zumeist fehlenden Barrierefreiheit.

Als Referentin für Inklusion höre ich immer wieder: Man muss doch vor allem erst einmal die Barrieren in den Köpfen einreißen. Aber muss man deswegen mit konkreten Schritten zum Abbau bestehender und bekannter Barrieren warten?!

Um nicht nur an den Barrieren im Kopf zu arbeiten, braucht der gemeinnützige Sport Unterstützung und substanzielle finanzielle Förderung zur weiteren Umsetzung der UN-BRK.

Die UN-BRK schafft keine Sonderrechte für Menschen mit Behinderungen. Sie konkretisiert die Menschenrechte besonders für die Gruppe der Menschen mit Behinderungen. Es ist ein Menschenrecht, selbstverständlich gleichberechtigten Zugang zum gesellschaftlichen Leben zu haben. Unabhängig von der Behinderung, unabhängig von Stadt oder Land, unabhängig ob im Verein, Konzert oder im öffentlichen Personennahverkehr. Alle Verantwortlichen, ob im oder außerhalb des Sports, sind gefordert, weiter an der Umsetzung der UN-BRK zu arbeiten.

Inklusion ist kein Almosen, kein Geschenk, keine Fürsorge. Inklusion bedeutet Menschen mit Behinderungen in Planungen und Aktionen immer gleichberechtigt mit einzubeziehen. Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung hat das Motto ausgegeben: Inklusion braucht Demokratie. Stimmt. Ich sage: Inklusion braucht Partizipation! Das Thema Inklusion geht alle an.

(Autorin: Katja Lüke ist Referentin für Inklusion im DOSB)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Seit dem 26. März 2009 ist in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gültig. Foto: LSB NRW
    Zwei Sportrollstühle in der Halle