Die „Turnfest-Akademie“ als gigantisches Weiterbildungsangebot

Im Laufe der Turnfest-Geschichte hat es schon verschiedentlich Versuche gegeben, den sportlichen und geselligen Tagen ein Weiterbildungs- und Qualifikationsangebot einzupflanzen.

Zahlreiche Angebote können bei der Turnfest-Akademie genutzt werden.
Zahlreiche Angebote können bei der Turnfest-Akademie genutzt werden.

Dank Gudrun Paul hat das große Fest nun sein „geistiges Zentrum“ gefunden, das auch in den Tagen vom 30. Mai bis zum 5. Juni 2009 beim Internationalen Deutschen Turnfest in Frankfurt am Main nicht mehr aus dem Programm wegzudenken sein wird. „Das ist mein Baby“, sagt die promovierte Sportwissenschaftlerin aus Leipzig nicht ohne Stolz, die nach der Wende zum Deutschen Turner-Bund (DTB) kam und seither den Bereich Events leitet. Bei den Vorbe-reitungen der „Turnfest-Akademie“, die seit rund anderthalb Jahren läuft, stehen ihr etwa zehn Mitarbeitern zur Seite. Die 61-Jährige hat zwar die Idee konsequent nach vorn getragen, doch in der Umsetzung betont sie die Kraft der Gemeinschaft. „Das alles ist reines Teamwork, allein kann man da überhaupt nichts ausrichten“, unterstreicht die promovierte Sportpädagogin mit den Spezialgebieten Tanz und Gymnastik.

Seit dem Turnfest 1994 in München wurde die „Akademie“ unter Gudrun Pauls Regie sukzessive „hoch gezogen“. Nach kleineren Versuchen machte das Projekt 2002 beim Turnfest in Leipzig seinem Namen erstmals alle Ehre, erlebte vor vier Jahren in Berlin einen wahren Boom und soll nun nahtlos daran anknüpfen. Die Voraussetzungen sind viel versprechend, denn schon 5.500 Übungsleiter, Trainer und Betreuer haben sich für die mehr als 600 Workshops angemeldet und sind darauf gespannt, was sie Neues hören werden und nach Hause mitnehmen können. Von der Veranstaltung, die Theorie und Praxis optimal zu verbinden weiß, werden anschließend 6.000 CDs gepresst, so dass die Teilnehmer fast die „Turnfest-Akademie“ praktisch in die Hosentasche stecken und in ihre Vereine, Landesverbände oder Schulen tragen und viele der Anregungen später in die Tat umsetzen können. Schon das Motto weist auf den gewünschten Nachahmungseffekt hin: „Lernen - Bilden - Handeln“.

„Europas größter Praxiskongress“

„Das Interesse ist wieder groß, wie die Resonanz vorab zeigt. Die Multiplikatoren aus den Vereinen und Verbänden sind begierig darauf, aus erster Hand über die neuesten Trends informiert zu werden“, schildert die Chef-Organisatorin der Akademie ihre Erfahrungen und weiß: Neben der eigenen sportlichen Darbietung, dem Besuch von Wettkämpfen und Shows gehört inzwischen für viele der Übungsleiter und Trainer der Besuch von zwei, drei Workshops zum festen Bestandteil ihres persönlichen Turnfest-Programms. Das Angebot bietet dabei die Qual der Wahl. Mehr als 200 Referenten aus 18 Ländern werden Vorträge innerhalb acht Themen-kreise halten und ihre Ausführungen mit möglichst viel Praxis verknüpfen. Die Palette reicht von „Wellness- und Gesundheitssport“, „Fitness und Aerobic“, „Gym und Dance“ über Turnen, Kinderturnen und „Aktiv älter werden“ bis hin zur „Management-Akademie“ und dem „Akademie-Forum“ mit Workshops unter der Überschrift „Zukunftsvision Lernen“ oder „Gesundheit trainieren“. „Eigentlich sind das alles kleine Kongresse für sich. Wir bilden inhaltlich sämtliche Schwerpunkte unserer Arbeit ab und versuchen dabei ein Spagat. Neben dem, was neue Perspektiven verspricht, geht es zugleich darum, das in den Fokus zu rücken, was sich bewährt hat“, skizziert Gudrun Paul Sinn und Zweck des Wissenstransfers. „Das ist Europas größter Praxis-Kongress. Hier werden alle Bildungs- und Ausbildungsangebote rund auf relativ engem Raum innerhalb relativ kurzer Zeit zusammengeführt.“ Ähnliche Dimensionen werden weltweit nur noch bei einer kommerziellen Veranstaltung in den USA erreicht.

