"Den Sport für die friedliche Entwicklung in aller Welt einsetzen"

Der Sonderberater der Vereinten Nationen für Sport und Entwicklung Willi Lemke berichtet Interview über seine Aufgaben und Ziele im neuen Amt.

Willi Lemke ist neuer UN-Sonderberater für Sport und Entwicklung. Copyright: picture-alliance
Willi Lemke ist neuer UN-Sonderberater für Sport und Entwicklung. Copyright: picture-alliance

DOSB PRESSE: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Position als Sonderberater für Sport und Entwicklung bei den Vereinten Nationen. Was macht eigentlich ein Sonderberater? 

LEMKE: Er stellt seine sportlichen und politischen Erfahrungen in den Dienst der Vereinten Nationen und hilft dem Generalsekretär, den Sport für die friedliche Entwicklung in aller Welt einzusetzen. Konkret: Er vertritt nicht nur den Generalsekretär bei internationalen Sportveranstaltungen, sondern initiiert selbst einschlägige Konferenzen, Kongresse, aber auch sportliche Veranstaltungen - beispielsweise mit Jugendlichen aus Konfliktregionen der Welt . Er berät den Generalsekretär und die Gremien in aktuellen sport- und erziehungspolitischen Fragen. Und er hat als Anwalt des Sports zu vermitteln zwischen Nationen, Nichtregierungsorganisation und internationalen Verbänden. 

DOSB PRESSE: Und das ist wirklich spannender als Senator für Inneres und Sport, den Posten, den Sie jetzt aufgeben werden? Was reizt Sie daran?

LEMKE: Ob die Aufgabe spannender ist, kann ich noch nicht sagen,
aber sie ist auf jeden Fall ehrenhaft und reizvoll, weil sie mich mit Menschen aus aller Welt zusammen bringen wird. Meine Aufgabe wird es sein, mit den Mitteln des Sports Gesundheit, Erziehung und friedliche Entwicklung in der Welt zu fördern. Für jemanden, der wie ich in Sport und Politik tätig war, eine sehr befriedigende Aufgabe, in der ich meine jahrzehntelangen Erfahrungen einbringen kann. 

DOSB PRESSE: Welche Ziele haben Sie für Ihre neue Tätigkeit? Welche Vorstellungen möchten Sie einbringen? Was glauben Sie, mit dem Thema Sport in der Weltpolitik bewegen zu können? 

LEMKE: Über den Sport lässt sich viel bewegen, weil er so viele Menschen bewegt. Es wird meine Aufgabe sein, das völkerverbindende Element des Sports für Aktivitäten gegen Rassismus und Gewalt in aller Welt einzusetzen. Dabei möchte ich die positiven Ansätze und Signale aus den verschiedenen Ländern aufnehmen, verstärken und übertragen. Der Sport bietet bereits ein weltumspannendes Netzwerk, das es zu nutzen gilt für eine friedliche Entwicklung der Menschheit. Ich sehe es aber auch als meine Aufgabe, Probleme und Fehlentwicklungen des Sports wie etwa das Doping oder den Wettbetrug zu bekämpfen und zu beheben.  

DOSB PRESSE: Aktueller Schwerpunkt wird sicher auch die China-Tibet-Problematik sein. Welches Vorgehen in dieser Problematik stellen Sie sich vor? 

LEMKE: Bitte haben Sie Verständnis, dass ich darüber zunächst mit dem UNO-Generalsekretär sprechen möchte, den ich am 7. April in New
York treffen werde. 

DOSB PRESSE: Kontrovers diskutiert wird in den vergangenen Tagen das Thema Olympiaboykott. Wie stehen Sie zu dazu? 

LEMKE: Da ich mein Amt noch nicht angetreten habe, kann ich Ihnen nur als Willi Lemke antworten. Ich habe große Zweifel, ob ein Boykott etwas bewirken kann. Jedenfalls zeigen das die Erfahrungen der Vergangenheit. Der Boykott von Moskau oder Los Angeles hat nichts bewirkt, aber die Sportlerinnen und Sportler um die Früchte ihrer langjährigen Trainingsarbeit gebracht. Aber es wäre auch falsch, eine solche Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt völlig auszuschließen.  

DOSB PRESSE: Wie intensiv gedenken Sie sich z.B. mit den DOSB-Verantwortlichen diesbezüglich auszutauschen? Oder haben bereits die Drähte zu Präsident Dr. Thomas Bach geglüht? 

LEMKE: Natürlich werde ich den Austausch mit der DOSB-Spitze, insbesondere mit dem Präsidenten Dr. Thomas Bach, suchen. Aber als UN- Beauftragter habe ich auch mit anderen nationalen Verbänden zu sprechen und insbesondere mit dem IOC. 

DOSB PRESSE: Es war zu lesen, dass Ihr neuer Job ein Ehrenamt ist. Wird damit nicht auch indirekt dokumentiert, dass den Vereinten Nationen der Sport nicht viel wert ist? Ist dieser Posten in Wahrheit nur ein Feigenblatt? 

LEMKE: Sie wissen, dass die UN stets von Geldsorgen geplagt sind. Deshalb finde ich es gut, dass sie sich trotz der Finanznot dieser Aufgabe annehmen. Das zeigt doch, dass man den Sport in unserer Gesellschaft auf jeden Fall für wichtig erachtet. Und wenn die Arbeit dann von jemandem übernommen wird, der dies nicht des Geldes, sondern der Sache wegen übernimmt, kann das aus meiner Sicht nur gut sein.  

DOSB PRESSE: Sie geben für ein Ehrenamt den gut bezahlten Senatoren-Posten ab. Sehr ungewöhnlich. Spielt Geld für Sie keine Rolle mehr? 

LEMKE: Geld hat für mich immer eine Rolle gespielt, aber man darf nicht alles vom Geld abhängig machen. Ich bin durch meine Senatoren-Pension versorgt. In meinen bisherigen Positionen habe ich immer wieder für das Ehrenamt geworben, da liegt es doch nahe, dass ich mich auch selbst  für ein solches Amt zur Verfügung stelle. 

DOSB PRESSE: Und was passiert mit Ihrem Bürgerschafts-Mandat sowie Ihrer Funktion als  Aufsichtsratsvorsitzender von Werder Bremen? Kann man das wirklich so nebenbei erledigen? 

LEMKE: Die Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender wird sicher kein Problem werden. Ob das Bürgerschaftsmandat mit meinen künftigen Aufgaben kollidiert, muss man abwarten. Zunächst gehe ich aber davon aus, dass beides vereinbar ist.  

DOSB PRESSE: Werden Sie Ihren Lebensmittelpunkt von Bremen nach New York verlegen? Oder wie müssen wir uns das organisatorisch vorstellen?  

LEMKE: Bremen wird mein Lebensmittelpunkt bleiben. Aber ich werde natürlich viel unterwegs sein, um an internationalen sportlichen Veranstaltungen, an Kongressen und Konferenzen teilzunehmen. Neben dem kleinen Büro in New York gibt es ein Hauptbüro in Genf. Mit beiden werde ich aber in erster Linie über elektronische Medien kommunizieren.


  • Willi Lemke ist neuer UN-Sonderberater für Sport und Entwicklung. Copyright: picture-alliance
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