Zwischen Leistungssport und Ehrenamt

Ein Interview mit der Vorsitzenden der DOSB-Athletenkommission und Präsidentin von Athleten Deutschland Karla Borger zu Leistungssport und Ehrenamt und den Einsatz für Athlet*innen.

Karla Borger spricht im Interview auch über den Spagat zwischen Leistungssport und Ehrenamt. Foto: picture-alliance
Karla Borger spricht im Interview auch über den Spagat zwischen Leistungssport und Ehrenamt. Foto: picture-alliance

DOSB: Karla, du bist seit mittlerweile zwei Jahren Vorsitzende der DOSB-Athletenkommission. Mit welchen Gefühlen blickst du auf diese zwei Jahre zurück?

KARLA BORGER: Die letzten zwei Jahre waren sehr turbulent und unheimlich lehrreich für mich. Der Beginn unserer Amtszeit war noch stark von den Auswirkungen der Corona-Pandemie geprägt. Betroffen waren damals hauptsächlich die Wintersportler*innen in der Vorbereitung auf die Spiele in Peking. Aus der Kommission war es Dajana Eitberger, die aufgrund einer Infektion die Spiele leider verpasste. Die Beschäftigung damit sowie der Umgang mit China als Gastgeberland hat uns viel bewegt. Danach ging es weiter mit der Reaktion des Sports auf den russischen Angriffskrieg und den sportpolitischen Entwicklungen rund um die Spitzensportreform und deren mögliche Auswirkungen auf die Athlet*innen. Es waren definitiv keine ruhigen zwei Jahre.

DOSB: Du bist selbst gerade mitten in der Qualifikation für die Olympischen Spiele Paris 2024. Wie schaffst du es, den Leistungssport und das Ehrenamt zu vereinen?

BORGER: Es fällt mir ehrlich gesagt sehr schwer, aktuell Zeit für meine Ehrenämter in der Kommission und als Präsidentin von Athleten Deutschland zu finden. Zwischen Training, Physiotherapie und Sponsoring – und Medienterminen bleibt sehr wenig Zeit. Hinzu kommen die vielen und teils sehr weiten Reisen, die im Beachvolleyball auf Weltniveau einfach dazugehören. Ich versuche trotzdem mein Bestes, bei den meisten Sitzungen dabei zu sein. Glücklicherweise habe ich sehr motivierte und engagierte Mitstreiter*innen in der Kommission, die sich trotz der eigenen Verpflichtungen mit allen Kräften einbringen.

DOSB: Was treibt dich an, dieses Amt auszufüllen?

BORGER: Entscheidungen über Athlet*innen und ihre Rahmenbedingungen werden immer bessere Entscheidungen sein, wenn sie gemeinsam mit Athlet*innen getroffen werden. Davon bin ich überzeugt und deshalb engagiere ich mich.

DOSB: Was habt ihr als Athletenkommission in dieser Zeit erreicht? Welche Schwerpunkte habt ihr gesetzt?

BORGER: Unser Fokus hat sich auf die Überarbeitung der Rahmenrichtlinien für Athletenvertretung gerichtet. Mit der Unterstützung eines IOC Grants konnten wir eine sorgfältige Analyse des Umsetzungsstands der Richtlinien durchführen. Die Analyse belegte, was unsere Praxiserfahrungen schon erahnen ließen. Gerade die formale Verankerung der Athletenvertretung in den Strukturen der Spitzenverbände lässt viel zu wünschen übrig. Im Zusammenspiel mit den Athletenvertreter*innen aus den Verbänden haben wir dann eine neue Version der Richtlinien entwickelt. In den Gesprächen vor der DOSB Mitgliederversammlung des letzten Jahres wurde sehr deutlich, dass diese Version bei den Mitgliedsorganisationen keine Zustimmung fand. Wir einigten uns darauf, diesmal in Zusammenarbeit mit den Verbänden eine Weiterentwicklung vorzunehmen. Daraufhin hat der DOSB dankenswerterweise eine AG initiiert, die seit August konstruktiv gearbeitet hat. Einen Konsens haben wir noch nicht gefunden, aber ich bin sehr optimistisch, dass wir das mit Zeit und Sorgfalt noch hinbekommen. Die Rahmenrichtlinien sind nun mal das einzige Dokument im deutschen Sport, das die Beziehung zwischen der Athletenvertretung und den Spitzenverbänden beschreibt. Wir messen den Richtlinien dementsprechend eine hohe Bedeutung bei.