Die große Zahl der Anmeldungen zeige, dass „unsere Multiplikatoren immer wieder bereit sind, sich weiterzubilden und zu qualifizieren und dieses Turnfest-Angebot dafür zu nutzen“. Das zusätzliche Plus neben dem Vorteil, bei den offerierten Themen „auf Ballhöhe“ gebracht zu werden, sticht sofort ins Auge: Die Teilnahme an der „Turnfest-Akademie“ wird bundesweit von den Landesturnverbänden als offizielle Fortbildung anerkannt. Entsprechend gilt sie als Legitimation für zusätzliche und weiterführende Lizenzen für Trainer und Übungsleiter. Auch dies sei „einer der tollen Synergieeffekte“, versichert die Akademie-Chefin.

Know-how soll „über die Grenze nach Deutschland schwappen“

Dank ihrer langjährigen Arbeit im Eventbereich hat Gudrun Paul ein ganzes Netzwerk von Referenten an der Hand. Mehr als 200 von ihnen aus 18 Ländern werden in Frankfurt am Main auftreten. Beworben hatten sich noch weitaus mehr. Dank der ausländischen Experten sollen Paul zufolge Know-how sowie andere Sichten und Auffassungen „über die Grenze nach Deutschland schwappen“. Beispiels seien Dänemark und Schweden führende Länder in den Sparten Fitness und Aerobic, während Deutschland in Sachen Gesundheitssport international weit vorn liegt und hier mit seinem Expertenwissen glänzen kann.

Wie für die aktiven Teilnehmer scheint das Turnfest für die Wissenschaftler und Referenten eine Art Happening. „Jeder ist froh, wenn er dabei sein kann“, schildert Paul die Einstellung bei den Vortragenden, die zugleich dem Begriff „Internationales Deutsches Turnfest“ alle Ehre machen. Auch eine so betagte Koryphäe wie der 84-jährige Professor Wildor Hollmann, der viele Jahre Präsident und Ehrenpräsident des Deutschen Sportärztebundes und des Weltverbandes für Sportmedizin war, hat sich längst von der Akademie-Atmosphäre anstecken lassen. Am 31. Mai wird der Gründer des Instituts für Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln über Gehirnforschung und Gehirngesundheit im Alter referieren. Fast überflüssig zu erwähnen, dass bei den Akademie-Referenten „Handels übliche Honorare“ unbekannt sind.

Messehalle zur Zehnfachturnhalle umfunktioniert

Im Wesentlichen wird die Akademie zwei Standorte haben - die Frankfurter Messe und die Einrichtungen der sportwissenschaftlichen Fakultät der Goethe-Universität in der Stadt. Der große Saal im Messe-Center bietet ideale Bedingungen für die Vorträge und die theoretischen Passagen des Akademie-Programms. Für die praktisch-anschauliche Arbeit steht die Messehalle 5.1 bereit, die zu diesem Zweck aufwändig mit Hilfe gläserner Raumteiler umgebaut wird, so dass unter ihrem Dach insgesamt zehn Turnhallen entstehen. Alles, was mit Nordic Walking, Trampolinspringen und den immer beliebter werdenden Aqua-Fitness-Angeboten zu tun hat, wird für die Akademie-Teilnehmer in den entsprechenden Räumlichkeiten des „Kooperationspartners Universität“ zu sehen und zu erleben sein. „Die Uni ist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut und schnell zu erreichen“, sagt Gudrun Paul und ist froh über das „kompakte Strandortkonzept“. Die Alternative wäre gewesen, die Akademie-Praxis auf gut zwei Dutzend verschiedene Schulen und deren Turnhallen in ganz Frankfurt zu verteilen. Das hätte aus Sicht der Organisatorin den Betrieb „zu sehr zerfasert und zu unübersichtlich gemacht“.

Trotzdem bleibt den Organisatoren die große logistische Herausforderung nicht erspart. Über 150 Helfer werden benötigt, um die mehr als 6.000 kleinen und großen Sportgeräte immer dorthin zu bringen, wo sie für den „Vorführungseffekt" oder für den „Mitmachbetrieb“ gerade benötigt werden. Sämtliche Gerätschaften werden gesponsert, zum Beispiel die etwa 1.000 benötigten Matten vom Unternehmen Airex. Daneben gibt es beste Kontakte zwischen dem Veranstalter der Turnfest-Akademie und Herstellern wie TOGU, Sport-Thieme oder den Unternehmen „Star Trac“, das in der Halle 5.0 ein „Fitness-Studio der Zukunft“ bereitstellt, oder zur Firma „Novacare“, das daneben ein supermodernes „Pilates-Studio“ platzieren wird.

