Deutscher Spitzensport unter der Lupe: NOK-Ehrenmitglied Digel sieht Reform-Bedarf

Prof. Dr. Helmut Digel. Copyright NOK
Prof. Dr. Helmut Digel. Copyright NOK

Im deutschen Spitzensportsystem wird es in naher Zukunft einige Veränderungen geben müssen. Zu diesem überstimmenden Ergebnis kamen Jörg Ziegler, Geschäftsführer Leistungssport des Deutschen Sportbundes, und Prof. Dr. Helmut Digel (Tübingen), NOK-Ehrenmitglied und Vizepräsident des Internationalen Leichtathletik-Verbandes, auf einer Pressekonferenz in Berlin. Dort stellte Digel seine internationale Vergleichsstudie, die vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) in Auftrag gegeben worden war, über die Leistungssportsysteme der acht führenden Sportnationen und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen der Öffentlichkeit vor.

 

„Der deutsche Sport ist reformbedürftig“, meinte Digel, der ihm aber nicht die Leistungsfähigkeit absprach. „Er hat uns schon manchen Erfolg beschert.“ Digel hatte mit seinen Mitarbeitern in dem mehrjährigen Forschungsvorhaben „Organisation des Hochleistungssports – ein Systemvergleich zwischen den erfolgreichsten Sportnationen bei den Olympischen Sommerspielen“ die Strukturen in den USA, in China, Russland, Australien, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland untersucht. Aus diesen Vergleichen hat der Sportwissenschaftler eine Vielzahl von Empfehlungen für den deutschen Sport gezogen.

 

Ziegler nutzte die Gelegenheit der Präsentation, um auf die aus seiner Sicht notwendigen Bedürfnisse hinzuweisen. „“Wir brauchen eine Traineroffensive, um ihre Stellung endlich aufwerten zu können“, meinte Ziegler, der im Verbund mit den Fachverbänden schon bald für Veränderungen sorgen will. Auch Digel sieht im Trainerbereich Handlungsbedarf. Er schlug über die bestehenden Voraussetzungen hinaus die Einrichtung einer akademischen Trainerausbildung vor, um nicht zuletzt die gesellschaftliche Reputation zu erhöhen. Jürgen Fischer als neuer BISp-Direktor kündigte an, dass sich sein Institut künftig stärker um den Trainerbereich kümmern wolle.

 

Zusätzlich sollten künftig nicht nur die Sportler für ihre Leistungen bei Olympia oder bei Welt- und Europameisterschaften öffentliche Aufmerksamkeit ernten und geehrt werden, sondern Trainer ebenso. Damit stieß Digel bei Ziegler auf Zustimmung. „Im Athletenbereich gibt es ja eine öffentlichkeitswirksame Anerkennung, warum nicht einen Trainer-Award?“, stimmte Ziegler dem Gedanken-Modell von Digel zu.

 

Skeptischer war Ziegler dann allerdings bei dem Vorschlag von Digel, künftig „Scouts“ für eine bessere Talentsichtung insgesamt und auch für Quereinsteiger von einer Sportart zur anderen zu etablieren. „Neben dem Problem der Finanzierung scheint es schwierig zu sein, weil sich nicht alle wagen“, sagte Ziegler vor den Medienvertretern. Aus der Sicht des Bereichs Leistungssport bestehen im Augeblick gute Chancen für Veränderungen durch die anstehende Fusion zwischen DSB und dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) für Deutschland.

 

Digel wies nochmals darauf hin, dass „es Sinn macht, innovativer zu werden und von anderen Ländern zu lernen“. Neben dem Bereich Trainer und Talentsichtung sieht der Tübinger vor allem Handlungsbedarf innerhalb des Schul- und Hochschulsystems, der sozialen Absicherung von Athletinnen und Athleten sowie eine verbesserte Steuerung von Karrieren und Trainingsprozessen einschließlich Ernährung und psychologischer Betreuung. Zudem griff Digel in Berlin nochmals seine schon mehrfach vertretene Idee einer zentralen sportwissenschaftlichen Einrichtung auf. „Dieses Institut ist eine Vision, die wir nicht aus den Augen verlieren dürfen, die aber bis zur Verwirklichung noch Jahre bedarf“, meinte Ziegler.


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