DSB-Vizepräsident Feldhoff: Fehler vermeiden und alle Chancen nutzen

Die Sportpolitiker im Deutschen Bundestag wollen weitere Weichenstellungen ermöglichen, damit sich der deutsche Hochleistungssport international auch künftig behaupten kann.

Expertenhearing im Bundestags-Sportausschuss zum Spitzensport

 

In einem Expertenhearing im Sportausschuss wurde offen und schonungslos debattiert, welche Stellschrauben anzuziehen sind, damit Deutschland bei künftigen Olympischen Sommerspielen in der inoffiziellen Nationenwertung nicht weiter nach hinten fällt. Der Vorsitzende des Sportausschusses, Peter Rauen (CDU), sagte nach der öffentlichen Anhörung, die Debatte sollte mit einem großen Workshop fortgesetzt werden, auf dem auch konkrete Handlungsschritte der Politik erörtert werden könnten.

 

Starke Konkurrenz aus Asien im Spitzensport

 

DSB-Vizepräsident Ulrich Feldhoff erklärte zu Beginn des Hearings, weitere Einbrüche in der Erfolgsbilanz deutscher Top-Athleten seien durchaus möglich, weil asiatische Länder enorme Kraftanstrengungen unternähmen, mit ihren Olympiamannschaften weiter nach vorn zu kommen. "Es wird für uns bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking sehr schwierig, unter die sechs führenden Sportnationen zu kommen", meinte Feldhoff. "Wenn wir keine Fehler machen, haben wir Chancen, gut abzuschneiden. Wir müssen allerdings auch alle Chancen nutzen." Feldhoff, der gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Bereichs Leistungssports, Jörg Ziegler, nach Berlin gereist war, erläuterte die Inhalte des Förderkonzepts 2012 und des neuen Stützpunktkonzepts, die vom DSB-Bundestag am 4. Dezember 2004 in Bremen beschlossen worden waren. Auch die Leistungssport-Personalkonzeption sei im wesentlichen umgesetzt.

 

Feldhoff kündigte an, dass DSB und Allgemeiner Deutsche Hochschulsportverband (ADH) in Kürze im Internet einen "Deutschen Hochschulführer Spitzensport" veröffentlichen werden. Durch diesen sollten Hochleistungssportler Informationen über Universitäten bekommen, an denen sich Studium und Sport gut vereinbaren lassen. Der DSB-Vizepräsident forderte zudem eine Stärkung des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig und höhere Haushaltsmittel des Bundes hierfür. Dies unterstützte der Präsident des Deutschen Turner-Bundes (DTB), Rainer Brechtken.

 

"Es wird für uns bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking sehr schwierig, unter die sechs führenden Sportnationen zu kommen"

 

Feldhoff forderte zudem ein erweitertes wissenschaftliches Verbundsystem, das eine noch bessere sportwissenschaftliche Steuerung des Hochleistungssports durchsetzen sollte. Hierzu gebe es erste Konzepte. Vorbild sei etwa das japanische Zentralinstitut in Tokio oder ähnliche Einrichtungen in anderen Leistungssport-Nationen. Brechtken unterstützte diese Forderung mit Nachdruck und meinte, dieser neue Verbund sollte alle Einrichtungen der Sportwissenschaft erfassen: "Durch die chinesische Herausforderung müssen wir neue Erkenntnisse aufspüren, analysieren und das alles in die deutsche Praxis überführen."

 

"Der deutsche Spitzensport darf sich nicht aufgeben", erklärte Frank Hensel, Generalsekretär und Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, in seinem Grundsatz-Statement. "Wir müssen auf Dauer den Anspruch haben, weltweit zu den drei oder fünf führenden Nationen zu gehören." Hausgemachte Probleme sollten angegangen und beseitigt werden – vor allem die Mängel des deutschen Trainersystems. 2008/2010 verlören die Fachverbände 60 Prozent ihrer Trainer aus altersbedingten Gründen. Auf dem derzeitigen Markt stünde kein Nachwuchs für diese Positionen bereit, sagte Frank Hensel. Rainer Brechtken meinte, für den Trainerberuf fehle eine klare Berufsperspektive, weil es im Spitzensport lediglich Zeitverträge gebe. So werde es wohl dazu kommen, dass der Trainerjob immer stärker eine Nebentätigkeit werde, etwa für Lehrer.

 

DSB-Vizepräsident Ulrich Feldhoff wies darauf hin, dass schon heute die Situation in einigen Verbänden dramatisch sei. "Viele Trainerstellen können gar nicht besetzt werden, weil der deutsche Trainermarkt weitgehend leergefegt ist", sagte Feldhoff. Deshalb müssten sich Verbände schon wieder im Ausland umsehen, was keine gute Lösung sei. Eine Mangellage gäbe es auch bei der Trainingsmethodik.

 

Mängel in der Talentförderung

 

Die DSB-Vizepräsidentin und Präsidentin des Deutschen Schwimmverbandes, Dr. Christa Thiel, erklärte, gerade in den Schwimmdisziplinen seien die Chinesen und Japaner auf dem Vormarsch. Aus ihrer Sicht sollte es vor Olympia noch strenge Nominierungskriterien geben. Als weiteres gravierendes Manko für den Spitzensport wurde bei der zweieinhalbstündigen Anhörung das sogenannte drop-in-Problem genannt. Gerade auch wegen des demographischen Wandels interessierten sich immer weniger junge Leute für eine Hochleistungssport-Karriere. Rainer Brechtken ergänzte: "Wir verlieren zu viele Talente, weil wir unten kein vernünftiges System haben." Neue Konzepte für die Talentfindung und –förderung seien nötig.

 

DSB-Vizepräsident Ulrich Feldhoff plädierte dafür, dass Eliteschulen des Sports, deren Qualität untersucht wurde und die für vier Jahre zertifiziert wurden, zukünftig nur noch Schüler aus den für die Region jeweils abgestimmten Schwerpunktsportarten aufnehmen sollten. Lösungen müssten mit den Kultusbehörden und den Schulen vor Ort gefunden werden, damit die Verbleib-Kriterien neu geregelt werden; dies sei ein zentrales Problem, das dringend gelöst werden müsste. Ulrich Feldhoff: "Die Plätze dürfen nicht mehr länger von Schülern besetzt werden, die sich nicht mehr leistungssportlich engagieren. Dies sind heute bis zu 60 Prozent der Schüler."