Die Meeresbiologin Professor Antje Boetius, Direktorin des Alfred-WegenerInstituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, und ein interdisziplinäres Abwasser-Expertenteam um Professor Roland A. Müller aus Leipzig erhielten im November 2018 den Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Der höchstdotierte, unabhängige Umweltpreis Europas wurde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht.
Im Interview für die jüngste Ausgabe des DOSB-Fachinformationsdienstes„Sport schützt Umwelt“ spricht Prof. Boetius über den Klimawandel und darüber, was der Sport tun kann, um ihn zu verlangsamen.
„Bei den erforderlichen Maßnahmen gegen den Klimawandel gibt es die moralische Verpflichtung zur Hoffnung.“ Dieses Zitat stammt vom Klimaexperten Ottmar Edenhofer, der die Auffassung vertritt, dass die Maßnahmen der Regierungen in der Welt in Bezug auf die Bekämpfung des Klimawandels insgesamt in die falsche Richtung laufen. Können wir es aus Ihrer Sicht noch schaffen, die Klimaziele zu erreichen?
PROF. ANTJE BOETIUS: Aus meiner Sicht ist die zentrale Frage nicht, ob wir es noch schaffen können, auch nicht, ob wir hoffen dürfen, sondern einfach nur: Was ist jetzt sofort zu tun, damit wir nicht unnötigen Schaden und Leid verursachen. Es ist nicht akzeptabel, dass wir unseren Kindern und Kindeskindern eine kaputte Welt hinterlassen und gigantische Kosten im Klimaschutz. Der Umbau des Energiesystems, die Verringerung von Treibhausgasemissionen in allen Bereichen unseres Handelns, der Schutz von Wäldern, Meeren, Polarregionen und ihren Funktionen als Kohlenstoff-Senken sind wichtige Bausteine, die es jetzt anzupacken gilt und die intelligent verknüpft auch viel Positives bewegen können, nicht zuletzt die Gesundheit und den Schutz der Lebensvielfalt der Erde.
Welche Maßnahmen könnte eine gesellschaftliche Gruppe, wie beispielsweise Sportlerinnen und Sportler, ergreifen, um ihren Teil beizutragen, den Klimawandel zu verlangsamen?
Sportlerinnen und Sportler sind ja oft Menschen, die ehrgeizige Ziele setzen in Bezug auf ihre Fitness, Leistung und Optimierung und das auch oft im Team. Sie können Vorbilder sein in Bezug auf Bewegung und Gesundheit und Haltung zeigen, zum Beispiel für bessere Luft, gesundes nachhaltiges Essen, mehr Fahrrad – weniger Auto und vieles mehr. Sie sind auch oft Multiplikatoren und könnten anderen Menschen zeigen, dass ehrgeizige Ziele der richtige Weg sind, um etwas zu erreichen. Es gibt ja durchaus Ideen, aus CO2 Sparen eine Art Trendsport zu machen, zum Beispiel durch CO2-Zähler Apps. Da kann dann jeder Bürger mitmachen. Ich empfehle die Seiten des Umweltbundesamtes zu unseren individuellen Möglichkeiten, den Klimawandel zu verlangsamen. Das hat auch viel mit Konsum-Entscheidungen zu tun.
Ihr Forschungsgebiet ist die Tiefsee und die Rolle der Mikroorganismen im Meeresboden. Bei der Verleihung des Umweltpreises haben Sie mit Blick auf den weltweiten Ausstoß des klimaschädigenden Gases Kohlendioxid gemahnt, schneller zu handeln und auf den dramatische Anstieg von Plastikmüll in den Weltmeeren aufmerksam gemacht. Welche Maßnahmen sind hier Ihrer Meinung nach die vordringlichsten?
Bei der Vermeidung von CO2 und anderen Treibhausgasen müssen wir schnell große Maßnahmen ergreifen in praktisch allen Sektoren, also Energie, Wirtschaft, Transport, Infrastruktur, Landwirtschaft, Haushalte. Da sollte es auch durchdachte politische Ziele und Anreize geben. An sich könnten wir schon heute durch intelligente Kohlenstoff-Besteuerung es wirtschaftlich vorteilhaft machen, mit alternativen Energien und umweltfreundlichen Materialien und Technologien zu arbeiten und dabei noch Geld einzunehmen, um soziale Ungerechtigkeiten auszugleichen. Beim Plastikproblem geht es einerseits kurzfristig um das Einsparen von Einwegprodukten, aber es geht auch darum grundsätzlich zu klären, ob und warum wir Kunststoffe nutzen müssen, die mehrere Hundert Jahre in der Umwelt und im Ozean halten – das brauchen wir sicher nicht für Verpackungen, Tüten und Trinkflaschen. Auch nicht für Kleidung. Vielleicht einfach gar nicht.
Es gibt derzeit zahlreiche Ausschreibungen und Wettbewerbe, die an die Zivilgesellschaft gerichtet sind und Anpassungsstrategien an den Klimawandel belohnen. Wie sehen Sie das: Bedeutet Anpassung, den Kampf gegen den Klimawandel aufzugeben?
Nein, Anpassungen an den Klimawandel bedeutet sicher nicht, den aktuellen Pfad weiter zu verfolgen, aber niemand weiß genau, wann die große Transformation der Energiesysteme kommt und wie schnell. Da muss man eben auch mit schlechteren Szenarien arbeiten und planen, wie wir klar kommen können, wenn heiße Sommer wie der von 2018 immer häufiger werden oder Extremwetterlagen unsere Infrastruktur stilllegen.
Was mich dabei besonders berührt ist, dass es nicht mal nur um uns Menschen und unser Wetter geht – wir vernichten durch unser Verhalten in einem nie da gewesenen Ausmaß die Lebensgrundlage vieler Arten und sind davor, ganze Lebensräume, ganze Populationen von Korallenriffen, Menschenaffen, Nashörnern, Eisbären zu verlieren. Einiges davon wird dann unumkehrbar sein. Daher ist der Kampf gegen den Klimawandel, der Kampf für eine gesunde Umwelt wie sie uns gut tut – samt ihrer wunderbaren Vielfalt – alternativlos.
(Quelle: DOSB/ Gabriele Hermani)