Deutsches Turnfest dient dem Zusammenwachsen von Ost und West

"Wir sind riesig froh, dass wir Gastgeberstadt sein dürfen", erklärte Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee. Der SPD-Politiker nannte vier Gründe, weshalb

sich die Messestadt zwischen dem 18. und 25. Mai auf über 100.000 Teilnehmer freut: Zum einen habe man gern nationale und internationale Gäste. Sie würden "frischen Wind auf unsere Straßen und in die Sporthallen bringen". Zum anderen möchte man den Nachweis erbringen, wiederum eine Großveranstaltung organisieren zu können – "professionell und mit Herz". Dadurch erhoffe man sich "einen Schub für weitere Aufgaben, die vor Leipzig stehen können", so Tiefensee im DeutschlandRadio Berlin. Dabei dachte er natürlich vor allem an die Olympiabewerbung Leipzigs für 2012. Die Stadt brauche Botschafter nach außen. "Die besten Botschafter sind die, die mit eigenen Augen gesehen haben, was hier los ist und was noch werden könnte. Und wenn ich bedenke, dass fast ein Drittel junge Leute unter den Teilnehmern der Turnfestgemeinde ist, dann werden das vielleicht die potenziellen Studenten, diejenigen sein, die ihren Arbeitsplatz hier haben werden."

Tiefensee plädierte dafür, die Tage von Leipzig, das erste Turnfest in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung, auch für ein "besseres Kennenlernen" zwischen Ost und West zu nutzen. Acht Mal war die Stadt zwischen 1954 und 1987 Austragungsort des Turn- und Sportfestes der DDR und der Kinder- und Jugendspartakiade. Tiefensee kritisierte einerseits die Schattenseiten des DDR-Sports: "Den Leistungssportlern in kleinen Schulklassen ein Optimum an Bildung zu geben, alle Türen zu öffnen, die Südfrüchte heran zu karren, die für uns einmal zu Weihnachten oder im Intershop zu besichtigen waren, diese Art Glorifizierung und Verherrlichung des Sports" habe er nie gut heißen können. Diese Sichtweise bis hin zu Doping dürfe andererseits aber nicht dazu führen, "die eher subjektive Betrachtung von Bürgern zu vernachlässigen", die bei den Turnfesten Spaß und Freude gehabt hätten. Er plädiere deshalb dafür, sehr genau hinzuschauen, "den Osten und die Biographien nicht monolithisch zu sehen, sondern sehr viel differenzierter." Gleiches sollten die Menschen aus den alten Bundesländern leisten. "Auch dort gibt es nicht nur eindimensionale Lebensläufe." Ein wechselseitiges Missverständnis sei programmiert, wenn nicht offener und fairer miteinander diskutiert würde. "Lasst uns genauer hinschauen und mit Selbstbewusstsein auch das in die Zukunft einbringen, was sich vor 1989 abgespielt hat", forderte Tiefensee.

Auf zahlreiche persönliche Begegnungen hofft auch der Präsident des Deutschen Turner-Bundes, Rainer Brechtken. Nur so seien die Ost-West-Probleme zu lösen und Vorurteile abzubauen. Zugleich bedeute das Turnfest-Motto "Neues entdecken" aber auch, voneinander zu lernen. Für die neuen Bundesländer hieße dies, über eine breitere Sportverankerung, über eine Verbesserung des Breitensports nachzudenken. Da hier nur zwischen 11 und 13 Prozent der Bevölkerung Mitglieder in Sportvereinen seien, in den alten Bundesländern dagegen im Durchschnitt mehr als 30 Prozent, müsse man sich verstärkt diesem Thema widmen. Brechtken: "Der 40-Jährige möchte zum Gesundheits- und Freizeitsport abgeholt werden." Von den Erfahrungen des Wettkampf- und Spitzensports sowie der konsequenten Talentförderung könnten wiederum die alten Bundesländer profitieren. Leipzig steht also auch im Zeichen gegenseitigen Lernens. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein.