Während bei der laufenden Fußballweltmeisterschaft eifrig wie leidenschaftlich Tore, Tritte, Temperaturen und Tabellen berechnet werden, hat der DOSB seine neuesten Zahlen zur Vereinsentwicklung vorgelegt. Das hat keine Schlagzeilen provoziert – zu Unrecht.
Das verdienstvolle Werk, wiederum erstellt von der Arbeitsgruppe um Professor Breuer an der Sporthochschule Köln, enthält tatsächliche Aussagen von über 20.000 Vereinen aus allen Regionen und unterschiedlichster Struktur. Alleine die hohe Beteiligung ist schon ein überzeugender Beleg für die Vitalität der hiesigen Vereinslandschaft, verlangt doch das Ausfüllen der differenzierten Fragebögen seine Zeit für Prüfung und Prosa.
Ziel des Berichtes ist eine bessere Steuerung der Vereinsentwicklung im DOSB in der Zukunft. Wichtige Themen werden identifiziert, Veränderungen registriert. Doch gilt auch hier die historische Weisheit: Wer nichts hinter sich hat, hat auch nichts vor sich.
Gleich vorne in dem Bericht findet sich ein neues Datum, das es verdient, besonders hervorgehoben zu werden. Es geht um das Alter der Vereine. Säuberlich werden dort die 93.000 Vereine des DOSB in Gründungsdaten geclustert. Nüchtern vermerkt der Bericht beispielsweise, dass weit über 20.000 Vereine nach 1990 gegründet wurden und interpretiert das als Innovationskraft der Vereinsbewegung wie ihrer Attraktivität für Sportwillige. Das ist richtig, auch wenn sich hinter der respektablen Zahl eine Menge Wiedergründungen und Umbenennungen aus der DDR-Terminologie verbergen mögen.
Dramatisch ist die Zahl am anderen Ende der Chronik. Danach sind 16.5 Prozent der mehr als 91.000 Vereine älter als einhundert Jahre. In absoluter Zahl: mehr als 15.000. Das ist gesellschaftspolitisch eine Sensation. Nimmt man für jeden Verein nur 20 ehrenamtliche Mitarbeiter in Vorständen und als Betreuer, so summiert sich das seit 1915 auf über drei Millionen Jahre freiwilliger Tätigkeit für seinen Verein. Eine unfassbare Zahl, denn diese Tätigkeiten wurden ohne Zwang und Entgelt, ohne berufliche Karrieren oder staatliche Anerkennung ausgeübt. Nicht selten beinhalteten sie Missachtung oder Kritik. Der Gewinn war größer. Die erhaltenen Münzen waren freie Gestaltung seiner bewegenden Leidenschaft, solidarisches Miteinander und ein verlässliches Stück Heimat.
Das sind dann auch Gründe, warum sich die ganz und gar freiwillige Institution Verein vor Ort länger gehalten hat als Handelsgeschäfte, Fabriken, Schulen, Kasernen oder Arztpraxen; die ältesten Turnvereine sogar schon seit 200 Jahren. Vereine sind Grundlage demokratischen Alltags. In der Geschichtswissenschaft wird für das 19. Jahrhundert oft das Vereinswesen als prägende gesellschaftliche Konstruktion bezeichnet, das sukzessive Familie, Glaubensgemeinschaft, Schulen und Militär überholt, mindestens wirksam ergänzt hat. Parteien und Gewerkschaften sind aus dem Vereinsrecht entstanden, das 1848 in der Frankfurter Paulskirche mit der Stimme von Turnvater Jahn verfasst wurde. Es spricht nichts dafür, dass Attraktivität und Anpassungsfähigkeit der Sportvereine im 21. Jahrhundert verschwinden könnten.
In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier als DOSB-Blog veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.