Abgesehen von den Richtlinien wirken die Kommissionsmitglieder auch stark über ihre Mitgliedschaften in anderen Gremien. Dazu gehören das DOSB Präsidium, die Aufsichtsräte von NADA und Sporthilfe, die AG Duale Karriere oder die Interessensgemeinschaft der NOVs. Mareike Miller ist Gesamtaktivensprecherin des DBS und sitzt dort im Vorstand Leistungssport. Sie begleitet außerdem die Anbahnung der möglichen Olympiabewerbung als Mitglied des Lenkungskreises sowie den Projektbeirat für Nachhaltige Sport(groß)veranstaltungen.

DOSB: Was nehmt ihr euch noch für den Rest eurer Amtszeit, für die kommenden zwei Jahre vor?

BORGER: Die Rahmenrichtlinien sind eines unserer Herzensanliegen, das wir in Zusammenarbeit mit den Verbänden über die Ziellinie bringen wollen. Die Vollversammlung der Athletenvertreter*innen hat uns beauftragt, diesen Prozess weiter voranzubringen, mit dem Ziel eine geeinte Version für die DOSB Mitgliederversammlung in 2024 vorlegen zu können. Daran wollen wir festhalten. Ansonsten stehen wir dem DOSB bei allen Fragen um die Entsendung nach Paris und auch bei der Planung einer möglichen Olympiabewerbung beratend zur Seite. Die für die Athlet*innen potenziell wegweisenden sportpolitische Prozesse wie die Spitzensportreform und den Stakeholderdialog zum Zentrum für Safe Sport sind bei unserem Verein Athleten Deutschland angesiedelt. Die angemessene Begleitung solcher Mammutprozesse übersteigt unsere Kapazitäten deutlich, weshalb wir sehr froh sind, eine professionelle Athletenvertretung an unserer Seite zu haben.

DOSB: Wie lauten die Rückmeldungen der Athlet*innen zu eurer Arbeit? Wird gesehen, was ihr leistet?

BORGER: Die Arbeit der Athletenkommission war im letzten Jahr vor allem für die Athletenvertreter*innen sichtbar, da wir an den Rahmenrichtlinien gemeinsam gearbeitet haben und die Vollversammlung als jährliches Gesamttreffen nutzen, um von unserer Arbeit zu berichten. Deutliche größere Resonanz erfahren wir als Präsidiumsmitglieder von Athleten Deutschland, gerade von jenen Athlet*innen, denen wir bei einem Anliegen – ein Konflikt oder eine besondere Herausforderung innerhalb ihres Sports – weiterhelfen konnten. Lea Krüger, die sich in der Russland-Debatte auch medial stark positioniert hat, hat dafür viel Zuspruch, zum Beispiel über Instagram, bekommen.

DOSB: Wie ist das Zusammenspiel mit dem DOSB?

BORGER: Als Athletenvertreter*innen beackern wir eine Vielzahl von Themen, die innerhalb des DOSB unterschiedliche Ansprechpartner*innen haben. Das klappt meistens dennoch gut, weil an den entsprechenden Stellen Offenheit für die Meinung der Athlet*innen existiert. Generell hilft es, wenn die Athletenvertretung bereits in die Entstehung von Arbeitsprozessen eingebunden ist. So kann sichergestellt werden, dass ausreichend Raum für Diskussionen vorhanden ist, und wir nachvollziehen können, wie Entscheidungen getroffen werden – und sie im besten Fall mit beeinflussen können.

DOSB: Wie läuft die Kommunikation mit den Athletenvertreter*innen der unterschiedlichen Verbände in Zeiten von Instagram und TikTok und wie ist Euer Meinungsbildungsprozess zu den verschiedenen Themen organisiert?

BORGER: Die Kommunikation an die Athletenvertreter*innen, zum Beispiel hinsichtlich der Vollversammlung oder der Rahmenrichtlinien, läuft über Email. Gelingende Kommunikation entlang der verschiedenen Themen ist aufgrund der vielen Infos, die Athlet*innen auf etlichen Kanälen bekommen, eine große Herausforderung. Um durchzudringen müssen Botschaften gezielt und regelmäßig ausgespielt werden. Dieser Aufwand wäre für uns als ehrenamtliche Kommission nicht leistbar. Hier sind wir wiederum dankbar für das Team von Athleten Deutschland, das in der Lage ist, eine solche professionelle Kommunikation auf die Beine zu stellen. Dort findet auch die Meinungsbildung statt, die je nach Thema unterschiedliche Formen annehmen kann. Dabei werden Umfragen, Fokusgruppen, digitale Gesprächsgruppen als Einzelinterviews mit Gesprächsleitfäden genutzt. Zudem stehen wir natürlich immer bereit, Themen und Meinungen aufzunehmen, die Athlet*innen außerhalb dieser Formate an uns herantragen.

(Quelle: DOSB)


  • Karla Borger spricht im Interview auch über den Spagat zwischen Leistungssport und Ehrenamt. Foto: picture-alliance
    Porträt von Karla Borger mit Mikrofon Foto: picture-alliance