Der Kempa-Trick im Handball ist 50 Jahre alt geworden

Den Kempa-Trick kennt jeder. Selbst wer noch nie Handball gespielt hat, hat davon gehört oder hat den Kempa-Trick schon mal in einem Spiel beobachtet. Der Kempa-Trick hat längst einen lexikalischen Eintrag im deutsprachigen Duden erhalten als „Ballannahme mit sofortigem Torwurf in der Luft über dem Torraum“.

 

"Monsieur Handball" in Aktion (Foto: DSB-Archiv)
"Monsieur Handball" in Aktion (Foto: DSB-Archiv)

Sein Erfinder Bernhard Kempa feiert 84. Geburtstag

 

Das alles ist freilich leichter gesagt als getan. Trotzdem oder gerade deshalb wird der Kempa-Trick auf allen Handballbühnen der Welt immer wieder gespielt ... oder zumindest der Versuch eines solchen unternommen. Der Kempa-Trick gehört zum Handballspiel wie der Fosbury-Flop zum Hochsprung. Und es kommt hinzu: Beide haben einen leibhaftigen (und heute noch lebenden!) Erfinder: Dick Fosbury errang erstmals mit seiner „verrückten“ Rückensprungtechnik bei den Olympischen Spielen in Mexiko 1968 die Goldmedaille mit einer Höhe von 2,24m. Bernhard Kempa spielte erstmals vor genau 50 Jahren in der Schwarzwaldhalle in Karlsruhe beim Länderspiel gegen Schweden als Passgeber aus dem Rückraum diese „verrückte“ Steilvorlage in den gegnerischen Torraum.

 

Der 31-fache Nationalspieler Bernhard Kempa war damals aktiv bei Frisch Auf Göppingen sowie später auch äußerst erfolgreicher Trainer in diesem Verein, der bis in die frühen 1960er Jahre die Handballszene hier zu lande auf dem Feld und in der Halle beherrschte und jetzt seit einigen Jahren wieder in der Bundesliga spielt. Der ewig junge und in Bad Boll bei Göppingen wohnhafte Bernhard Kempa, der am 19. November 2004 seinen 84. Geburtstag feiert, erinnert sich: „Wir haben im Training natürlich unheimlich viel ausprobiert. Das hat damals auch noch viel Spaß gemacht, weil es auf dem Spielfeld für solche Sachen mehr Freiräume gab.“ Und in seiner vor kurzem erschienenen Biografie liefert er den exakten Bewegungsablauf seines Tricks mit: „Der Flieger muss vor der Torraumlinie abspringen und der Ball muss unterwegs sein, ehe der Flieger wieder auf dem Boden aufsetzt. Und das setzt wichtige Dinge voraus: Der Passspieler und der Flieger müssen sich blind verstehen, das Timing zwischen Passansatz und Flugansatz muss stillschweigend aber beidseitig auf die Zehntelsekunde genau stimmen“.

 

Bernhard Kempa: Weltmeister in zwei verschiedenen (Ball-)sportarten

 

Bernhard Kempa galt damals als bester Handballer der Welt, war der Fritz Walter des Handballs und wurde wegen seines Vorbilds an Willenskraft, Begeisterungsfähigkeit und Fairness, aber nicht zuletzt auch wegen seiner Spielkultur von französischen Sportjournalisten als „Monsieur Handball“ bezeichnet. Im Hauptberuf war der in Orzesche/Kattowitz geborene Kempa, der seine sportliche Karriere im Nachkriegsdeutschland zunächst als Fußballer beim TSV 1860 München begann, Oberstudienrat und akademischer Sport-Dozent an der Pädagogischen Hochschule in Esslingen. Im Alter von 45 Jahren wechselte er sportlich zum Tennis, wurde 1991 hier zusammen mit seinem Partner Walter Kessler Weltmeister im Doppel und ist damit (vermutlich) der einzige Mensch der Welt, der von sich behaupten kann, in zwei verschiedenen (Ball-) Sportarten einen Weltmeistertitel errungen zu haben. Die Weltmeisterschaft im Feldhandball hatte er mit der bundesdeutschen Nationalmannschaft schon 1952 und 1954 gewonnen.

 

Auch das noch: Der Kempa-Trick gehört mittlerweile sogar zum spieltragenden Regelinventar beim Beach-Handball, der modernen Open-air-Variante des Feldhandballspiels auf Sandboden. Hier werden per Kempa-Trick erzielte Treffer sogar mit zwei Punkten belohnt. Wer also beim Beach-Handball gewinnen will, kann dies am einfachsten mit dem Kempa-Trick. Mehr noch: Seit einiger Zeit hat der Deutsche Handball-Bund (DHB) seine Nationalteams mit Spielkleidung der Marke „Kempa“ ausgestattet. Offensichtlich avanciert allein der Begriff „Kempa“ im Handball zum Erfolgsgaranten angesichts des Gewinns der Europameisterschaft des DHB-Männer-Teams im Frühjahr dieses Jahres in Slowenien und der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Athen im Sommer. Bleibt am Ende nur der Wunsch und die Voraussicht: Der Erfinder des Kempa-Tricks möge erstmal hundert Jahre alt werden – der Kempa-Trick wird es mit Sicherheit dann auch … aber erst im Jahre 2054!


  • "Monsieur Handball" in Aktion (Foto: DSB-Archiv)
    "Monsieur Handball" in Aktion (Foto: DSB-Archiv)