Der doppelte Ruck

 

Kaum oder gar nicht wahrgenommen durchzieht ein doppelter Ruck die deutsche Sportlandschaft.

Der oft zitierte, aber selten wirksame Aufruf des Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog beeinflusst den Sport auf zwei Ebenen. Zum einen haben Landessportbünde durch eindeutige Argumente und ohne larmoyantes Jammern ihre Landesregierungen und die Politiker überzeugt, die vom Sparzwang drastisch reduzierten Sportförderungsmittel auf ein vertretbares Maß anzuheben. Zum andern verstärkt sich die Welle des bürgerschaftlichen Engagements vieler Turn- und Sportvereine, die als selbstverantwortliche Träger Schwimmhallen und –bäder sowie Sportanlagen übernehmen und damit den geregelten Übungs- und Wettkampfbetrieb sichern.

 

Es überraschte schon, dass Politiker die Warnrufe des organisierten Sports vor kontraproduktivem Totsparen nicht nur zur Kenntnis nahmen, sondern in ihren Statements vor laufenden Kameras der Förderung des Vereins- und Breitensports unmissverständliche Prioritäten zusprachen. Mehr noch: diese Festlegungen bewirkten fast Wunder. Nordrhein-Westfalen erhöhte den erheblich gesenkten Ansatz und schuf neue Verteilungswege. Diese verlangen allerdings den Sportvereinen ein hohes Maß an Politikfähigkeit und Einflussnahme in den Kommunen ab. Denn es geht um den gerechten Ausgleich der bereitgestellten Gelder, die nicht klammheimlich als Notgroschen in der Gemeindekasse versickern dürfen. Bayern und Baden-Württemberg korrigierten geringfügig die unter das Minimum abgeschmolzenen Ansätze im Landesetat.

 

Seit der Gründung freiwilliger Feuerwehren in den Turnvereinen in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts und der Integration der Vertriebenen nach 1945 hat es keine solch tiefgreifenden Anstrengungen durch Übernahme öffentlicher Aufgaben durch den Sport gegeben als bei der jetzigen Welle der Trägerschaften von Sporteinrichtungen. Trotz oder wegen drastisch gekürzter Zuschüsse hat der Sport seinem Auftrag „soziale Verantwortung“ einen ganz konkreten Inhalt gegeben und durch Eigenengagement die Kommunen entlastet, die mehr und mehr Benutzungsgebühren selbst für Anlagen als Sanierungsfälle abverlangen. Dieser gar nicht selbstverständliche Ruck, der sich auch im kulturellen Bereich vollzieht, findet höchstens auf lokaler Ebene ein kurzfristiges Echo. Und schon besteht die Gefahr, dass diese Gemeinschaftsleistung als Dauerentlastung hingenommen wird. Falls sich diese „Abzocke“ zu verfestigen droht, muss der Sport den Politikern notfalls den Marsch blasen.