Der Olympische Geist von Nanjing

Autor Tim Zillmer war vor Ort bei den 2. Olympischen Jugendspielen im chinesischen Nanjing und erlebte eine großartige Veranstaltung mit einigen Schwächen.

84 Einzelsportler flogen zu den Jugendspielen, zurück kam eine Mannschaft. Foto: DOSB/Hase
84 Einzelsportler flogen zu den Jugendspielen, zurück kam eine Mannschaft. Foto: DOSB/Hase

Atemberaubend, bewegend, überwältigend – die 2. Olympischen Jugendspiele in Nanjing waren ein Erfolg. Für die Athletinnen und Athleten sind sie ein unvergessliches Erlebnis und ein Meilenstein in ihrer persönlichen Entwicklung gewesen, organisatorisch waren es fröhliche Spiele auf höchstem Niveau. Und trotzdem hat Nanjing 2014 auch deutlich gemacht, dass sich die Jugendspiele weiterentwickeln müssen.

Der Wert der Spiele für die teilnehmenden Sportler steht außer Frage. Die Spiele sind ihr erster Schritt in der olympischen Welt. Sie saugen zwei Wochen lang die verbindende Atmosphäre des Olympischen Dorfes auf, lernen junge Menschen aus der ganzen Welt kennen und erleben alle Facetten der Teilnahme an einem Sportgroßereignis kennen – vom Medieninteresse bis hin zu Dopingkontrollen.

Wenn sich ein ukrainischer und ein russischer Boxer nach dem Finalkampf in den Armen liegen – dann sind Olympische Jugendspiele. Wenn 50 deutsche Athleten quer für alle Sportarten ihr Teammitglied im Boxring mit Sprechchören und Gesängen zum Sieg treiben – dann sind Olympische Jugendspiele. Wenn Hunderte Jugendliche mit dem IOC-Präsidenten bei der Willkommensparty im Olympischen Dorf tanzen – dann sind Olympische Jugendspiele. Wenn jugendliche Spitzensportler aus aller Welt beim Erkunden der längsten Stadtmauer der Welt neue Freunde finden – dann sind Jugendspiele.

Der Olympische Geist war omnipräsent in der chinesischen Millionen-Metropole Nanjing. Unabhängig von ihren sportlichen Ergebnissen haben die Athleten vielfältigste Eindrücke mit nach Hause genommen. Sie werden sich an die Spiele von Nanjing auf ewig als fantastisches Erlebnis erinnern. Ob die Olympischen Jugendspiele für sie dabei der richtige Anreiz auf dem Weg zu den großen Spielen sind oder aber der Höhepunkt ihrer sportlichen Karriere, wird die Zukunft zeigen. Das hängt letztlich von jedem einzelnen ab.

Die Spiele von Nanjing haben aber auch gezeigt, dass es weiter viele offene Fragen gibt. So bleibt etwa der sportliche Wert der Veranstaltung fraglich, denn die Unterschiede zwischen den Sportarten sind riesig. Das liegt an vielen unüblichen Wettkampfformaten und den Beschränkungen auf einen Starter pro Nation und Teilnehmer aus zwei Geburtsjahrgängen. Die Vergabe von Medaillen für Wettbewerbe wie die 8x100-Meter-Pendelstaffel der Leichtathleten und den Dunk-Contest der Basketballer verwässern das Profil zusätzlich.

In welche Richtung soll der Weg der Jugendspiele führen, Jugendfestival oder Spitzensport-Event? Noch sind die Spiele hin- und hergerissen zwischen vielen gegensätzlichen Zielen. Gegensätzlich aber nicht im Sinne von widersprüchlich, sondern schlicht nicht von einer Veranstaltung alleine erfüllbar. So ist zum Beispiel die weltweite Verbreitung Olympischer Werte ohne mediale Aufmerksamkeit ein schwieriges Unterfangen. Ausreichende mediale Aufmerksamkeit aber mit einem Kulturfestival zu erreichen, scheint aussichtslos.

Eine so großartige Veranstaltung wie die Olympischen Jugendspiele sollte jedoch nicht an ihren zu großen Ansprüchen scheitern. Manches können sie leisten, anderes eben nicht. Die internationale Sportwelt sollte das Profil der Jugendspiele schärfen, indem sich IOC, Weltverbände und NOKs gemeinsam auf eine klare Priorisierung der Ziele der Jugendspiele verständigen, manche vielleicht sogar streichen. Denn das Potenzial der Spiele ist riesig.

Medien, die aus der Ferne kommentieren, ohne den Jugendspielen je einen Besuch abgestattet zu haben, können der Veranstaltung nicht gerecht werden. Wer nie dabei war, wird den Wert der Spiele für die Athleten nur schwer verstehen. Ein Blick in die Gesichter der deutschen Athleten im Flieger von Nanjing nach Frankfurt sagte dagegen mehr als Tausend Worte: Wo 84 Einzelsportler hinflogen, kam eine Mannschaft zurück.

Die Spiele haben den Horizont der Athleten erweitert, haben ihnen Olympische Werte näher gebracht. Es bleibt zu hoffen, dass die Sportler diesen Olympischen Geist bewahren, ihn in ihren Alltag und zu Wettkämpfen auf allen Ebenen mitnehmen und ihn dort leben und weitergeben. Dann nämlich haben die Olympischen Jugendspiele ihr wichtigstes Ziel erfüllt. Nicht abstrakt, sondern ganz real.

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier als DOSB-Blog veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • 84 Einzelsportler flogen zu den Jugendspielen, zurück kam eine Mannschaft. Foto: DOSB/Hase
    84 Einzelsportler flogen zu den Jugendspielen, zurück kam eine Mannschaft. Foto: DOSB/Hase