Der Sport im Wahljahr 2013

Prof. Hans-Jürgen Schulke vermisst im Wahljahr 2013 den Sport in den Wahlprogrammen der Parteien. Der Autor ist Vizepräsident der Special Olympics.

Vertreter der großen Parteien beim DOSB-Wahlhearing in Berlin. Foto: picture-alliance/Robert Schlesinger
Vertreter der großen Parteien beim DOSB-Wahlhearing in Berlin. Foto: picture-alliance/Robert Schlesinger

Wohlklingend sind die Worte, die der organisierte Sport hierzulande unisono von Politikern erfährt. Dies zuletzt beim hochkarätig besetzten Wahlhearing des dosb in Berlin. Da wurde gelobt, dem Sport in wichtigen gesellschaftlichen Fragen eine Vorreiterrolle zugeschrieben, manches Überraschende – weil am Vortag im Sportausschuss des Bundestages noch abgelehnt – versprochen wie die Aufnahme in das Grundgesetz als Staatsziel. Kurz: Der Sport sah sich fröhlich umringt von einer Allparteienkoalition. Wer mochte da noch kritisch-kleinkariert nachzählen?

Beim Durchrechnen vom Kleingedruckten allerdings verlöscht das freundliche Schulterklopfen schnell. In den Parteiprogrammen der Parteien – zuletzt von den Linken und am Wochenende von der CDU vorgelegt – musste man mit Lupe und Langmut nach sportlichen Splittern suchen. In den zumeist weit über 100seitigen Werken war der Sport Marginalie.

Im Sport wird nüchtern die Leistung vermessen. Da geriet Priorität hinsichtlich Seitenzahl zur Promille. Hier der Atemtest. In keinem der Werke fand der Sport einen eigenständigen Hauptteil. Hier ein Unterabschnitt, dort ein Absatz, dann und wann ein Hinweis bei Gesundheit, Ehrenamt, Jugendarbeit oder Ausländerintegration. Auch die Qualität der Aussagen nicht rekordverdächtig: Staatsziel Sport findet nicht bei allen Parteien ein klares „Ja“, Bedeutung des Sports in Raumplanung und Regionalentwicklung wird vermisst, Kooperationen von Sportvereinen und Ganztagsschulen kaum begründet, Aufnahme der Bildungsarbeit der Sportorganisationen in die Bildungsberichterstattung unerwähnt. In diesen und vielen anderen Feldern ist der Vereinssport längst unterwegs, initiiert Projekte und schafft neue Strukturen. Weiß das die große Politik?

Auch das fällt auf: Die Rolle der Vereine für das demokratische Gemeinwesen – Zugang für Alle, Gleichberechtigung und Transparenz der Entscheidungen, Macht auf Zeit, Selbstorganisation – wurde in den Programmen kaum gewürdigt. Dabei sind Parteien wie Gewerkschaften Nutznießer des nicht zuletzt von der Turnbewegung schwer erkämpften demokratischen Vereinsrechts.

Es gehört zum volkstümlichen Erfahrungsschatz, dass noch so umfangreiche Wahlbroschüren als politische Prosa begrenzte Halbwertzeiten haben. Dennoch hätte der Sport gründlichere Aufmerksamkeit verdient. Auch wenn man nicht unbesehen vergleichen und verallgemeinern sollte: Die Volksentscheide gegen manche Veranstaltungsbewerbung oder die Demonstrationen in Brasilien sind Indizien dafür, dass der Sport schon lange kein politisches Biotop mehr darstellt.

Vielleicht ist es doch der Überlegung wert, vor künftigen Wahlen analog zu den im Spitzensport gepflegten Zielvereinbarungen berechnete wie prüfbare Wahlbausteine zu formulieren. Das kann übrigens schon jetzt beginnen. In den nächsten zwölf Wochen werden die Bundestagskandidaten den Bürgern ihre Ziele und Schwerpunkte vorstellen. Gelegenheit für die Vertreter der 93 000 Vereine des DOSB, den Sport mit konkreten Forderungen ins Gespräch zu bringen. Also statt Schultern sportliche Wahlprüfsteine klopfen, statt Gemeinplätze hören mehr Sportplätze bauen.


  • Vertreter der großen Parteien beim DOSB-Wahlhearing in Berlin. Foto: picture-alliance/Robert Schlesinger
    Vertreter der großen Parteien beim DOSB-Wahlhearing in Berlin. Foto: picture-alliance/Robert Schlesinger