Die Ganztagsschule als Chance für den Sport

Die Ganztagsschule wird in jedem Bundesland anders aussehen. In Nordrhein-Westfalen soll bis 2007 jedes vierte Schulkind eine Ganztagsschule besuchen können;

dies gilt für den Bereich der Grundschulen. Dagegen wird es in Baden-Württemberg Ganztagsbetreuung nur an Hauptschulen geben, „die ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag unter erschwerten Bedingungen erfüllen müssen“, wie es in der Regierungserklärung heißt. In der Bildungspolitik gleicht keines der 16 “Eier“ dem anderen. Doch die Situation für die Sportvereine ist überall gleich. „Die Ganztagsschule kann unsere Kinder- und Jugendsportkonzeption ergänzen oder sie kann uns hineinpfuschen“, sagt ein Geschäftsführer eines Großvereins.

Neben der Hauptsäule „Wettkampfsport“ entwickeln etliche Vereine auch für Kinder und Jugendliche Angebote im Fun- und Freizeitsport sowie Bewegungsangebote für weniger talentierte Kinder. Diese neue Klientel findet den Weg zum Verein nur schwer. Deshalb ist die Ganztagsschule eine Chance zur rechten Zeit - die Sportvereine gehen direkt zu diesen Zielgruppen. Mit vielfältigen und flexiblen Sportangeboten, die die Jugendlichen bei der Auswahl und der Durchführung beteiligen, können auch diejenigen erreicht werden, die sich gerne bewegen, sich aber weder auf eine Sportart beschränken wollen noch an einem Wettkampfwochenende Interesse haben. Mit gezielten Aufbauangeboten im psychomotorischen und koordinativen Bereich können auch Kinder und Jugendliche Spaß an der Bewegung bekommen, für die der Schulsport eher eine Tortour ist.

Nutzen die Sportvereine diese Chance, dann machen sie sich verstärkt zum Anwalt der Bewegung von Kindern und Jugendlichen. Damit gewinnen sie auch kommunalpolitisch an Bedeutung. Im Hinblick auf die Politik dürfen zwei Dinge allerdings nicht übersehen werden: Zum Einen muss der Bildungsauftrag der Schule erhalten bleiben. Die Angebote der Sportvereine müssen als Ergänzung des Schulsports verstanden werden. Die Sportvereine dürfen nicht den Schulsport übernehmen. Zum Zweiten dürfen die Sportvereine nicht zum „billigen Jakob“ werden. Die Sportlehrer und Übungsleiter der Vereine stehen vor einer Herausforderung – sie unterrichten Kinder und Jugendliche, die weniger motiviert sind als die Vereinsmitglieder. Es sollten nur Übungsleiter in die Schule gehen, die der Aufgabe pädagogisch gewachsen sind. Die Sportvereine müssen fachliche und pädagogische Qualität abliefern und die darf ihren Preis haben.
Jens Gieseler