Bis heute weisen das Sport- und das Gesundheitssystem nur wenige Berührungspunkte auf. Leistungen zur Bewegungsprävention sind durch die Krankenkassen nur bedingt abrufbar.
Krankenkassen und Sportvereine treffen sich überwiegend als Marketingpartner; Sport- und Gesundheitsämter verwalten ihre Klientel in den Kommunen meist beziehungslos.
Der Prozess zur Stärkung einer gesundheitspräventiv ausgerichteten Lebensführung ist dennoch nicht mehr aufzuhalten. Gegenwärtig führen Virtualisierung und Flexibilisierung von Arbeitsprozessen zu verstärkter, dabei der jeweiligen Lebenslage angemessener Sportaktivität mit einem höheren Grad an individueller Selbstorganisation. Fitnessstudios, gesundheitsorientierte Volkshochschulangebote mit Atem- und Rückengymnastik, Wellnesshotels und Sporturlaube, Lauf- und Skatertreffs, Walkingseminare oder Rückenschulen bei Krankenkassen sind Ausdruck des verstärkten Gesundheitsmotivs beim Sporttreiben. Es führt nach Leistungs- und Freizeitsport zu einer dritten Säule im organisierten Sport, die Belastungssymptome und Befindlichkeitsstörungen in den Mittelpunkt stellt statt Wettkampf und Sportart: Gesundheitssport in den Vereinen.
Das Angebot ist vielfältig bis unübersichtlich, gelegentlich originell, erst ansatzweise in prägnante Schwerpunkte strukturiert und noch nicht einheitlich qualitätsgesichert. Gleichwohl entwickelt sich der Gesundheitssport dynamisch und eigenständig insbesondere in den Vereinen. Dort kann er auf eine stabile flächendeckende Organisation bauen, die ihre über 150 Jahre gewachsenen Kompetenzen zu Übungsleiterqualifikation, Mitgliedermotivation und Trainingsdosierung einbringt und neuerdings sogar schon mit einem Qualitätssiegel „SPORT PRO GESUNDHEIT“ aufwartet.
Die rasch fortschreitende Etablierung eines präventiven Gesundheitssports eröffnet eine Schnittmenge zur Prävention als vierter Säule des Gesundheitssystems neben Kuration, Rehabilitation und Pflege. Diese vierte Säule ist auf Grund des systemimmanent nicht mehr aufzulösenden Kostendrucks und der demografischen Entwicklung unabweisbar, wenngleich organisatorisch noch ungelöst. Ein Präventionsgesetz, ein von allen Akteuren getragenes Kuratorium oder ein Runder Tisch zur Präventionsförderung, sowie eine Bundesstiftung zur finanziellen Absicherung sind derzeit Initiativen für eine umfassende Präventionsstrategie. Es zeichnet sich ab, dass sie an Keimzellen wie Schule und Betrieb ansetzen muss, aus dem bestehenden System (hier insbesondere den Krankenkassen und wohl auch den kommunalen Instanzen) mitfinanziert wird, besonders sozial und ökonomisch belastete Zielgruppen ansprechen soll, die angekündigten Wirkungen überprüft und die Selbstorganisation bei den Betroffenen bewirkt. Die hastig eingeworfenen Bonusregelungen sind dafür Probe und Indiz.
Der rasch wachsende Gesundheitssport in den Vereinen und bei anderen Trägern ist ein Feld, das für ein erweitertes Gesundheitssystem und im Netzwerk einer breit angelegten Präventionsstrategie unverzichtbar erscheint. Neben seiner entwickelten und zugleich auf Gesundheitsanforderungen neu auszurichtenden Organisationskraft besitzt der Vereinssport neben dem kostengünstigen und hoch wirksamen „Medikament“ sportliche Aktivität ein weiteres Präventionspotenzial, nämlich die soziale Unterstützung. Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft werden dank wissenschaftlicher Untersuchungen über die Faktoren, die Menschen gesund und nicht krank machen, als sinnstiftende Gesundheitsressource betont. Die traditionsreiche „Sportfamilie“ im Verein ist in anonymisierenden Alltagsstrukturen für viele Menschen Haltepunkt und Identitätsstiftung, die individuelle Befindlichkeitsstörungen und Krankheitsbeschwerden zurück treten lassen. Für nicht wenige Menschen ist der Verein eine bedeutsame Sozialstation, die zum gesunden Lebensort ausgestaltet werden kann. Gerade solche Potenziale kann der Gesundheitssport wirkungsvoll in das künftige Präventionssystem in Deutschland einbringen.