Die Lust auf natürliche Bewegung: Auch Kinder entdecken das Laufen

 

Irgendwie erinnern sie an Erich Kästners Helden „Emil und die Detektive“, die hinter dem Dieb Max Grundeis durch die Straßen

von Berlin traben: Eine bunte Kindertruppe zuckelt in gebührendem Abstand hinter einem Mann im dunklen Trainingsanzug her. Die Jungen und Mädchen bleiben zwischendurch stehen, machen dem Mann seine merkwürdigen Bewegungen nach, um dann wieder in die Gänge zu kommen. Natürlich handelt es sich nicht um ein Räuber- und Gendarm- Drama, das hier als Neuauflage gedreht wird. Vielmehr sind Mati, Ole, Alex, Behdad, Anna, Coco sowie zehn andere Steppkes zwischen sieben und zwölf Jahren wieder mal mit ihrer Laufgruppe unterwegs. Es ist Donnerstag - und es ist Lauftreff: Einmal in der Woche wärmen sich die Laufwilligen an ihrer Berliner Grundschule vorbildlich auf und sind dann mit ihrem Lehrer im Grüngürtel, aber auch in ihrem Stadtteil unterwegs.

Mit jedem Mal sind die Kinder eifriger bei der Sache - und nachdem sie ihr Ziel, den Mini-Marathon Ende September, alle bravourös gemeistert haben, sind sie kaum noch zu bremsen. „Das beste war, als ich durch das Brandenburger Tor gelaufen bin. Und die vielen Leute. Ein bisschen Angst hatte ich schon, dass ich hinfallen könnte und die anderen über mich kullern“, erzählt Mati, der nächstes Jahr auf jeden Fall wieder mitmachen will. Für Behdad war der Moment, als er die Medaille bekam, das Beste am Lauf, und auch dass er sich dann zwischendurch verlaufen hatte und kurz im Gewühle verschollen war, hat er verdaut: Nächstes Jahr ist er wieder dabei.

Wie viele Kinder aus anderen Teilen Berlins, die bei einer Reihe von Veranstaltungen ihre Lust steigern, sich auf zwei Beinen zu bewegen. Dass es immer mehr werden, belegen die Meldungen beim Mini-Marathon in der Hauptstadt. 1989 waren es 875, letztes Jahr 7.223 und nun waren es rund 7.500. 40 Jahre nachdem die Volkslaufbewegung ihren Anfang nahm, scheinen auch Kinder wieder das Laufen zu entdecken. Warum laufen Kinder gerne? Der achtjährige Mati sagt: „Es macht einfach Spaß. Und am besten ist, wenn wir im Wald oder am See trainieren. Da kennen wir sogar schon einen Specht, der immer klopft, wenn wir kommen.“ Und die siebenjährige Coco freut sich, „weil ich mit meiner Freundin Anna zusammen sein kann“. Alex dagegen hat schon Profi-Gedanken: „Ich will mal Marathonläufer werden.“

So einfach ist das allerdings nicht. Denn es mangelt nicht selten an einem entsprechenden kindgerechten Angebot. In vielen Vereinen findet sich für diese Altersgruppe im Bereich Leichtathletik oder speziell Laufen kaum etwas im Programm. „Sie können von Karate über Inlineskaten und Golfen alles finden, aber Leichtathletik nicht“, berichtet eine Mutter, die in der näheren Umgebung vergeblich für ihren Sohn eine Laufgruppe im Verein suchte. Aber dann fand sich ein engagierter Lehrer, der nun mit den Kindern den Trimm-Trab im besten Sinne probt. Es ist nicht einfach stures Kilometerbolzen, die Kinder auf Leistung zu trimmen. Sie erleben am Nachmittag viel mehr eine Verbindung aus Abenteuer, Körpererfahrung und vor allem Spaß. Auf dem Trab durch den Wald (natürlich nur auf Wegen) wird dann schon mal über Baumarten gesprochen oder den Vögeln gelauscht. Warum nun einer Seitenstechen hat, warum man nicht wie ein Verrückter losläuft, warum in einer Gruppe auf den Langsamen Rücksicht genommen werden soll - das sind Themen, mit denen sich die kleinen Läufer auseinandersetzen. Und natürlich kommt der Spaß bei Lauf- und Versteckspielen nicht zu kurz. Das Lauffieber hält bei den Kindern an. Die Fluktuation, die in anderen Gruppen oft sehr hoch ist, findet hier nicht statt. Sie sind jeden Donnerstag „am Start“ - bei jedem Wetter. „Kinder in dem Alter sind so leicht zu begeistern. Dass Laufen ein Abenteuer in vielfacher Hinsicht sein kann, haben sie erkannt“, freut sich ihr Betreuer, der sich als „kreativer Beweger“ im doppelten Sinn versteht.

Das Beispiel zeigt: Es müssen nicht immer die Super-Ultra-Aktionen sein, um Kinder zu interessieren und zu aktivieren. In Zeiten auch klammer Vereinskassen ist die Rückkehr zu Bewegungsursprüngen wie dem Laufen nicht nur billiger, sondern offensichtlich auch erfolgreich. Das alte Motto „Lauf mal wieder“ könnte bei Kindern eine ungeahnte Renaissance erleben, wenn Verantwortliche in Vereinen und Schulen, aber auch Eltern nicht nur dem Laufdrang von Kindern entgegenkommen, sondern auch Kreativität für ein gesundes Bewegungsangebot entwickeln.