Der Frauenfußball hat in Afghanistan viele Fürsprecher

Bericht von Holger Obermann und Ali Askar Lali

Foto: Frauenfußball in Afghanistan
Foto: Frauenfußball in Afghanistan

NOK-Projekt startete offizielle Maßnahme für den Mädchen und Frauenfußball- Bericht von Holger Obermann und Ali Askar Lali

Was soll das, Mädchen- und Frauenfußball in Afghanistan? Die Frage wurde in Deutschland oft gestellt, nachdem wir vor zwei Monaten erste Maßnahmen einleiteten, um auch dem weiblichem Geschlecht in diesem von Krieg und Zerstörung heimgesuchten Land den Zugang zum Fußballsport zu ermöglichen.

 

Die Gegenfrage sei erlaubt: warum eigentlich nicht ? Gerade in einem Land wie Afghanistan, in dem in menschenverachtenden Form die freie Entfaltung der Frauen auf praktisch allen gesellschaftlichen Ebenen eingeschränkt wurde bis hin zur völligen Diffamierung könnte der Sport dazu beitragen, eine Brücke zur Erlangung von Selbstwertgefühl und neuer Lebensorientierung herzustellen. Und weil nach Ende des Taliban-Regimes, in dem die Frauen in Afghanistan ihre bisher wohl tiefste Demütigung erfuhren, die Initiative zur sportlichen Betätigungen der Mädchen und Frauen direkt vom Frauen-Ministerium ausging, war es eine logische Folge, dass wir unsere Hilfe in der Frage der Förderung des Fußballs zunächst an den Schulen und Colleges anboten.

 

Kaum hatten wir unsere Expertise zu Papier gebracht, kam auch schon die Reaktion. Frauen-Ministerin Sarabi erwiderte in einem Gespräch: "Sie sprechen etwas an, was uns schon seit Monaten bewegt, eine Integration der Frauen in den Sport, in ihrem Falle den Fußball. Wir haben bisher gute Erfahrungen mit den Angeboten für Sportarten wie Volleyball, Handball oder Basketball gemacht und möchten - zunächst in kleinem Rahmen - gern auf ihr Angebot zurückkommen, uns beim Aufbau dieser bei der männlichen Jugend beliebtesten Sportart Fußball behilflich zu sein!"

 

Die Ministerin führte weiter aus, dass bei Mädchen und Frauen jetzt ein großes Bedürfnis bestehe, um sich wieder frei bewegen zu können, wenn auch noch nicht in allen Provinzen des Landes.

 

Bei unseren Recherchen, stießen wir auf eine interessante Feststellung, die umso mehr eine Befürwortung des Anliegens im Auftrag des NOK für Deutschland und des Deutschen Fußball-Bundes im Namen der Bundesregierung Deutschland unterstreicht: Neben den bereits erwähnten Ballsportarten haben sich vor allem bei jungen Mädchen nach Ende des Taliban-Regimes die asiatischen Kampfsportarten wie Taek Won-do, Karate oder Judo durchgesetzt, dafür wurde sogar ein Trainer aus Norwegen verpflichtet. Und es überrascht, dass bei den Asienspielen in Korea vor eineinhalb Jahren eine junge Frau aus Afghanistan die Bronzemedaille im Taek Won-do gewann, ein Ereignis, das in Afghanistan tagelang gefeiert wurde. Seitdem ist die Popularität der Kampfsportarten bei den Frauen rapide angestiegen und am ehesten damit zu erklären, dass ihnen bisher dieser kämpferische Einsatz und das Durchsetzungsvermögen in der Gesellschaft nicht möglich waren.

 

Kann es vor diesem Hintergrund noch verwundern, dass der Fußball, mit ähnlichen Kriterien ausgestattet, eine gute Chance hat, Anhängerinnen zu finden ? Und: Fußball könnte für die Mädchen und Frauen in Afghanistan auch eine bessere Existenzmöglichkeit darstellen So reisen die Jugend-Nationalmannschaften Afghanistans in Kürze zu Spielen der Weltmeisterschafts-Qualifikation nach Indien und in den Iran. Die Schüler-Nationalmannschaft flog auf Einladung der Norwegischen Regierung zu einem Fußballturnier nach Oslo, und in diesen Tagen besuchen drei afghanische Trainer Deutschland, um an einer Trainermaßnahme des DFB und des Auswärtigen Amtes teilzunehmen. Die FIFA unterstützt den Fußball in den Entwicklungsländern seit langem, fordert andererseits dafür auch die Teilnahme an internationalen Wettbewerben. An solche Dimensionen ist im Frauenfußball natürlich vorerst nicht zu denken, aber immerhin gibt es Möglichkeiten, bei besonders herausragenden Leistungen einen etwas höheren Lebensstandard zu erreichen - und wenn es nur eine bessere Ernährung ist.

 

Unser Pilotprojekt an der Zarghuna-High School in Kabul hat aufstrebende Tendenz: 16 Mädchen kamen zum ersten Training, doch die zur Verfügung gestellten 30 Paar Trainingsanzüge und Fußballschuhe reichen inzwischen schon längst nicht mehr aus, um die neu hinzu kommenden Mädchen auszurüsten. Doch zugegebener Weise: Barrieren gibt es nach wie vor. Die Mehrzahl der Eltern befürwortet einerseits das Interesse ihrer Töchter, Fußball zu spielen. Doch sie wollen andererseits auf keinen Fall, dass in der Öffentlichkeit gespielt wird - zumindest in der Anfangsphase. Die Ängste der Vergangenheit sind allgegenwärtig, und - "abartige" Versuche von Spähern, den Mädchen beim Spielen näher zu kommen, hat es bis jetzt immer wieder gegeben, übrigens bei allen anderen Sportarten auch.

 

Gespielt wird daher auch im Fußball in Trainingsanzügen und mit Kopfbedeckung - und in Hallen oder auf abgelegenen Plätzen unter Aufsicht. Doch der Begeisterung tut all dieses keinen Abbruch. Wenn es sich einmal herumgesprochen hat, wo die Mädchen Fußball spielen können, wird die Zahl weiter steigen. Die Ministerin wäre zunächst zufrieden, wenn in der Hauptstadt an drei bis vier zentralen Plätzen das Projekt fortgesetzt werden könnte, unter Regie des Ministeriums, der Schulen und auch der Universität von Kabul. Angetan von der bisherigen Entwicklung ist die Sportlehrerin Maliha, die unser Projekt begleitet: "Uns geht es keinesfalls um Leistungskriterien, unsere Mädchen wollen vor allem Spaß haben und sich so richtig austoben, das ist das allerwichtigste!" sagte sie uns.

 

In der Tat ist es eine Freude, dem Treiben zuzuschauen, die Mädchen beim Dribbeln, Passen oder Schiessen zu beobachten. Und bei den ersten Gesprächen mit den Schülerinnen wird uns schnell klar, dass sie auch in der Zukunft Fußball spielen wollen, dann vielleicht sogar gegen eine andere Schule. Doch wir wissen auch: viele Vorurteile werden nach wie vor nicht auszuräumen sein. Aber damit müssen wir leben, wie mit so vielen Unzulänglichkeiten in diesem Land, in dem wir dennoch mit so großer Freude arbeiten.


  • Foto: Frauenfußball in Afghanistan
    Foto: Frauenfußball in Afghanistan