Dr. Klaus Balster: "Vieles ist ausprobiert, aber längst nicht ausgereizt"

Die Deutsche Sportjugend will sich zukünftig stärker des Themas "zunehmendes Übergewicht und Bewegungsmangel" annehmen. Eigens dafür wurde eine Arbeitsgruppe "Kinder in Bewegung" eingerichtet, die neue Wege erschließen soll. Ihr Leiter Dr. Klaus Balster wünscht sich ein stärkeres Zugehen des Sports auf andere Partner, wie er in einem Interview mit der dsb-website beschreibt.

   Alarmierende Schlagzeilen wie 'Ständig wachsendes Übergewicht bei unseren Kindern' tauchen immer häufiger auf. Welche Schwierigkeiten gibt es denn, unsere Kinder wieder zu mehr Bewegung zu animieren?

 

Balster: "Wir haben eine große Schwäche: Wir erreichen nicht die Köpfe der Menschen, die wir erreichen müssten. Kinder selber können nichts verändern, sondern wir brauchen die Einsicht der Erwachsenen, damit sich etwas tut. Das ist der Schwerpunkt der Maßnahmen, die wir mit der AG ´Kinder in Bewegung´ in der Deutschen Sportjugend (dsj) unter diesem Leitsatz ansteuern. Für mich ist klar, wenn ich damit auch Gefahr laufe, mich ständig zu wiederholen: Der Sport ist die Grammatik des Lebens."


   Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?

 

Balster: "Wir rufen nicht wie alle anderen ausschließlich nach mehr Geld, sondern wir denken, dass man nicht immer Neues erfinden muss, es ist vieles bereits ausprobiert worden. Über diese Ausprobierphase sind wir hinaus. Die vorhandenen Maßnahmen müssen gezielter eingesetzt werden. Es hat niemand im Moment die Ideallösung, sondern es existieren viele kleine Ideen, die noch längst nicht ausgereizt sind und koordiniert werden müssen.

 

Dieses Ausreizen wollen wir in einem neuen Anlauf erreichen. Als Erstes wollen wir ein bewegtes Alltagsvorbild von uns allen. Wir wollen anderen sagen, sie sollen sich mehr bewegen, indem wir es in unserem kleinen Umfeld selbst wieder so vorleben. Dabei mag die Entwicklung dem einen oder anderen nicht schnell genug gehen, aber wir kommen vorwärts. Es tut sich sehr viel, der Blickwinkel hat sich geweitet, hin zur Bewegung als fördernd für die Gesundheit. Da gibt es z.B. die Bewegungskindergärten, Aktionen für übergewichtige Kinder - u.a. in NRW das Projekt 'Schwer mobil' - und zunehmend Familiensportangebote."

 

   Wie sieht denn die konkrete Umsetzung aus? Und sind schon Verabredungen getroffen worden?

 

Balster: "Wir sind noch nicht in der Phase der konkreten Umsetzung.
Es existieren aber bereits Vorschläge zur konkreten Umsetzung, wobei wir den Schwerpunkt auf pragmatische Lösungen legen. Zuvor müssen wir uns einer Schwierigkeit klar werden. Wir haben das Problem, dass wir die bildungsfernen Menschen nicht erreichen. Dort besteht große Schwellenangst gegenüber den Einrichtungen unseres Systems. Deshalb brauchen wir unter anderem die Ärzte, denn dort nehmen fast alle Eltern die so genannten U-Untersuchungen für ihre Kinder wahr. Dort können wir sie erreichen, wenn die Ärzte sie ansprechen.

 

"Der Sport ist die Grammatik des Lebens."

 

Dann brauchen wir mehr speziell qualifizierte Erzieher. Schließlich müssen wir soziale Einrichtungen wie die Jugendämter und die Jugendfürsorge viel stärker in unsere Netzwerke einbinden. Bewegung, Spiel und Sport haben gerade für die Kinder eine Menge zu bieten. Bisher haben wir aber viel zu sehr nebeneinanderher agiert. Wir müssen viel, viel enger zusammen arbei-ten. Der Sport muss viel stärker auf die anderen zugehen. Da gibt es doch Jugendanwälte, kommunale Kinder- und Jugendparlamente. Alle müssen angesprochen werden."

 

   Was plant die dsj darüber hinaus?

 

Balster: "Am 20. August werden wir in Frankfurt ein Diskussionsforum mit unseren Mitgliedsorganisationen zu diesem Thema durchführen. Dort veranstalten wir fünf Workshops mit den zukunftsweisenden Schwerpunkten 'Sportverein als Lebenswelt', 'Schaffung von neuen Lebenswelten', 'Vorgelebtes Leitbild - Bewegtes Alltagsvorbild', 'Ernährung und Bewegung' und der 'Kinderfreundliche Sportverein'. Daraus werden sich dann sicherlich viele Anstöße und Anregungen für die Zukunft ergeben."