Integration ist schon seit Jahrzehnten ein Arbeitsschwerpunkt für viele deutsche Sportvereine. Doch nicht immer wird das so in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Der Verein als „kulturelle Brücke“, Sport als unkompliziertes Hilfsmittel, um Anschluss in der neuen Heimat zu finden? Manche deutschen Vereinsmitglieder machen sich da keine großen Gedanken. Silvia Brunner, 54, spielt seit zwei Jahren mit Jasmin Ökcen Badminton. „Dass sie Türkin ist, war mir gar nicht bewusst - wir haben uns einfach zusammengetan und spielen jetzt jeden Donnerstag. Das ist selbstverständlich.“ Doch nicht für alle. Deshalb nutzten Vereine und Landessportbünde auch den „Tag der Integration“ am 28. September mit bundesweiten Aktionen, um auf das Thema und ihre Arbeit aufmerksam zu machen.
Sportliche Aktionen im ganzen Land
Ob in Bremen oder in Bayern (trotz der Landtagswahl) - bundesweit waren die Sportler und Sportlerinnen in Aktion: Box- und Fußballturniere, Sport- und Spielfeste, Fahrradrennen, Schnuppernachmittage, Selbstverteidigungsdemonstrationen oder ein Tag der offenen Tür sollten das Thema Integration nahe bringen und auch zeigen, wie erfolgreich der Sport in diesem Bereich, vor allem in der Kinder- und Jugendarbeit ist. In Bremen beispielsweise organisierten wieder die Stützpunktvereine, die sehr viele integrative sportorientierte Projekte anbieten, unterstützt vom Landessportbund diesen Integrations-Tag.
Schon im Vorfeld des eigentlichen Integrationstages hatten viele Vereine und Landesverbände Aktionen gestartet. Die eigentliche Auftaktveranstaltung war das Integrationsfestival „Jahrmarkt der Möglichkeiten“ am 20. September, das die hessische Sportjugend und der GKV Lotus Eppertshausen ausrichteten. Der Landessportbund Niedersachsen hatte am 24. September nach Wolfsburg-Westhagen zum dortigen „Tag der Integration eingeladen. 2.000 Teilnehmer brachten am Ende den Stadtteil Westhagen etwas durcheinander, und Jennifer Osthus vom LSB-Organisationsteam freute sich „dass so viele Kinder und Jugendliche mitmachten“.
Sport schlägt Brücken
Auch in Rheinland-Pfalz wurde schon im Vorfeld mit vielen sportlichen Aktionen geworben. Doch nicht nur in der Praxis näherte man sich da dem Thema. Ein Diskussionsforum des Landes-sportbundes und der Sportjugend setzte sich mit Integration unter dem Thema „Sport als Brücke der Integration - Fremde Religionen: Problem oder Bereicherung im Sportverein?“ auseinander. In Baden gab es wieder in 15 Vereinen und Netzwerken eine Integrationsstaffel unter dem Slogan „Wir tun es“. Beim Württenbergischen Landessportbund hat man sich zum Thema Integration noch etwas Spezielles einfallen lassen: „Interkulturelle Kompetenz“ ist nun fest in die Aus- und Weiterbildung“ eingebunden. In der zweiten Septemberwoche haben 35 Vereinsvorsitzende aus ganz Württemberg ein WLSB-Seminar „Neue Vorsitzende“ mit dem erweiterten Angebot zum „Interkulturellen Lernen“ absolviert. „Auch wenn der Sport das Integrationsmittel schlechthin ist, müssen wir dieses Thema als festen Bestandteil der Arbeit in den Vereinen etablieren. Nur so kann Integration langfristig erfolgreich sein“, sagt WLSB-Präsident Klaus Tappeser. Und auch überlebenswichtig für die Vereine sein. Laut Statistischem Landesamt hat jeder vierte Baden-Württemberg er keinen deutschen Pass oder ist ausländischer Abstammung. Auch in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Hamburg laufen schon lange erfolgreiche Integrationsprojekte. Dennoch wurde auch hier mit besonderen Aktionen im Hinblick auf den Tag der Integration geworben. In Brandenburg gab es ein Inline-Hockey-Frauenturnier und ein Street-Soccer-Turnier im Tropic Island in Brand, in Hamburg wurden elf kunterbunte und in Mecklenburg-Vorpommern sieben vielfältige Veranstaltungen angeboten.
Mehr finanzielle Unterstützung gefordert
Seit Jahren unterstützt das Bundesinnenministerium das Programm „Integration durch Sport.“ Der sportpolitische Sprecher der Grünen und Mitglied des Deutschen Bundestages, Winfried Hermann, fordert noch mehr Unterstützung. „Die Mittel für Integrationskurse im Sportbereich sind seit Jahren auf sechs Millionen Euro im Jahr beschränkt. Das ist einfach verdammt wenig für so ein großes Land mit so großen Integrationsproblemen.“ Man lobe zwar die Integrationsarbeit des Sports, aber die Mittel wolle man nicht aufstocken, was zwangsläufig zur Folge haben wird, dass die Integrationsarbeit auf der Strecke bleibe, ärgert sich der Grüne. Und auch Sebastian Edathy, Vorsitzender des Innenausschusses im Deutschen Bundestag, ist bei aller Begeisterung für Sport als Integrationshilfe doch besorgt: „Trotz der zahlreichen Aktivitäten ist beispielsweise die Entwicklung zu rein ethnischen Sportvereinen zu beobachten, was weder im Interesse unserer Sportpolitik noch unserer Integrationspolitik liegt. Ein weiteres Ziel muss es sein, den Anteil von Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen mit Migrationshintergrund in den Sportvereinen sowohl als Mitglieder als auch als Übungsleiterinnen und Übungsleiter oder Funktionäre zu erhöhen.“ Mehr unter: www.integration-durch-sport.de.