Der Bundes-Lockdown – Zeugnis einer vielfachen Krise

Die Chancen des Sports werden trotz wachsender Folgeschäden für die Gesellschaft immer noch nicht anerkannt, sagt Autor Christian Sachs.

Sport im Verein bleibt auch im Bundes-Lockdown weitestgehend untersagt. Foto: picture-alliance
Sport im Verein bleibt auch im Bundes-Lockdown weitestgehend untersagt. Foto: picture-alliance

Nun ist er also da, der Bundes-Lockdown. Man könnte ihn aber auch als Bundes-Notbremse, als Brücken-Lockdown oder als Ruhe zwischen Ostern und Pfingsten bezeichnen. Das kommt allein auf den Blickwinkel des Betrachters an. Er ist also so eine Art Multifunktions-Lockdown und da fängt schon eines seiner Grundprobleme an. Mit dem Bundes-Lockdown ist in der vergangenen Woche in höchstem Tempo ein Gesetz durch den Bundestag und den Bundesrat gepeitscht worden, von dem niemand von Anfang an so richtig überzeugt war und ist. Den Protagonist*innen der Bundesregierung - die Kanzlerin an der Spitze – sind die Regeln zu lasch. Die meisten Länderchef*innen ballen die Fäuste in der Tasche - da sie eben nicht an die besseren Management-Fähigkeiten des Bundes in der Pandemie glauben, und stimmten dennoch zu. Und große Teile der Bevölkerung haben sich nach über 13 Monaten inzwischen ohnehin ihren eigenen Umgang mit der Krise organisiert.

Viele Menschen halten Abstand, lassen sich regelmäßig testen und reduzieren maximal ihre beruflichen und privaten Kontakte. Sie machen sich Sorgen, haben große Empathie für die belastende Situation in den Intensivstationen und sprechen sich für strengere Regeln aus. Andere ignorieren und unterlaufen die Regeln wo immer sie können, weil sie keine eigene Betroffenheit erkennen. Und inzwischen wächst der Teil der Bevölkerung, der über einen Impfschutz verfügt und schnell zurück in eine neue Normalität möchte. Dementsprechend bröckelt im Gegensatz zum ersten Pandemiejahr der gesellschaftliche Zusammenhalt von Woche zu Woche mehr.

Entlarvend ist, dass man sich in den gestrigen Bund-Länder-Gesprächen vor allem mit dem Thema Impfen und den Perspektiven durch die nationale Impfkampagne befasst hat. Die Verantwortungsträger*innen in Bund und Ländern sprechen drei Tage nach dem Inkrafttreten des umstrittenen Bundes-Lockdowns lautstark über Öffnungsperspektiven und Grundrechte der Zukunft, quasi um den Chor der Frustrierten in Politik und Gesellschaft zu übertönen. Oder sollte die Juni-Perspektive sogar eine Botschaft an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gewesen sein, um den Bestand der Bundes-Notbremse zu sichern?

Auch im Sport wächst der Frust und vielfach liegen die Nerven blank. Nach über 13 Monaten Krise erkennen die Entscheidungsträger*innen in Bund und Ländern die Chancen des Sports, z.B. mit Freiluftaktivitäten zu starten, trotz wachsender Folgeschäden für die Gesellschaft immer noch nicht an. Auf einmal spielen die Hinweise der Wissenschaft – Aerosolforscher haben belegt, dass bei Freiluftaktivitäten praktisch kein Infektionsrisiko besteht – keine Rolle mehr. Das ist bitter und für SPORTDEUTSCHLAND ein neuerlicher Tiefschlag. Wenn wir aber aus Frust über die massive politische Krise unseres Landes nun damit anfangen öffentlich im Sport nach Schuldigen für die Lage zu suchen, dann nimmt das nur Druck von der Politik. Auch das ist ein Zeugnis der vielfachen Krise.

(Autor: Christian Sachs)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Sport im Verein bleibt auch im Bundes-Lockdown weitestgehend untersagt. Foto: picture-alliance
    Schild mit der Aufschrift "Sportplatz gesperrt" steht auf einer Sportanlage Foto: picture-alliance