Workshops für Kinder als Novum

Geradezu schwärmerisch wird Gudrun Paul, wenn sie auf zwei Neuerungen der Akademie anno 2009 zu sprechen kommt. Erstmals wird es einen speziellen Kinder-Workshop geben sowie die „Drum Beats“ mit zirka 150 Kindern aus fünf Frankfurter Schulen. Beide Programmpunkte werden am Turnfest-Donnerstag über die Bühne gehen. Beim Workshop unter dem Titel „Dance for Kids“ werden die jungen Teilnehmer eine eigene Choreografie erarbeiten und diese anschließend tänzerisch umsetzen. Zuguterletzt wird das Ergebnis in Form eines Video-Clips festgehalten. Eine Kombination von Sport, Bewegung und Technik, die für Kinder heutzutage nachgerade maßgeschneidert ist, wie erste Erfahrungen beweisen. Was die „Drum-Aktion“ betrifft, so werden den Kindern dabei große aufblasbare Sitzbälle als Trommeln dienen, die sie nach Herzenslust mit Trommelstäben traktieren dürfen. Was leicht klingt, ist eine Neuheit aus den USA, durch die die Koordination von Händen, Augen und Ohren geschult wird, die dem Rhythmusverständnis des Nachwuchses dient und zugleich geeignet ist, bei den kindliche Aggressionen abzubauen.

In Teilen Bayerns ist diese Übung schon Teil des Sportunterrichts, die „Erfinderin“ höchstselbst wird in Frankfurt darüber ausführlich referieren. „Ich hoffe, dass sich die beiden Kinder-Workshops auch viele Erwachsene anschauen, um zu sehen, wie man Kinder animieren und was man mit ihnen machen kann“, blickt Gudrun Paul voraus. Sie ist überzeugt: Die beiden Programmpunkte, die auf dem Turnfest ein Novum darstellen werden, könnten ohne viel Aufwand in den schulischen Alltag übertragen werden, in den Hort genauso wie in den Sportunterricht.

„Aerobic-Dance-Nights“ und Kooperationen mit DSV und DLV

Allein die beiden Neuheiten für Kinder machen deutlich: Wiewohl die „Turnfest-Akademie“ eine ernsthafte Angelegenheit ist, sollen Spaß und Freude keinesfalls zu kurz kommen. Dem fühlen sich beispielsweise unter dem Akademie-Dach die so genannten „Aerobic-Dance-Nights“ verpflichtet, die bereits zu einem wahren Renner mutierten. Sämtliche der fünf Veranstaltungen, bei denen jeweils zwischen 19.30 Uhr und 22.00 Uhr Profis und rund 250 Turnfestteilnehmer gemeinsam aktiv werden, sind schon ausgebucht. „Das ist wirklich eine tolle Sache“, sagt Gudrun Paul und scheint am liebsten mitwirken wollen, wenn etwa bei Latino-Rhythmen tänzerisch improvisiert und Bewegungsfreude ausgelebt wird. Zu dem Programm des täglichen Happenings gehört unter anderem auch eine Revivel-Night als Reminiszenz an die mittlerweile rund 20-jährige Geschichte der Aerobic-Bewegung.

Immer neue Trends und Entwicklungen nicht nur bei den Turnern führen zwangsläufig zu ganz natürlichen und praktischen Berührungen mit anderen Sportarten. Das tänzerische Element hat unter dem Dach des DTB schon lange Tradition, so dass Kooperationen mit dem Deutschen Tanzsportverband nahe lagen. Im Zuge der Aqua-Fitness-Welle und der Walking-Bewegung entstanden ähnlich enge Verbindungen zum Deutschen Schwimm-Verband (DSV) und zum Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), die sich im Akademie-Programm widerspiegeln werden. „Warum sollte wir diese Verbände nicht mit einbeziehen? Unser Interesse geht dahin, positiv zu kooperieren“, sagt Gudrun Paul. „Das ist doch viel besser und sinnvoller, als in Konkurrenzdenken zu verfallen.“

Etwa 1.000 „Immatrikulationen“ noch kurzfristig möglich

Wer erst jetzt sein Interesse für die „Turnfest-Akademie“ und einzelne Workshops entdeckt, kann sich nachträglich „immatrikulieren“ lassen. In der Zeit des Turnfestes sind im Kongressbüro für einzelne Workshops Nachbuchungen möglich. Für Nachzügler stehen noch etwa 1.000 Plätze zur Verfügung, berichtet Gudrun Paul. Über Details kann man sich ab dem 20. Mai auch im Internet auf der Website www.turnfest.de informieren. Die Organisationschefin der „Turnfest-Akademie“ hofft insbesondere, dass sich kurzfristig noch einige Lehrer und Erzieher aus den Schulen des Rhein-Main-Gebietes entschließen, die Vorträge zu besuchen. Die Pädagogen aus der Gastgeber-Region des Turnfestes sind nämlich als Gäste und Besucher der Akademie gern gesehen. Schließlich handelt es sich bei ihnen ebenfalls um wichtige Multiplikatoren.


  • Zahlreiche Angebote können bei der Turnfest-Akademie genutzt werden.
    Zahlreiche Angebote können bei der Turnfest-Akademie genutzt werden.