Wie bewerten Sie das Abschneiden der deutschen Mannschaft bei Olympia von Turin und die Rückkehr auf Platz eins in Länderwertung?
Ulrich Feldhoff: „Unsere Aktiven präsentierten sich in einer starken Art und Weise, wie es selbst bei uns die größten Optimisten nicht erwartet hätten. Das Ergebnis ist absolut überzeugend. Wir hatten schon zwei Tage vor dem Ende der Spiele mit 24 Medaillen die Anzahl von Medaillen erreicht, die wir uns vorgenommen hatten. Am Ende sprang dann der erste Platz unter all den Spitzennationen heraus, den wir in Salt Lake City verloren hatte. Darüber hinaus hatten wir noch eine außergewöhnliche Anzahl von guten Platzierungen auf den Rängen 4 bis 10, die Grundlage für die internationale Bewertung sind.“
Neben diesem allgemeinen Resümee: Wie stufen Sie einzelnen Sportarten ein?
Ulrich Feldhoff: „Zu der sehr positiven Bilanz haben unübersehbar die Biathleten beigetragen. Was vor allem Michael Greis, aber auch seine Kolleginnen und Kollegen geleistet haben, dazu kann man nur gratulieren. Dazu kommen noch Bob mit dem Doppelsieger Andre Lange und Rodeln, Ski Langlauf, die nordischen Kombinierer und der Eisschnelllauf, wobei hier die Ergebnisse nicht das Leistungspotenzial widerspiegeln, was vor allem unsere Frauen haben und das auch nicht der Erwartungshaltung der Aktiven entsprach.
Ein problematischer Bereich ist das Eiskunstlaufen, wo nur im Paarlauf ein sechster Rang erreicht wurde. Dort wird bei den Damen, bei den Herren und im Eistanz ein Neuaufbau erforderlich sein. Im Ski alpin kann der Verband wahrlich nicht zufrieden sein, wenn in zehn Disziplinen als bester Platz nur ein sechster Rang zu Buche steht. Dort haben wir den Anschluss zur Weltspitze verloren. Ähnliches gilt für Eishockey-Männer, wo das Team ohne Sieg blieb.“
Was nehmen Sie denn noch mit aus Turin und Umgebung?
Ulrich Feldhoff: „Ein Extra-Gold hat die Mannschaft verdient für ihr Auftreten, mit dem sie sich im internationalen Bereich höchste Anerkennung verdient hat. Selbst bitterste Niederlagen wurden gut weg gesteckt, es gab stets Respekt vor der Leistung des Gegners. Jammern und Ausreden wie „Um neun Uhr kann ich ja noch nicht starten“ oder „der Gegenwind war zu stark“, wie ich sie noch in Athen erlebt habe, kamen in Turin nicht vor. So etwas wird auf der internationalen Bühne sehr aufmerksam verfolgt. An diesem Auftreten werden sich künftige Mannschaften messen lassen müssen, vor allem die Sommer-Mannschaften.“
Sie sprachen jetzt den Sommer an. Müssen die Sommersportarten jetzt dort lernen?
Ulrich Feldhoff: „Da kann ich nur zur Vorsicht raten. Wintersport kann man auf keinen Fall 1 zu 1 mit dem Sommersport vergleichen. Allein die Konkurrenz im Winter ist viel kleiner. Ich werde jetzt höllisch aufpassen, wenn es heißt, warum übernimmt man im Sommersport nicht die Konzepte aus dem Winter. Allerdings gibt es doch Ähnlichkeiten: Im Sommer arbeiten Ruder, Kanu und Radsport mit ähnlichen Konzepten wie im Winter etwa Biathlon oder Skilanglauf. Dann sind wir traditionell dort stark, wo das Material eine große Rolle spielt wie im Bob und im Rodeln.“
Was halten Sie denn noch für Lehren aus Turin?
Ulrich Feldhoff: „Jeder sollte flexibel und in der Lage sein, umzuschwenken. Beispiel Biathlon. Dort haben die Verantwortlichen vor zwei Jahren Defizite im Ausdauerbereich ausgemacht und in der Folge das Training methodisch verändert. Und dann ist es äußerst sinnvoll, mit der Sportwissenschaft und sportwissenschaftlichen Einrichtungen wie dem IAT zusammen zu arbeiten. Wenn dann Schwachpunkte akut offensichtlich werden, ist man in der Lage, sehr kurzfristig umzuschwenken. Das geht aber nur, wenn eine wissenschaftliche Basis vorhanden ist.“
Wie beurteilen Sie die Doping-Vorfälle rund um Olympia?
Ulrich Feldhoff: „Doping war leider wieder ein großes Thema. Zum Beispiel haben die Top-Ergebnisse der Österreicher, die sie erreicht haben, schwer unter diesen Vorkommnissen gelitten. Was da zum Vorschein kam, ist sehr erschreckend und zeigt, wie rücksichtslos an einigen Stellen gearbeitet wird. Einige kapieren einfach nicht, was sie dem Sport antun. Das ist schon als kriminell zu bezeichnen.“
Was bedeuten die Ergebnisse von Turin nun für die Zukunft des deutschen Spitzensports?
Ulrich Feldhoff: „Trotz aller Erfolge: Wir dürfen einfach nicht weiterhin über die Schwächen hinweg schauen. Als Beispiel gilt die geplante Traineroffensive im deutschen Spitzensport. Turin hat deutlich gemacht, dass die Spitzenerfolge immer an einer überragenden Trainer-Persönlichkeit festzumachen sind. Wenn wir weiterhin nichts für die Trainer tun, bricht uns dort Entscheidendes weg. Dies bedeutet, wir müssen unsere Offensive in die Praxis umsetzen. Wir müssen jetzt an die Öffentlichkeit gehen, denn wir müssen endlich die gesellschaftliche Akzeptanz verbessern. Diesen Schritt müssen wir schon bald tun und nicht wieder zu lange abwarten.“